| # taz.de -- Bürgerkrieg in Myanmar: Terror gegen das eigene Land | |
| > Ob der Ausnahmezustand in Myanmar weiterbesteht, scheint egal. Das | |
| > herrschende Militär und der Widerstand wollen die Niederlage der anderen | |
| > Seite. | |
| Bild: Dorfbewohner und Widerstandskämpfer beerdigen Opfer eines Luftangriffs a… | |
| BANGKOK taz | Wie der Ausnahmezustand in Myanmar aussieht, kann man | |
| zumindest den beinahe täglich erscheinenden Berichten aus dem Land | |
| entnehmen. Erst Mitte Juli massakrierten die Truppen der Militärjunta bei | |
| einem Angriff in der Kleinstadt Yinmabin in der Region Sagaing 14 | |
| Zivilisten auf grausame Weise. „Ihnen wurden die Augen ausgestochen“, sagte | |
| ein 30-jähriger Mann aus Yinmabin [1][dem Nachrichtenportal Myanmar Now]. | |
| Unabhängig überprüfbar ist das nicht. Aber es passt zu den vielen Meldungen | |
| über willkürliche Festnahmen, Morde, Folter und Massaker der Armee in | |
| vielen Regionen Myanmars als Teil ihrer Strategie der „Vier Schnitte“. Mit | |
| dem Terror gegen die Zivilbevölkerung soll dem Widerstand der Zugang zu | |
| Nahrungsmitteln, Geldern, Informationen und Rekruten verwehrt werden. In | |
| ganz Myanmar hat die Junta bereits bei Strafaktionen [2][nach UN-Angaben] | |
| mit Stand 30. Juni 2023 mehr als 60.000 Häuser niederbrennen lassen. | |
| Zwischen Februar 2021 und April 2023 seien mindestens 3.452 Menschen durch | |
| das Militär und seine Verbündeten gestorben und 21.807 Personen | |
| festgenommen worden. | |
| Gebrochen wurde [3][der Widerstand gegen den Putsch vom 1. Februar 2021] | |
| nicht. Die anfangs friedlichen Massenproteste haben sich vielmehr zu einem | |
| Bürgerkrieg entwickelt. In ihm kämpfen zum einen die militärisch erfahrenen | |
| Milizen der ethnischen Minderheiten wie etwa der Karen, der Chin und der | |
| Kachin gegen die Junta. | |
| Zum anderen sind da die „Volksverteidigungskräfte“ (PDF) der demokratischen | |
| Parallelregierung „National Unity Government“ (NUG), die sich aus der | |
| Mehrheitsethnie der Bamar (Birmanen) rekrutieren. „In den vergangenen sechs | |
| Monaten ist die Koordinierung zwischen den ethnischen Milizen und den PDF | |
| immer stärker geworden“, sagt Soe Myint, Gründer und Chefredakteur des | |
| unabhängigen myanmarischen Nachrichtenportals Mizzima der taz. Erstmalig in | |
| der Geschichte des ehemaligen Birma würden ethnische Minderheiten und die | |
| Bamar – deren bisherige Unterdrücker – zusammenarbeiten. | |
| ## Aufbau eigener staatlichen Strukturen | |
| Der bewaffnete Widerstand ist zum Erstaunen vieler Experten recht | |
| erfolgreich. „Viele Teile des Landes sind unter der Kontrolle des | |
| Widerstands. Man kann von befreiten Gebieten sprechen“, sagt Soe Myint. In | |
| Chin, Kachin, Kayah sowie Teilen von Sagaing habe der Widerstand bereits | |
| eigene staatliche Strukturen geschaffen. Das Finanzministerium und die | |
| Zentralbank der NUG kündigten die Eröffnung von Filialen ihrer neu | |
| gegründeten Spring Development Bank (SDB) zur Finanzierung des Widerstands | |
| und der Blockade von Finanzströmen an die Junta an. Bastionen des Militärs | |
| sind nur noch Metropolen wie Yangon und Mandalay. | |
| Wegen der Stärke des Widerstands kann die Junta ihre Bodentruppen nur noch | |
| eingeschränkt einsetzen. Sie setzt daher zunehmend auf Kampfjets und | |
| Helikopter. In den ersten fünf Monaten 2022 wurden bereits 442 | |
| [4][Luftangriffe] auf 56 Städte und Dörfer geflogen, bei denen Hunderte | |
| Zivilisten ums Leben kamen. Allein bei dem Bombardement einer Feier zur | |
| Eröffnung der NUG-Kommunalverwaltung zum buddhistischen Neujahrsfest in | |
| Pazigyi (Region Sagaing) starben im April mehr als 160 Menschen. | |
| Der in Bangkok lebende Militär- und Sicherheitsexperte Anthony Davis ist | |
| von dem anhaltenden Widerstand gleichermaßen überrascht und beeindruckt: | |
| „Anfangs waren die Kämpfer der PDF nur mit Musketen und Jagdgewehren | |
| ausgerüstet. Inzwischen haben sie modernere Waffen wie etwa schwere | |
| 12,7-Millimeter-Maschinengewehre, mit denen man auch Flugzeuge abschießen | |
| kann.“ Von entscheidender strategischer Bedeutung seien zudem Drohnen | |
| geworden. Die Waffen stammten aus „verschiedenen Quellen“. | |
| ## Aung San Suu Kyi in Hausarrest verlegt | |
| Die regierende Armee beziehe ihre militärische Ausrüstung aus Russland und | |
| China. Nach Ansicht von Davis ist die Junta in der Defensive. „Sie lebt in | |
| einer Blase und verlangt von ihren Truppen die völlige Niederschlagung des | |
| Widerstands, während Kommandeure vor Ort über zu wenig Soldaten, zu wenig | |
| Munition, zu wenig Material klagen.“ | |
| Eine friedliche Lösung des Konflikts ist auch zweieinhalb Jahre nach dem | |
| Putsch nicht in Sicht. Die Junta boykottiert den im April 2020 von dem | |
| südostasiatischen Staatenbund Asean – dem Myanmar angehört – beschlossenen | |
| Fünf-Punkte-Plan und kann sich dabei auf die autoritär regierten | |
| Asean-Länder Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam verlassen. Öffentlich | |
| lassen sich die Generäle auch wenig von den Sanktionen der USA und der EU | |
| beeindrucken. | |
| Vor diesem Hintergrund gab es vor wenigen Tagen die Nachricht, dass die | |
| gestürzte und von Militärgerichten inzwischen zu insgesamt 33 Jahren Haft | |
| [5][verurteilte frühere De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi] von | |
| ihrer Einzelhaft im Gefängnis in den Hausarrest überstellt wurde. Noch im | |
| Gefängnis erhielt die Lady, wie sie in Myanmar genannt wird, einen mit | |
| Asean nicht abgesprochenen Besuch des thailändischen Außenministers Don | |
| Pramudwinai und jetzt im Hausarrest Gerüchten zufolge auch eines hohen | |
| chinesischen Diplomaten. | |
| „Natürlich wird es externe Akteure geben, die das als Durchbruch begreifen. | |
| Aber das wäre einmal mehr eine Fehlinterpretation der innenpolitischen | |
| Situation“, sagt Davis und erklärt: „Der Versuch, die Büchse der Pandora … | |
| schließen, weil eine 78-jährige Frau einige Diplomaten trifft, nutzt nichts | |
| mehr.“ Oder wie Soe Myint es ausdrückt: „Die NUG lehnt den Dialog und einen | |
| ‚demokratischen Übergang‘ mit dem Militär ab. Das hatten wir schon mal und | |
| es ist gescheitert. Das Ziel ist die Niederlage der Junta.“ | |
| Mit dem Eingeständnis, nicht Herr der Lage zu sein, hatte Juntachef Min | |
| Aung Hlaing bereits am 1. Februar 2023 den Ausnahmezustand um sechs Monate | |
| bis zum 31. Juli verlängert. Bis zum Redaktionsschluss am 30. Juli blieb | |
| unklar, ob es eine weitere Verlängerung geben wird. | |
| 31 Jul 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://myanmar-now.org/en/news/military-slaughters-14-locals-including-tee… | |
| [2] https://www.ohchr.org/en/press-briefing-notes/2023/06/myanmar-dire-humanita… | |
| [3] /Reaktion-auf-den-Putsch-in-Myanmar/!5744978 | |
| [4] /Militaerdiktatur-im-Myanmar/!5924695 | |
| [5] /Deutschlands-Haltung-zu-Myanmar/!5921522 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Lenz | |
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