# taz.de -- Erfolg der AfD: Die Illusion von Souveränität | |
> Rechte Gesinnungen sind nicht nur in Ostdeutschland beliebt. Eine | |
> Betrachtung von außen, die sich einer anderen Dimension als der Realität | |
> zuwendet. | |
Bild: Fühlen sich mit ihrer Erzählung im Aufwind, Björn Höcke und Tino Chru… | |
Wenn man den Erfolg der AfD von außen betrachtet – etwa von Österreich aus, | |
wo man in Fragen der Rechten eine traurige Expertise hat, dann stellt sich | |
dieser etwas anders dar. Anders als in der deutschen Debatte, deren | |
Erklärungen auf die spezifisch ostdeutsche Situation fokussiert erscheint. | |
Das Fortschreiten der Rechten findet auch andernorts statt, wo es diese | |
Situation nicht gibt. Die Betrachtung von außen kann vielleicht eine andere | |
Perspektive auf diesen Erfolg eröffnen. | |
In Österreich hat man die Erfahrung gemacht, dass selbst ein [1][Desaster | |
wie das bekannte Ibiza-Video die FPÖ] nicht anhaltend desavouiert hat. | |
Keine Aufklärung, keine Enthüllung, kein Skandal hat sie nachhaltig | |
geschwächt. Kein Dementi der Realität vermochte ihre Position zu | |
erschüttern. Vielleicht sollte man sich deshalb einer anderen Dimension als | |
der Realität zuwenden. | |
Es gibt da ein Motiv, das gerade mit den gesellschaftlichen | |
Auseinandersetzungen um die Pandemie an Fahrt aufgenommen hat: die | |
Sehnsucht nach der eigenen Handlungsmacht. Solche Vorstellungen finden sich | |
zuhauf in den sozialen Medien. Sie haben weite Verbreitung in der Formel | |
gefunden: „Wenn wir an der Macht sind, dann …“ – gefolgt von Fantasien … | |
Säuberung, der Rache, des Rechthabens. Getrieben von einer Obsession der | |
Bestrafung. | |
Das ist nicht: „unterm Hitler hätte es das nicht gegeben“ – kein Führer | |
wird in Anschlag gebracht. Hier wird vielmehr ein diffuses „Wir“ behauptet. | |
Dieses steht vor allem für den, der das jeweils schreibt. Es ist sozusagen | |
eine persönliche Säuberungs- und Diktaturfantasie, eine persönliche | |
autoritäre Ermächtigung. Die Vorstellung, die eigene Position, das eigene | |
Denken, das eigene Urteilen zum Souverän zu machen. Auch über die Fakten. | |
## Gesinnungsdiktatur statt Meinungsfreiheit | |
Da geht es nicht um eine andere Meinung. Ob zur Pandemie oder zum | |
Ukrainekrieg. Die Themen sind beliebig. Austauschbar. Denn es geht nicht um | |
Meinungen. Es geht vielmehr darum, die eigene Position eben nicht mehr als | |
Meinung zu verstehen. Sie nicht mehr ins Register der Meinungsfreiheit | |
einzuordnen. Denn diese wird nicht als Form, sondern als Inhalt verstanden: | |
nicht als eine Möglichkeit, als eine Freiheit, sich zu äußern – sondern als | |
ein Macht-, ein Zwangsverhältnis, als eine Gesinnungsdiktatur. | |
Dieser soll eine andere Gesinnung „ebenso“ autoritär entgegengestellt | |
werden. Da geht es nicht um Hegemonie im Sinne einer Meinungsvorherrschaft | |
– weil es keinen gemeinsamen Boden gibt, keine geteilte Realität, auf der | |
man darum ringen könnte. Da geht es nicht um eine Gegenmeinung, sondern um | |
eine Machtübernahme, die alles verkehren soll. | |
Aber diese Vorstellung einer neuen, grenzenlosen Souveränität, die | |
politische Säuberungen durchführt, ist eine Fantasie. | |
Und da kommen die Rechten ins Spiel. Sie bedienen allerorts einen | |
erneuerten Glauben an die eigene Handlungsmacht. Das ist ihr Versprechen. | |
Dass dieses real nicht einzuhalten ist, schmälert die Verlockung nicht. | |
Denn es bietet das Überschreiten der Gegenwart nicht als glorreiche | |
Zukunftsperspektive. Es spielt sich vielmehr alles im Hier und Jetzt ab. | |
## Die Fantasie bedienen | |
Man denke an Trumps „Make America Great Again“. Das Versprechen „erfüllt… | |
sich bereits, wenn man es ausspricht. Es löst sich bereits im Bierzelt ein. | |
Oder bei Wahlveranstaltungen. Es ist eine Beschwörung, eine unmittelbare | |
Bekräftigung der eigenen Stärke. Gefühlt war America schon in der | |
Veranstaltung great again. Genau damit wird die Fantasie bedient. | |
Die Rechten bieten sich nicht nur für den Ärger, den Zorn gegen das | |
Bestehende an – sondern gleichzeitig auch für die Illusion einer | |
Handlungsmacht, die mit allem aufräumt. | |
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Eine erfolgreiche AfD kann | |
auch ohne brachiale Säuberungsaktionen viel Schaden anrichten. Keine Frage. | |
Zentral aber ist: Erfolgreich sind die Rechten nicht nur qua Ressentiment | |
und Wut. Nicht nur weil sie einer realen Unzufriedenheit einen scheinbaren | |
Ausdruck verleihen. Erfolgreich sind sie auch, weil sie an die Fantasie | |
andocken. Und dagegen hilft kein Dementi der Realität. | |
25 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Isolde Charim | |
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