# taz.de -- Remake von „Takeshi's Castle“: Sturm auf die Burg | |
> Die Neuauflage der japanischen Fernsehshow „Takeshi’s Castle“ ist auf | |
> Amazon Prime gestartet. Die neuen Folgen wirken aus der Zeit gefallen. | |
Bild: Wer wird den Burgherren stürmen? Szene aus „Takeshi's Castle“ | |
Laut rufend rennen die Menschen auf einen See zu und springen von Stein zu | |
Stein, bis einer nachgibt und sie theatralisch ins Wasser fallen. Sie | |
versuchen eine glitschige Rutsche emporzuklettern, nur um gleich dahinter | |
wieder ins Wasser zu fallen. Und dann ist da auch noch das Labyrinth in | |
Form einer Bienenwabe, durch das man hindurchrennen muss, bevor man von | |
Männern in billiger Rüstung gefangen wird. | |
Das ist der Alltag der Fernsehserie „Takeshi’s Castle“, die Ende der 1980… | |
Jahre in Japan ausgestrahlt wurde. Circa 100 Teilnehmer:innen mussten | |
darin durch verschiedene Herausforderungen eine Burg spielerisch einnehmen | |
und am Ende den namensgebenden Burgherren besiegen. In Deutschland wurde | |
die Serie zwar erst 1999 auf DSF und später RTL 2 ausgestrahlt, trotzdem | |
wurde sie zu einem Kultformat, das insbesondere die Kinder der 1990er und | |
2000er Jahre zum Lachen brachte. | |
Nun hat Amazon Prime die Serie mit acht Folgen neu aufgelegt und ein buntes | |
Teilnehmerfeld auf die Burg losgelassen. Das gleicht einem Déjà-vu. So | |
wurde nicht nur erneut in den Midoriyama-Studios bei Yokohama gedreht, | |
sondern auch die Hindernisse gleichen denen der Serie aus den 1980er | |
Jahren. | |
Das neu aufgelegte „Takeshi’s Castle“ ist also in keinerlei Hinsicht etwas | |
Besonderes. Im Gegenteil, es ist so banal, dass es jeglichen Anspruch | |
vermissen lässt, geschweige denn eine Handlung. Und trotzdem übt diese | |
Serie gerade wegen ihrer Trivialität einen gewissen Charme aus. Wenn die | |
deutsche Kommentatorenstimme „Nur die Harten kommen in Takeshis Burggarten“ | |
brüllt, muss man zumindest schmunzeln. | |
Dazu lassen drei schlecht gekleidete Vasallen im Schloss Sätze fallen wie | |
„34 Jahre konnten wir unsere Eier schaukeln, aber jetzt hat Amazon Prime | |
einen Haufen Verrückter losgeschickt.“ Und spätestens, wenn diese drei | |
Darsteller vor einem noch schlechteren Greenscreen herumhampeln, erkennt | |
man, dass die Serie stark auf den Trash-Faktor setzt. | |
## Filmische Meisterwerke | |
Kompetitive Formate sind gerade wegen ihrer Simplizität erfolgreich. | |
[1][„Squid Game“, eine der populärsten Netflix-Serien], setzt auf ein | |
ähnliches Konzept. Jedoch nichts als Spielshow, sondern als Dramaserie mit | |
starken Darsteller:innen und expliziter Gewalt. Spielerischer hat das | |
die Show „Ultimate Beastmaster“ gemacht, in der sich | |
Extremsportler:innen durch eine Menge an Hindernissen kämpfen müssen. | |
Auch „Ninja Warrior“ – ebenfalls eine japanische Show – setzt darauf, | |
Sportler:innen durch Parcours zu jagen. „Takeshi’s Castle“ entschärft | |
den sportlichen Aspekt, damit sich auch Normalsterbliche vor dem Bildschirm | |
mit dem Teilnehmerfeld identifizieren können. | |
Zuweilen kommt es beim Takeshis-Remake zu befremdlichen Szenen. Im | |
Tauziehen etwa, wo die Gegner:in zufällig bestimmt wird. Mal ist das ein | |
Sumoringer, dann wieder ein Bodybuilder oder ein Comedian. Oder eben ein | |
Modell, das spärlich bekleidet ist und viel zu lange von der Kamera | |
voyeuriert wird. Nachdem sie im Wasser gelandet ist, wird sie auf einem | |
Bildschirm unnötig lange als Standbild eingeblendet. | |
Federführend im Hintergrund der Serie ist der japanische Filmemacher | |
Takeshi Kitano. In den meisten Folgen ist er der Fürst der Burg. In seinem | |
Heimatland ist Kitano vorrangig als Comedian und Frohnatur bekannt. | |
International wird er für seine künstlerisch hochwertigen Filme geachtet, | |
darunter die Dramen „Hana-bi – Feuerblume“, „Sonatine“, „Brother“… | |
blutige Genremix „Zatoichi – Der blinde Samurai.“ Auch [2][Quentin | |
Tarantino] ist bekennender Fan von Kitanos Filmografie und hat mehrfach | |
betont, dass sich darin Meisterwerke befinden. Umso befremdlicher ist es, | |
dass man in dieser Ansammlung großer japanischer Filme auch eine Serie wie | |
„Takeshi’s Castle“ findet. | |
Und während die erste Folge der Neuauflage noch charmant ist und | |
nostalgische Erinnerung weckt, ist spätestens nach der zweiten Folge | |
Schluss. Die Serie ist so repetitiv und belanglos, dass einem acht Folgen | |
wie eine Ewigkeit erscheinen. Sollte man mit dem Original aufgewachsen | |
sein, ist „Takeshi’s Castle“ durchaus einen kurzen Ausflug wert. Vielleic… | |
aber sollte man sich lieber die Spielfilme von Takeshi Kitano ansehen. | |
7 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Martin Seng | |
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