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# taz.de -- Leichtes Wachstum bei Reallöhnen: Ein Lichtblick bei den Gehältern
> Erstmals seit zwei Jahren stiegen von April bis Juni die Reallöhne in
> Deutschland wieder leicht. Das ist auch gesamtwirtschaftlich gut.
Bild: Nach Monaten inflationsbedingten Sparens kann der Einkaufbeutel wieder me…
Berlin taz | Zuerst kam Corona, dann die Energiepreiskrise. Zuerst drückten
Kurzarbeit und schlechte Tarifabschlüsse auf die Kaufkraft der
Beschäftigten, dann die horrende [1][Inflation]. Doch haben sich die
Vorzeichen geändert: Um 0,1 Prozent stiegen von April bis Juni die
Reallöhne im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, gab das Statistische
Bundesamt am Dienstag bekannt. Nicht viel, aber immerhin der erste
Reallohnzuwachs seit zwei Jahren. Ob nun aber bessere Zeiten für die
Beschäftigten anbrechen, ist unter Expert*innen keine ausgemachte
Sache.
Mit einem Plus von 6,6 Prozent legten die Löhne und Gehälter im zweiten
Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahresquartal stärker zu als die
Preise, die um 6,5 Prozent stiegen. Lange Zeit war es andersherum, weshalb
die Löhne real sanken. Im vergangenen Jahr war die Diskrepanz zwischen den
extrem hohen Inflationsraten und der Lohnentwicklung sogar so groß, dass
die [2][Kaufkraft der Beschäftigten um 4 Prozent zurückging]. Das war der
höchste Reallohnverlust seit Beginn der Messung im Jahr 2008. Auch 2020 und
2021 mussten die Beschäftigten Reallohnverluste hinnehmen, nur im zweiten
Quartal 2021 stiegen die Reallöhne kurzzeitig.
Die Lohnentwicklung ist nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch
gesamtwirtschaftlich relevant. Denn an ihrer Kaufkraft hängt die private
Nachfrage, die wiederum ein wichtiger Faktor für das Wirtschaftswachstum
ist. So gilt die im Zuge der Inflation zurückgegangene Nachfrage auch als
ein wichtiger Grund für die Rezession im Winterhalbjahr.
Deshalb schätzen Ökonom*innen die jüngste Entwicklung bei den Reallöhnen
positiv ein: „Die Konjunkturaussichten für die deutsche Wirtschaft sind
besser als die aktuelle Stimmung. Die heute gemeldeten Daten zur
Lohnentwicklung bestätigen die Einschätzung, dass der private Konsum eine
moderate konjunkturelle Erholung tragen dürfte“, sagte die Chefvolkswirtin
der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib. Zum Jahresende sei
sogar mit einer deutlicheren Erhöhung der Reallöhne zu rechnen. Getrieben
durch die hohen Preissteigerungen und den Fachkräftemangel erhielten
Arbeitnehmende in diesem Jahr die höchsten nominalen Lohnsteigerungen seit
30 Jahren.
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der
Hans-Böckler-Stiftung bewertet den jüngsten Reallohnanstieg ebenfalls als
positiv, ist aber verhaltener, was die Entwicklung angeht: „Die
Stabilisierung der Reallöhne ist erfreulich – sollte aber nicht darüber
hinwegtäuschen, dass sie noch weit davon entfernt sind, den herben,
inflationsbedingten Einbruch vom Vorjahr wieder aufzuholen“, sagt
WSI-Entgeltexperte Malte Lübker. Im Vergleich zum zweiten Quartal 2019,
also der Zeit vor der Coronapandemie, seien die Reallöhne sogar um 5,6
Prozent gefallen.
Als „kleinen Lichtblick“ führt Lübker an, dass die deutlichsten
Nominallohnzuwächse bei Beschäftigten mit geringen Verdiensten zu
beobachten sind – also genau bei denjenigen, die von der Inflation
besonders stark betroffen sind. „Dazu hat auch die Mindestlohnerhöhung im
Oktober 2022 beigetragen“ so der Lohnexperte.
Unterdessen stellt der schwache Konsum auch für die Ökonom*innen vom
arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) eine „erhebliche
konjunkturelle Belastung“ dar. Sie gehen in ihrer am Dienstag
veröffentlichten Konjunkturprognose davon aus, dass die deutsche Wirtschaft
in diesem Jahr um fast 0,5 Prozent schrumpft. Gründe für die [3][Rezession]
sind danach neben dem mangelnden Konsum auch steigende Zinsen sowie die
schwächelnde Weltwirtschaft.
29 Aug 2023
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[3] /Deutschland-in-der-Wirtschaftskrise/!5949696
## AUTOREN
Simon Poelchau
## TAGS
Inflation
Konjunktur
Lohnentwicklung
Wirtschaftswachstum
Inflation
DIW
Erneuerbare Energien
Berufsgewerkschaften
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