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# taz.de -- Bremerhavener Theaterstück „No Finer Way“: Bildmächtiger Damp…
> „Das Letzte Kleinod“ zeigt ein Stück über den Dampfer „United States�…
> Parallel dazu verkündet die Hafengesellschaft den Erhalt des
> „Columbusbahnhof“.
Bild: Die Fassade als Spielfläche: Die Architektur der frühen 1960er erzeugt …
Rechtzeitig fertig, um der fernwehen Aufbruchstimmung der Nachkriegszeit
sowie dem amerikanischen Traum als Symbol zu dienen, aber doch zu spät
dran, um ein paar Jahrzehnte erfolgreich Kontinente verbinden zu können.
Bei der Jungfernfahrt 1952 von New York nach Southampton eroberte der 300
Meter lange Luxusdampfer „SS United States“ dank schnittiger Form gleich
das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung. Bei einer
Durchschnittsgeschwindigkeit von 65 Stundenkilometern brauchte er nur drei
Tage, zehn Stunden und 40 Minuten für den Trip.
Noch heute benötigen Schiffe sonst mindestens fünf Tage. Aber über dem
uneinholbar flinken Ozeanriesen kreiste schon die tödliche Konkurrenz.
Transatlantikflüge wurden immer billiger. Als unrentabel ausgemustert wurde
die „SS United States“, nachdem sie von 1953 bis 1969 genau 167 Mal im
Liniendienst zwischen New York und Bremerhaven gependelt und am
Columbusbahnhof angelegt hatte.
Dem nun seit Jahrzehnten ungenutzten und 2021 zum Abriss bestimmten Kleinod
des lichtdurchflutet eckigen Charmes der 1960er-Jahre-Architektur
[1][widmete die Dokumentartheatergruppe Das Letzte Kleinod drei
Inszenierungen]. Sie sollten den Abschiedsschmerz lindern. Doch nach der
letzten Premiere dürfen sich Freunde des Bauwerks jetzt über ganz andere
Pläne des Betreibers freuen.
Die Hafengesellschaft Bremenports hat verkündet: Das gesamte historische
Gebäude-Ensemble werde erhalten und instandgesetzt. Am Montag hat der Senat
die konkreteren Erhaltungs- und Nachnutzungspläne vorgestellt. Das im
Wettbewerb erfolgreiche Architekturbüro „GMP International“ soll das
sechsstöckige Bürogebäude zu einem 15-stöckigen Landmark-Tower inklusive
Parkdeck umplanen.
Wenn die Zeichnungen und Kalkulationen im Frühjahr fertig vorliegen,
beginnt eine zweijährige Bauphase. Die Sanierung im Bestand sei einfach
billiger und gehe schneller, als einen neuen Terminal für die nach Corona
wieder jährlich 260.000 erwarteten Passagiere der etwa 100 in Bremerhaven
anlegenden [2][Kreuzfahrtschiffe] zu bauen, lässt der Bremenports-Sprecher
wissen.
Im Theaterstück „Passenger Processing“ (2021) des Letzten Kleinods standen
Geschichten um das Abfertigungsterminal im Mittelpunkt, in „Amerikalinie“
(2022) ging es um Biografien eingeschiffter Auswanderer, aktuell wird mit
dem Stück „No finer way“ von der „SS United States“ erzählt. In den U…
hatte Regisseur/Autor Jens-Erwin Siemssen ehemalige Crewmitglieder und
Passagiere interviewt und wie üblich aus den O-Tönen kurze Szenen
collagiert.
Untypisch, dass dies nun nach Art der Musicals mit Gesangseinlagen
geschieht, die [3][Frank Sinatra] oder die „West Side Story“ zitieren und
fürs maritime Klangparfüm auf Schifferklavierbegleitung setzen. Zum
sechsköpfigen Schauspielensemble gesellt sich ein Statisten-Chor sowie eine
kleine Bigband – alle sind in picobello weiß-elegante Livreen gekleidet.
Der Columbusbahnhof wird als „SS United States“ bespielt. Auf der Fassade
ist der gewaltige Bug des Schiffs zu sehen, was aus der
Zuschauerperspektive so imposant wirkt, wie sich Zeitzeugen erinnern: „Die
sah majestätisch aus, kann man schon sagen. Es war ja ein Riesendampfer.
Wenn man davor stand, hat man gedacht, das ist ein Hochhaus“, heißt es da.
„Wie eine Wand stand das Schiff hier an der Kaje.“
Das Festmachen, Stückgutentladen und Beladen demonstriert ein Hafenarbeiter
im Dialog mit Videobildern. Fenster des Gebäudes öffnen sich wie Türen der
Schiffskabinen, aus den Passagiere per Sprachrohr über die strenge
3-Klassen-Trennung berichten.
Mit dem Typhon-Signal wird zum Gang an Bord, in diesem Fall zu den
szenischen Installationen ins Gebäude gerufen. Sehr gelungen wie Richard
Gonlag am Infostand der alten Zollhalle den Fahrstuhlführer zum
Bordschwimmbad mit schamhaftem Stolz spielt, als er von der Begegnung mit
Promis wie Burt Lancaster oder Harry S. Truman erzählt.
Der Indoor-Pool ist mit einem riesigen Tau angedeutet, in Schwingungen
versetzt kann es auch Wellen durchs Becken laufen lassen, in die sich eine
Frau zwischen die 1.-Klasse-Gäste geschmuggelt hat – entdeckt und
rausgeschmissen wird. Im Wartesaal mit dem Hafenpanoramablick bekommt einer
der 1.000 dienstbaren Geister ein Gesicht, die sich im Schiffsbauch um die
Wäsche, den Dreck und die Speisenzubereitung der 2.000 Passagiere kümmern,
während an Deck höchst zeremoniell diniert wird.
Supreme of Fresh Fruit in Kirschwasser als Starter, gefolgt von Beluga
Malassol Caviar, als Hauptgang „Roast Maryland Turkey, American Stuffing,
Giblet Sauce, Cranberry Jelly“, zum Ausklang schließlich ein „Clara Barton
Salad“ und die Eisbombe „Caprice“. Als Trost für die nur akustische
Verköstigung bekommt das Publikum Fürst-Pückler-Eis-Sandwich-Schnipsel.
Dann verliert die Stationenfolge des Stücks ein wenig an Kohärenz. Endlos
dauert es, bis alle 135 posierenden Zuschauer:innen vom Bordfotografen
abgelichtet sind. Für einige ein netter Mitmachmoment, inhaltlich aber
ebenfalls eher mau der Versuch, das Publikum mit kostenlosem Cola-Ausschank
im Ballsaal zum jazzigen Schwofen zu animieren. Ein reiner Spaßmoment,
seekrankes Kotzen auszustellen.
Reizvoll hingegen die Vorführung eines Films, der Archivclips von der
High-Society-Dauerparty auf dem ikonischen Flaggschiff der USA mit
aktuellen Aufnahmen der von aller noblen Innenausstattung entkleideten, im
Hafen Philadelphias als Geisterschiff vor sich hin rostenden „SS United
States“ konfrontiert.
Opulent das Finale, die Ankunft in New York, das in gigantischen
Videobildern auf dem Pier zu sehen ist, dahinter das abendliche Panorama
der Wesermündung. Aber die Texte ermöglichen leider keinen groß
erweiternden Blick auf die Vergangenheit, sind eher impressionistisch denn
zu einem Diskurs verdichtet. Im Mittelpunkt steht die bildmächtige Feier
des einstigen Dampfer-Charme – zu erleben als ironisch melancholisches
Erinnerungstheater.
Im Programmheft wirbt [4][eine bürgerinitiative Stiftung], die den
Ozeanliner gekauft hat, um ihn wieder flott zu machen: alles möglich nur
durch Spenden. Auftakeln für Kreuzfahrten ist bisher aber ebenso an den
Kosten gescheitert wie eine Neunutzung der 55.000 Quadratmeter als Hotel-,
Wohn-, Museums-, Kasino- oder Kongressschiff, das als schicke
Waterfront-Immobilie fest in einem Hafen liegen könnte – so wie die gute
alte „RMS Queen Mary“ als Touristenherberge im kalifornischen Long Beach
ihr Rentendasein fristet.
22 Aug 2023
## LINKS
[1] /Regisseur-ueber-den-Columbusbahnhof/!5805895
[2] /Kreuzfahrt/!t5017782
[3] /Jubilaeumsbuecher-zu-Frank-Sinatras-100/!5258181
[4] http://www.ssusc.org/
## AUTOREN
Jens Fischer
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