# taz.de -- Regisseur über den Columbusbahnhof: „Ein Ort innerer Befindlichk… | |
> Das Theaterkollektiv „Das Letzte Kleinod“ erinnert an die Geschichte des | |
> Bremerhavener Columbusbahnhofs. Der soll abgerissen werden. | |
Bild: Das war einmal: Ein Kreuzfahrtschiff im Jahr 1995 vor dem Columbusbahnhof… | |
taz: Herr Siemssen, was verliert Bremerhaven, wenn der Columbusbahnhof dem | |
Erdboden gleichgemacht wird? | |
Jens-Erwin Siemssen: Es geht eine Menge lokaler Geschichte verloren, das | |
ist auch durch einen Neubau nicht zu ersetzen. Damit man den altehrwürdigen | |
Fahrgastterminal nicht unreflektiert runterreißt, begeben wir uns im | |
Auftrag der Hafengesellschaft Bremenports noch mal bewusst in diese Räume | |
und befragen Zeitzeugen, die mit dem Ding zu tun gehabt hatten. Ihre | |
Erinnerungen sollen das bereits leer stehende Gebäude noch einmal beleben, | |
ohne dass wir ins Dokumentartheater-Reenactment gehen. Wir erlauben uns | |
Verfremdungen der Geschichten und arbeiten dabei mit Objekten und | |
Materialien, die wir beim Durchforsten all der Nebenräume und Keller | |
gefunden haben. | |
Wer kommt zu Wort? | |
Beispielsweise die Witwe des Architekten hat uns viel erzählt. Auch viele | |
Bremerhavener:innen plauderten aus dem Nähkästchen über die inneren | |
Befindlichkeiten dieser Stadt vor 50 Jahren, als der Columbusbahnhof | |
eröffnet wurde. Ein älterer Taxifahrer ist dabei, sowie ein Ausrichter der | |
festlichen Bälle, eine Serviererin aus dem Restaurant und eine | |
Mitarbeiterin des Blumenladens in der großen Empfangshalle. Ein Kaleidoskop | |
von Stimmen. | |
Das servieren Sie Kleinod-typisch in einer begehbaren Inszenierung? | |
Die Besucher:innen gehen auf eine Wanderung durch die Zeit und die | |
teilweise unglaublich schön gestalteten Räume. Man kann den Columbusbahnhof | |
noch mal anders entdecken, als ihn die meisten kannten. Etwa den | |
Arbeitertunnel, den kaum einer kennt, durch den mussten die Leute gehen, | |
verborgen vor den Fahrgästen, die sie anschließend bedienten. Dieser Blick | |
hinter die einstigen Kulissen ist das Konzept des ersten Teils unserer | |
Bespielung. | |
Teil 2 zeigt dann, dass der Columbusbahnhof als Umschlagplatz für Reisende | |
vom Zug auf das Schiff gebaut wurde? | |
Ja, im nächsten Jahr verfolgen wir die Geschichten von Auswanderern bis | |
nach Osteuropa, von wo sie in den Nordseehafen und dann nach Übersee | |
fuhren. Kurz vorm Abriss zeigen wird dann noch ein Stück übers Leben an | |
Bord der „United States“, die 167 Mal von Bremerhaven nach New York | |
pendelte. Ich habe in den USA viele Interviews mit Menschen geführt, die | |
auf dem Schiff gearbeitet haben oder gefahren sind. Das daraus entwickelte | |
Stück werden wir auch in New York und Philadelphia zeigen. | |
Haben sie einen persönlichen Bezug zum Ort? | |
Jeder Bremerhavener hat das. Als Zehnjähriger stand ich staunend auf der | |
Besuchergalerie und war dabei, wie die „Europa“ hier angelegt hat mit viel | |
Tamtam, Luftschlangen und Getröte und einer Band, die spielte „Muss i denn | |
zum Städtele hinaus“. Auch habe ich im Columbusbahnhof meinen Abtanzball | |
gefeiert. Das war mal ein richtiger Party-Ort. | |
Abgerissen wird, weil das Gebäude nicht mehr den Anforderungen des modernen | |
Kreuzfahrttourismus genügt. Ist eine kritische Auseinandersetzung mit der | |
Branche Teil Ihrer Inszenierung? | |
Das ist nicht unser Thema. Ich glaube auch gar nicht, dass wir platt | |
politisch argumentieren müssten. Unser Stück über die „United States“ ka… | |
auch als Plädoyer für die Beförderung von Fahrgästen mit dem Schiff | |
verstanden werden. Aber Kreuzfahrt heißt: fahren um des Fahrens willen. | |
Viel schöner wäre es doch mit einem Ziel. | |
Der Columbusbahnhof war nicht nur Sehnsuchtsort, er war auch Symbol für | |
Bremens Großmannspolitik. Wahnwitzig dimensioniert, obwohl kaum noch | |
Auswanderer kamen und die Transatlantik-Linien vor dem Aus standen … | |
… ja, der Columbusbahnhof kam viel zu spät. Bis Ende der 1950er-Jahre war | |
Bremerhaven der Dreh- und Angelpunkt des internationalen Reisens. Das | |
endete, als der Flug- den Schiffsverkehr ablöste. Schade eigentlich. | |
20 Oct 2021 | |
## AUTOREN | |
Jens Fischer | |
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