# taz.de -- Debatte um Teilverbot der AfD: Eine Einstiegsdroge | |
> In Leitartikeln großer Medien wurde ein Verbot des radikalen | |
> Thüringer AfD-Landesverbands gefordert. Doch das wäre kein geschickter | |
> Mittelweg. | |
Bild: Steht der Bundesverband nicht längst unter der Kontrolle von Höcke und … | |
Kaum jemand fordert derzeit offensiv [1][ein Verbot der AfD-]Bundespartei. | |
Schließlich ist ein Parteiverbot in der Demokratie immer ein | |
Selbstwiderspruch. Staaten wie Russland, die Türkei und Myanmar werden als | |
Unrechtsstaaten gebrandmarkt, weil Oppositionsparteien verboten werden. Und | |
bei uns soll das unproblematisch sein? | |
Natürlich bliebe auch in Deutschland der Eindruck einer gelenkten | |
Rumpf-Demokratie der Wohlmeinenden, falls die AfD als große | |
Oppositionspartei verboten werden würde. Natürlich wäre der Antrag auf ein | |
AfD-Verbot der Offenbarungseid des Mainstreams, dass man bereit ist, weite | |
Teile der Bevölkerung aufzugeben. | |
Demokratischer Stolz und demokratische Klugheit sprechen eindeutig dagegen. | |
Dementsprechend haben bisher weder Bundesregierung noch Bundestag oder | |
Bundesrat entsprechende Anträge auch nur in Aussicht gestellt. Die | |
Verbotsdebatte ist bisher vor allem eine medial geführte. | |
Besonders beliebt ist derzeit die Vorstellung, man müsse ja nicht gleich | |
die ganze AfD verbieten, sondern könne sich auf die radikalsten | |
Landesverbände beschränken, insbesondere den Landesverband Björn Höckes in | |
Thüringen. Vermutlich ohne Absprache haben zuletzt mehrere | |
Leitartikler:innen großer Medien so argumentiert. Man ahnt das | |
schlechte Gewissen; wenn schon Parteiverbot, dann nur ganz klein, in | |
Thüringen, mit seinen 2,1 Millionen Einwohner:innen. | |
## Ruf nach Verbot weiterer Landesverbände wäre Folge | |
Wenn man die Idee neutral betrachtet, dann ist die AfD Thüringen sicher ein | |
geeignetes Ziel. Immerhin wird die Thüringer AfD vom dortigen Landesamt für | |
Verfassungsschutz schon seit März 2021 als gesichert rechtsextremistisch | |
eingestuft. Die Höcke-AfD gehe von einem rassistisch [2][homogenen Begriff | |
des deutschen Volkes] aus. Sie stelle auch die Unabhängigkeit der Justiz | |
infrage und sehe in dieser tendenziell Handlanger der Regierung. | |
Auch juristisch wäre es möglich, nur das Verbot eines Landesverbands zu | |
beantragen. Im Bundesverfassungsgerichts-Gesetz heißt es ausdrücklich (in | |
Paragraf 46): Das Verbot „kann auf einen rechtlich oder organisatorisch | |
selbständigen Teil einer Partei beschränkt werden“, also zum Beispiel auf | |
einen Landes- oder den Jugendverband. | |
Und was Karlsruhe beschließen kann, müssen Bundesregierung und Co. auch | |
beantragen können. Es bliebe aber ein Verfahren auf Bundesebene, also in | |
Karlsruhe. Laut Grundgesetz kann nur das Bundesverfassungsgericht eine | |
Partei verbieten. Dementsprechend gibt es auch keine Parteiverbotsverfahren | |
auf Landesebene. | |
Für ein Teilverbot spricht die Verhältnismäßigkeit. Wenn der Staat schon in | |
den freien politischen Diskurs eingreift, dann sollte er sich auf das | |
unbedingt Notwendige beschränken. Und wenn ein Verbot der AfD im kleinen | |
Thüringen genügt, dann muss nicht die ganze Bundespartei verboten werden. | |
## Die Diskussion ist akademisch | |
Umgekehrt ist das aber auch ein Problem. Wie soll die AfD im kleinen | |
Thüringen die freiheitliche demokratische Grundordnung (also Demokratie, | |
Rechtsstaat und Menschenwürde) in ganz Deutschland gefährden? Ein | |
Parteiverbot setzt ja eine gewisse „Potenzialität“ voraus, das hat | |
Karlsruhe im Fall der NPD 2017 eindeutig entschieden und ein Verbot deshalb | |
abgelehnt. | |
Aber diese Diskussion ist eher akademisch. Denn natürlich wird es nicht | |
beim Verbotsantrag gegen die AfD Thüringen bleiben. Eine Aufteilung der AfD | |
in extremistische und vermeintlich gemäßigte Landesverbände ist längst | |
nicht mehr möglich. Sobald ein Verbotsantrag gegen die AfD Thüringen | |
gestellt ist, wird schnell der Ruf laut werden, auch andere | |
AfD-Landesverbände zu verbieten. | |
Und der Bundesverband? Steht er nicht längst unter der Kontrolle von Höcke | |
und seinen Gefolgsleuten? Eigentlich war das doch die Erkenntnis aus dem | |
Magdeburger AfD-Parteitag Ende Juli. Es wäre also völlig unglaubwürdig, | |
wollte man nur die AfD in Thüringen verbieten, nicht aber die Bundespartei. | |
Auch die AfD im Bund ist längst eine Höcke-AfD. | |
Es ist somit kein geschickter Mittelweg, [3][ein AfD-Verbotsverfahren] auf | |
die kleine AfD Thüringen zu konzentrieren, um sich möglichst wenig die | |
Finger schmutzig zu machen. Vielmehr ist der Ruf nach dem Verbot der | |
Thüringer AfD eine Art Einstiegsdroge. Auch wer sich auf ein kleines, | |
vermeintlich gerade noch vertretbares Parteiverbot beschränken will, wird | |
beim großen AfD-Parteiverbot enden. | |
Wer aber ein Verbot der AfD für demokratiefeindlich hält, weil man dabei | |
ein Fünftel der Bevölkerung (in Ostdeutschland sogar ein Drittel) | |
schlichtweg aus dem demokratischen Diskurs ausgrenzt, der sollte auch die | |
Finger von regionalen Verbotsforderungen lassen. Sie helfen nur bei der | |
Gewöhnung an eine autoritäre Politik, die wir doch gerade vermeiden wollen. | |
18 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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