# taz.de -- Kritik um Kolumbiens Präsident: Unter medialem Beschuss | |
> Gustavo Petro, der erste linke Präsident Kolumbiens, wird medial heftig | |
> kritisiert. Das ist eine Strategie der Rechten, die um ihre Macht | |
> fürchten. | |
Bild: Medienrummel: Kolumbiens Präsident Gustavo Petro in Brasilien, März 2023 | |
BOGOTA taz | Kolumbiens Präsident Gustavo Petro steht unter Druck. Gerade | |
hat sein Sohn [1][Nicolás über Petros illegale Wahlkampffinanzierung | |
ausgesagt, um selbst eine Strafmilderung zu bekommen]. Das befeuert die | |
ohnehin schon seit Monaten laufende Dauerfehde mit den traditionellen | |
Medien. | |
Kein Tag vergeht, an dem die Regierung nicht Halbwahrheiten und | |
Desinformationen ausräumen muss. „Wir haben die mediale Berichterstattung, | |
die Tweets und Kommentare in den sozialen Medien in den letzten Monaten | |
ausgewertet und glauben, dass es eine Kampagne gegen die Regierung gibt“, | |
meint der Abgeordnete Alirio Uribe Muñoz vom Pacto Histórico, der | |
Regierungspartei. | |
„60 Millionen negative Berichte, Meldungen, Tweets und Kommentare haben wir | |
in einem Monat registriert – 2 Millionen pro Tag“, berichtet der ehemalige | |
Menschenrechtsanwalt. Er könne sich nicht vorstellen, dass das noch Zufall | |
ist. | |
Die Desinformation zeigt ihre Wirkung: Das Vertrauen in die Regierung geht | |
laut Umfragen zurück. Selbst die Anhänger der Regierung, die sich | |
mehrheitlich in der einfachen Bevölkerung finden, rücken zumindest partiell | |
frustriert ab. Das ist typisch in Kolumbien, wo die Bindung zu Parteien und | |
Politiker:innen eher locker geknüpft sind, so Carlos Ojeda von der | |
Menschenrechtsorganisation Fasol. | |
## Große Medien spielen relevante Rolle | |
Dabei spielen die großen Medien, die Fernsehsender Caracol und RCN, die | |
Tageszeitungen El Tiempo oder die Wochenzeitung Semana eine wichtige Rolle, | |
so Jonathan Bock, Direktor der Stiftung für die [2][Pressefreiheit] (Flip). | |
„Die Medienkonzentration in den Händen von Firmenholdings, hinter denen | |
einflussreiche Familien stehen, ist ein Problem in Kolumbien. Das führt | |
unserer Analyse zur Folge dazu, dass Erfolge der Regierung, aber auch die | |
Auseinandersetzung mit sinnvollen Reformen wie der Justiz und des | |
Strafvollzugssystems zu kurz kommen.“ | |
Reportagen über die Situation in den Haftanstalten, wo laut der | |
vorliegenden Gesetzesvorlage für die Justizreform mehr auf Resozialisierung | |
und weniger auf hohe Strafen gesetzt werden soll, fänden sich kaum in den | |
großen Medien, so Bock. | |
Allerdings gäbe es in Kolumbien kaum empirische Auswertung der | |
Berichterstattung und keine Kontrollsysteme, die einer objektiven | |
Berichterstattung verpflichtet sind, moniert der 43-jährige Journalist. | |
Zudem sei die Medienpräsenz in vielen Konfliktregionen des Landes kaum | |
gewährleistet. Ein Beispiel ist das Departamento Putumayo: „Da haben | |
vierzig Journalist:innen die Berichterstattung über den bewaffneten | |
Konflikt eingestellt. Sie wollen in dem Konflikt nicht weiter | |
instrumentalisiert und bedroht werden.“ 67 Morddrohungen gegen Journalisten | |
seien landesweit bis Anfang Juli eingegangen, im Jahr 2022 waren es 217. | |
## Fehler in der Kommunikationsstrategie? | |
Dieser Realität will die Regierung von Gustavo Petro mehr Förderung | |
kommunaler Radios und auch alternativer digitaler Medien entgegensetzen. | |
Das ist positiv aus Perspektive der Flip, die für mehr Medienvielfalt | |
eintritt und auf die steigende Dichte neuer digitaler Medien in der Region | |
hinweist. | |
Engagierte, investigative Medien wie Vorágine, Cuestión Pública oder La | |
Silla Vacía sind dafür Beispiele. Direkte Finanzierung vonseiten des Staats | |
lehnt Laila Abu Shihab von Vorágine kategorisch ab. „Unsere Unabhängigkeit | |
ist ein heiliges Gut“, erklärt die Mitgründerin des kritischen | |
Online-Mediums. Maßnahmen zur Stärkung der Medienvielfalt fände Abu Shihab | |
jedoch positiv. | |
Der Abgeordnete Alirio Uribe Muñoz sieht zudem „etliche Fehler“ in der | |
Kommunikationsstrategie der Regierung: „Wir müssen unsere Erfolge wie die | |
Steuerreform oder den Waffenstillstand mit der Guerilla der ELN besser | |
vermitteln, Reforminitiativen in Arbeitsrecht, Gesundheits- und | |
Rentensystem klarer kommunizieren.“ Zu spät sei die Ernennung des neuen | |
Direktoriumsduos bei dem staatlichen Sender RTVC erfolgt, eine | |
Angelegenheit, die eigentlich zeitnah zum Regierungswechsel erledigt wird. | |
Doch erst ganze neun Monate nach Amtsantritt von Gustavo Petro wurde die | |
neue Senderführung bekannt: Norida Rodríguez, Anwältin und Schauspielerin, | |
und Hollman Morris, TV-Journalist, mit zahlreichen Dokumentationen über | |
soziale Brennpunkte des Landes. | |
20 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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