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# taz.de -- Autor über Auswanderer-Bahnhof: „Alle heulten wie die Schlosshun…
> Der Columbusbahnhof war in Bremerhaven der emotionale
> Kristallisationspunkt der Auswanderung. Jetzt scheint der Abriss doch
> noch abgewendet zu werden.
Bild: Typisches Detail aus dem Inneren des Columbusbahnhofs: zweiläufige Freit…
taz: Herr Donsbach, wenn von Bremerhaven nur ein Gebäude übrig bleiben
könnte, welches wäre das?
Rainer Donsbach: Mein eigenes Haus wäre schön. Das ist immerhin schon 125
Jahre alt. Aber wenn das mit der Umwelt so weitergeht, dann fürchte ich,
dass unser Stadtteil bis zum Ende des Jahrhunderts überflutet ist.
taz: Na, dann frage ich lieber: Welches ist das bedeutendste Gebäude
Bremerhavens?
Donsbach: [1][Ob der Columbusbahnhof die größte Bedeutung hat?] Vielleicht
nicht. Aber er ist untrennbar mit Bremerhavens DNA verbunden. Von hier aus
haben über sieben Millionen Auswanderer Europa verlassen. Später kam dann
die Linienschifffahrt nach New York [2][mit riesigen Transatlantiklinern
wie der „United States“] und der „Bremen“ dazu. Von den 1970er Jahren b…
zur Jahrhundertwende wurde das Passagierterminal zum Schauplatz für
Konzerte und große Bälle mit Tausenden Besuchern.
taz: Steht der 1962 eröffnete Columbusbahnhof nicht auch dafür, dass damit
aufs falsche Pferd gesetzt wurde?
Donsbach: In der Tat, es war ein Prestigeprojekt der Bremer
Landesregierung. Als der Fahrgast-Terminal eröffnet wurde, reisten bereits
mehr Menschen mit dem Flugzeug nach Nordamerika als mit dem Schiff. Im
Grunde genommen war dieses Gebäude völlig überdimensioniert. Es war für
7.000 Passagiere pro Tag ausgelegt, so viele sind da aber nie mehr an einem
Tag abgefertigt worden. Dafür beeindruckt der Columbusbahnhof bis heute mit
seiner Architektur. Ein ganzheitlich durchdachtes Ensemble, bei dem nichts
dem Zufall oder der Willkür der Bauindustrie überlassen wurde.
taz: Darüber haben Sie zusammen mit dem Fotografen Stefan Klink ein Buch
veröffentlicht, das den Blick auf die oftmals verkannte Qualität der
Nachkriegsmoderne schärft.
Donsbach: Der Mittelbau des Columbusbahnhofs stand lange leer und
verursachte hohe Unterhaltungskosten. Die Entscheidung, das Gebäude
abzureißen, war eigentlich schon gefallen. Stefan Klink wurde zu jener Zeit
von Bremenports beauftragt, das Terminal für die Nachwelt zu dokumentieren.
Während seiner Arbeit hat sich der Wind erfreulicherweise gedreht. Ein
Architekturwettbewerb, den das renommierte Hamburger Büro Gerkan, Marg und
Partner gewonnen hat, brachte Pläne hervor, das Gebäude in wesentlichen
Teilen zu erhalten, umzubauen und zu revitalisieren. Aus den Fotos sollte
nun ein Buch werden, und da bin ich gefragt worden, ob ich Texte dazu
schreiben könnte. Das hat mich natürlich sehr gereizt, doch am Anfang stand
die Frage: An wen soll das Buch gerichtet sein?
taz: Gute Frage, was meinen Sie?
Donsbach: Die Fotos sind klassisch komponiert, ohne verrückte Perspektiven,
und zeigen die Besonderheiten der Architektur ganz wunderbar. Das spricht
ein architektonisch interessiertes Publikum an. Doch es sollte auch
Bremerhavener erreichen. Deshalb habe ich angeregt, die vielen tollen
Geschichten einzubinden: die prominenten Reisenden, die großen Partys, den
Einfluss der Amerikaner auf das wirtschaftliche und kulturelle Leben der
Stadt. Das Buch soll zeigen, warum das Gebäude [3][für Bremerhaven solch
eine hoch emotionale Bedeutung hat].
taz: Inwiefern emotional?
Donsbach: Bei den Schiffsabfahrten drängten sich bis zu tausend
Schaulustige auf den Besuchergalerien, um mitzuerleben, wie die Kapelle
„Muss i denn“ spielte, den Schiffen mit weißen Taschentüchern hinterher
gewunken wurde und alle heulten wie die Schlosshunde. Die haben sich an
dieser hohen Emotionalität regelrecht berauscht.
taz: Und wie wurde der Wert des Gebäudes nun wiederentdeckt?
Donsbach: Der Architekturwettbewerb zeigte, dass ein Umbau technisch
machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist. Das Bewusstsein für den Umgang mit
Bauten aus den 50ern ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Bauen im
Bestand ist heute ein großes Thema – statt Abriss und Neubau wird auf
Nachhaltigkeit gesetzt.
taz: Was ist der Plan für das Gebäude?
Donsbach: Es wird darüber nachgedacht, den Hafenbetreiber Bremenports und
Betriebe der Hafenwirtschaft dort zu zentralisieren und das
Kreuzfahrtterminal zu erweitern. Auch ein Hotelbetrieb ist vorstellbar.
Sehr konkret ist das noch nicht, aber das Gebäude bietet viele
Möglichkeiten. Es ist wichtig, dass es auch für die Bremerhavener zu einem
attraktiven Anziehungspunkt wird – Kultur sollte unbedingt Teil des
Konzepts sein.
taz: Sie haben Bremerhaven als Lokalredakteur der Nordsee-Zeitung
Jahrzehnte durch dick und dünn begleitet. Was wäre Ihr Wunsch für die
Zukunft des Columbusbahnhofs?
Donsbach: Wünschen kann man sich vieles, aber letztendlich muss es sich
auch rechnen. Deshalb würde ich sagen, eine wirtschaftliche Nutzung
kombiniert mit Angeboten, die Menschen anziehen. Konzerte, Gastronomie –
vielleicht als Alternativstandort zur Stadthalle. Konzertveranstalter
machen einen Bogen um das Haus, weil die in die Jahre gekommene Stadthalle
zu klein und für aufwändige Technik nicht geeignet ist. Der Columbusbahnhof
könnte diese Lücke füllen und bietet zudem eine spektakuläre Lage direkt am
Wasser.
19 Nov 2024
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## AUTOREN
Lena Kaiser
## TAGS
Hafen
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