# taz.de -- Rechtsextreme Brandstiftungen: Kassandros mit dem Lampenöl | |
> Im Sommer kam es zu Anschlägen auf NS-Gedenkstätten und einen lesbischen | |
> Verein. Vor Gericht offenbart der Täter sein wahnhaftes Weltbild. | |
Bild: Ausgebrannte Bücherboxx | |
BERLIN taz | Es war „klar, dass ich aus dem Verkehr gezogen werde“, sagt | |
der Angeklagte Olaf J., ein 64-jähriger gelernte Rohrleger, vor Gericht. | |
Auch dass er für seine Taten nicht im Gefängnis, sondern im Maßregelvollzug | |
für psychisch Kranke landen würde, habe ihn nicht überrascht. Wer „so laut… | |
den Verbrechen des Staates widerspreche, müsse „als Bekloppter weggesperrt | |
werden“. | |
J. ist seit dem Donnerstag vor dem Landgericht Berlin angeklagt für eine | |
[1][Serie rechtsextrem motivierter Brandanschläge] im vergangenen Sommer. | |
Innerhalb weniger Tage gab es im August zunächst einen – folgenlosen – | |
Anschlag auf das Mahnmal für die im Nationalsozialismus verfolgten | |
Homosexuellen im Tiergarten. Dann brannte eine mit Büchern bestückte | |
Telefonzelle, [2][die Bücherboxx am Mahnmal Gleis 17 im Grunewald], die an | |
die Deportation von Jüd:innen erinnert. Schließlich brannten Flyer in den | |
Räumlichkeiten des lesbischen Vereins RuT – Rad und Tat in einem Neuköllner | |
Wohnhaus. | |
Die Taten bestreitet J. in seiner Einlassung nicht. Im Gegenteil: | |
Detailreich und ohne Scham oder Reue schilderte er seine „Einsätze im | |
Zielgebiet“, wie er die Feuer durch Flaschen mit Lampenöl und einem | |
angezündeten Lappen legte. Seine Taten wolle er verstanden wissen als | |
„eindringliche Warnung“. Überzeugt gab er sich, dass der 3. Weltkrieg | |
spätestens am 23. August 2026 beginnen werde und dieser die „Ehre des | |
deutschen Volkes“ wiederherstellen werde. | |
Zutage trat das Weltbild eines Fanatikers, eines Antisemiten, der Auschwitz | |
für eine Lüge hält, eines Homosexuellen-Hassers, der seine Überzeugung aus | |
Bibelstudien schöpft. Dass J. auch aus rassistischen und islamophoben | |
Motiven handelte, zeigen weitere Anklagepunkte: das Hinterlassen von | |
Schmäh-Zetteln an muslimischen Einrichtungen. | |
Die mit „Kassandros Berolinensis“ unterschriebenen Pamphlete, je nach Ziel | |
mit unterschiedlich ausformuliertem Hass, fanden sich an allen Tatorten – | |
und gaben den Straftaten einen Namen – die „Kassandros“-Serie. Dazu | |
gerechnet werden auch sieben Fälle von Sachbeschädigungen im vergangenen | |
Januar, Zerstörungen und Schmierereien an Wahlplakaten demokratischer | |
Parteien, an Plakaten gegen Homophobie oder am Bezirksamt Treptow-Köpenick. | |
## „Wahnhafte Störung“ | |
Kein Zweifel besteht, dass J., dem die Anklage eine „wahnhafte Störung“ | |
attestiert, verurteilt werden wird. Die Frage, die die angesetzten sechs | |
Verhandlungstage beantworten müssen, ist jene, ob er dauerhaft im | |
Krankenhaus des Maßregelvollzugs verbleiben muss, in dem er seit November | |
untergebracht ist. Laut Strafgesetzbuch ist dies bei zumindest verminderter | |
Schuldunfähigkeit und bei erheblichen Taten möglich. | |
An Letzterem zweifelt J.s Strafverteidiger Ehssan Kahzaeli. Davon könne bei | |
Sachbeschädigung und Volksverhetzung nicht die Rede sein. Dem heikelsten | |
Vorwurf, der Menschenleben gefährdenden Brandstiftung beim lesbischen | |
Verein RuT, widersprach J. umfänglich. Der Raum hätte aufgrund der | |
Beschaffenheit und der niedrigen Hitze kein Feuer fangen können. Hätte er | |
Feuer in dem Haus legen wollen, hätte er, der ehemalige Schweißer, anders | |
gehandelt. Ein Brandgutachten soll Anfang Februar Klarheit über die Gefahr | |
bringen. | |
25 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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