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# taz.de -- Antisemitismus in Berlin: Brandanschlag auf Gedenk-Bücherbox
> Ein Unbekannter fackelt die Gedenk-Bücherbox unweit des
> Holocaust-Mahnmals im Grunewald ab. Die Polizei findet das
> Bekennerschreiben nicht.
Bild: „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“…
Berlin taz | „Das Vergessenwollen verlängert das Exil, und das Geheimnis
der Erlösung heißt Erinnerung“, stand vor wenigen Tagen noch in weißen
Buchstaben auf einer Scheibe der Eingangstür zur „[1][BücherboXX am Gleis
17]“ am S-Bahnhof Grunewald. Worte aus der jüdischen, kabbalistischen
Mythologie, die treffender hätten kaum sein können für Ort und Inhalt der
zum kostenlosen Bücherverleih umfunktionierten Telefonzelle.
Die Hunderten Bücher darin waren thematisch passend zum nahe gelegenen
[2][Mahnmal „Gleis 17“], das an die Deportation Zehntausender jüdischer
Menschen in Konzentrations- und Arbeitslager durch Nationalsozialisten
erinnert. Dazu eine Audiobox mit acht regelmäßig wechselnden Tonspuren:
hebräische Lieder, ein Brief von Anne Frank, Ausschnitte aus der
Eröffnungsrede der Nürnberger Prozesse.
Seit diesem Wochenende ist die Bücherbox verwüstet. In Tausende
mosaikartige Splitter zerteilt liegen die geflügelten Worte der
Eingangsscheibe auf dem Boden. Auf und unter ihnen: Asche sowie halb- und
komplett verbrannte Bücher. Ruß säumt die umliegenden, vor Kurzem noch
blau-weiß schimmernden Bänke.
Am frühen Samstagmorgen gegen fünf Uhr soll ein Mann eine Kiste in die
Bücherbox gestellt und sie angezündet haben. Zwei Augenzeugen meldeten ihre
Beobachtungen in einer Bäckerei. Der polizeiliche Staatsschutz übernahm die
Ermittlungen. Die Feuerwehr konnte nur noch den Brand löschen, nicht jedoch
die wertvollen Erinnerungsstücke in der Box retten.
## Antisemitisches Bekennerschreiben am Tatort
„Das ist schon sehr dramatisch“, sagt [3][Konrad Kutt, der Betreiber der
„BücherboXXen“], der taz. Vor elf Jahren habe er diese aufgestellt. Seither
diente sie als politischer Bildungsort für Lesungen und hebräische
Konzerte. Seit dem Brandanschlag auf die Box gehe es ihm so schlecht, dass
ihm „manchmal die Tränen kommen“, sagt er. „Die Schwärze der verbrannten
Bücher vor Augen“ sei traumatisch, sagt er.
Dabei sei Vandalismus gar nicht unüblich. „Es wird auch mal eine Scheibe
zertrümmert, aber eher aus Frust von jungen Leuten.“ Im jetzigen Fall sei
das aber etwas ganz anderes, so Kutt. Der klare Zerstörungswillen und auch
die politische Motivation der Tat seien neu. Aus dem Bekennerschreiben gehe
eine klar rechtsextreme, antisemitische und rassistische Gesinnung des
Täters hervor, sagt Kutt.
Die Polizei ist sich hinsichtlich des Tatmotivs eigenen Angaben zufolge
noch nicht sicher. Ein Ermittlungsversäumnis? Auf taz-Nachfrage bestätigte
die Pressestelle am Sonntag, dass der Staatsschutz ein antisemitisches
Motiv prüfe. Indiz sei dabei unter anderem die inhaltliche Nähe der
Bücherbox zum Mahnmal „Gleis 17“. Das Bekennerschreiben, das der taz
vorliegt, und das Kutt zufolge nur wenige Meter neben dem Tatort auf einer
Bank geklebt habe, liegt der Polizei laut eigenen Angaben aber nicht vor.
## Spendensammlung für Neuanfang
Erst im Juni hatten Unbekannte die Steinmauer und die Gedenktafel am „Gleis
17“ beschädigt. Laut den [4][Berliner Registern] stiegen die [5][gemeldeten
antisemitischen Vorfälle in Charlottenburg-Wilmersdorf 2022] entgegen dem
berlinweiten Trend leicht auf 48. Damit wies der Bezirk die drittmeisten
antisemitischen Vorfälle auf.
Unabhängig vom Tatmotiv möchte Kutt sich nicht entmutigen lassen. Am
Samstag trafen sich Anwohner*innen und Initiatoren, am Sonntag startete
Kutt einen Spendenaufruf für eine neue Bücherbox. Spenden können entrichtet
werden an das Konto der Europäischen Akademie Berlin; IBAN: DE90 1009 0000
2112 1610 00; Stichwort: BücherboXX
13 Aug 2023
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/aktuell/ausgaben/2013/dezember/ereignisse/artikel.224…
[2] /Gastbeitrag-zu-VVN-BdA/!5643942
[3] https://www.buecherboxx.com/standorte/#Gleis17
[4] https://berliner-register.de/
[5] https://berliner-register.de/documents/1096/Kurzversion.pdf
## AUTOREN
Tobias Bachmann
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