# taz.de -- Kolonialgeschichte in Rendsburg: Ausbildung zur Kolonialistin | |
> Die Koloniale Frauenschule Rendsburg bereitete Frauen auf ein Leben in | |
> Afrika vor. Eine Ausstellung des Museums Rendsburg erinnert daran. | |
Bild: Deutschtum in die Welt tragen: Schülerinnen der Frauenschule winken Schi… | |
Nähen, Schießen, Kisuaheli, Kochen und Tropenhygiene standen auf dem | |
Stundenplan: „Die Fülle unseres Stoffes ist nur zu bewältigen von Mädeln, | |
die über dem Durchschnitt stehen“, schrieb einer der Direktoren der | |
Kolonialen Frauenschule Rendsburg. | |
Zwischen 1926 und 1945 durchliefen rund 1.100 junge Frauen die Ausbildung. | |
Die Absolventinnen sollten in der Lage sein, in einem fernen Land als | |
Farmerin zu leben, und sie erhielten dazu eine Ausbildung, die weit über | |
der der meisten Zeitgenossinnen stand. Doch hinter dem scheinbar modernen | |
Konzept stand ein rassistisches und zunehmend nationalistisches Weltbild: | |
Die Frauen sollten „Deutschtum“ in die Welt tragen. Über die Schule und die | |
Lebenswege einiger Absolventinnen informiert noch bis zum 8. Oktober eine | |
Ausstellung des Historischen Museums im Kulturzentrum Rendsburg. | |
Ein Rhönrad und ein Gewehr gehören zu den Stücken, die Kuratorin Joana | |
Schröder zusammengetragen hat. Wie die „Maiden von Rendsburg“ auf ihr Leben | |
im Ausland vorbereitet wurden, zeigen zeitgenössische Filme: Junge Frauen | |
in Shorts, die reiten, schießen, Sport treiben und Kälbchen füttern, die | |
sie später eigenhändig schlachten werden, so verrät es der joviale Sprecher | |
unter heiterer Orchestermusik. Die Frauen sollten anpacken und alle | |
Aufgaben zur Not allein lösen können, sei es in [1][Deutsch | |
Südwest-Afrika], dem heutigen Namibia, sei es in Osteuropa, das nach der | |
Ideologie Nazi-Deutschlands Siedlungsraum für arische Familien bieten | |
sollte. | |
„Allein dieser Gedanke, dass die Frauen sich allein in der Leere behelfen | |
mussten, ist zutiefst rassistisch“, sagt die Historikerin und Lehrerin | |
Svenja Budziak. „Schließlich lebten andere Menschen dort.“ Doch die Herero | |
und Nama, die von der deutschen Kolonialmacht [2][unterdrückt, vertrieben | |
und ermordet wurden], galten weder in den Augen der Lehrkräfte noch der | |
Schülerinnen als gleichwertig. | |
Auch die Frauen, die tatsächlich „Aus Rendsburg in die Welt“ gingen, wie | |
der Titel der Sonderausstellung lautet, blieben meist bei der rassistischen | |
und kolonialherrischen Haltung, die ihnen in der Schule vermittelt wurde, | |
berichtet Budziak: „In Briefen gibt es viele Beschwerden über die Faulheit | |
der Hausangestellten.“ Der Begriff „Eingeborene“ ist dabei noch der | |
neutralste Ausdruck, der in den Dokumenten verwendet wird. | |
Für eine Doktorarbeit wertet Budziak die Lebenswege einer Reihe von | |
Schülerinnen aus. Die bekannteste ist die Fliegerin Hanna Reitsch, die | |
zahlreiche Rekorde aufstellte und eine fanatische Nazi-Anhängerin war. Doch | |
auch andere Frauen hinterließen Spuren: So hielten einige von ihnen bis in | |
die 2000er Jahre hinein Kontakt, Nachlässe und Briefe liegen unter anderem | |
in der Landesbibliothek in Kiel. | |
Ein selbst organisiertes Netzwerk von Frauen für Frauen – ein Stück | |
weiblicher Selbstermächtigung, gar Feminismus? So sammelten die ehemaligen | |
„Kolo“-Schülerinnen Geld für ein Bildungsprojekt in Namibia. Allerdings | |
kamen die Mittel keinesfalls Kindern der Herero oder Nama zugute, | |
stattdessen gingen sie an eine ehemalige Kolonialschule: „Die Frauen | |
nutzten ihre Handlungsmacht, um die deutsche Kultur zu unterstützen“, | |
berichtete Budziak bei einem Vortrag zur Ausstellung. | |
Die Ausbildung für die Kolonien hatte ihre Wurzeln in der | |
christlich-evangelischen Missionarstradition. In Deutschland trieb der | |
Pfarrer und Ökonom Ernst Fabarius, tätig beim Evangelischen Afrika-Verein | |
und der Deutschen Kolonialgesellschaft, die Gründung von Schulen für die | |
„Kolonisatoren“ voran. So entstand 1898 die Deutsche Kolonialschule für | |
Landwirtschaft, Handel und Gewerbe in Witzenhausen, an der junge Männer | |
vorbereitet wurden. | |
Fabarius hielt auch eine Ausbildung für Frauen für sinnvoll, doch zur | |
Gründung der Schule in Rendsburg kam es erst zu einem Zeitpunkt, als | |
Deutschland – nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg – keine Kolonien mehr | |
besaß. Nur im ehemaligen Deutsch-Südwest, Namibia, durften Deutsche weiter | |
siedeln. So waren einige der „Kolo“-Schülerinnen Töchter dortiger | |
Farmerfamilien. | |
Mit welchen Motiven die anderen an die Schule kamen, sei schwer zu sagen, | |
so Budziak. Abenteuerlust mag durchaus dabei gewesen sein. Ein guter Teil | |
der Frauen schaffte es später wirklich ins Ausland, viele in medizinische | |
oder lehrende Berufe. | |
Neben ihrem Forschungsprojekt bestückte Budziak mit Neuntklässler*innen | |
einen Teil der Ausstellung, der Fragen zu [3][Rassismus] und | |
[4][Kolonialismus] im heutigen Schleswig-Holstein stellt. Denn hier bleiben | |
Leerstellen, etwa in der Handelsstadt Flensburg. | |
Auch von der „Kolo“ ist in Rendsburg nicht mehr viel zu sehen. In den | |
früheren Nebengebäuden befindet sich heute die Bildungsstätte Nordakademie. | |
Das Hauptgebäude fiel in den 1970er-Jahren einer Erweiterung des Kanals zum | |
Opfer. Nur ein halb zugewachsener Stein erinnert an das Haus, dessen Bild | |
früher sogar auf Postkarten gedruckt wurde. | |
27 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Die-Wahrheit/!5876776 | |
[2] /Kolonialverbrechen-in-Namibia/!5851850 | |
[3] /Schwerpunkt-Rassismus/!t5357160 | |
[4] /Deutscher-Kolonialismus/!t5394549 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
## TAGS | |
Deutscher Kolonialismus | |
Ausstellung | |
Schleswig-Holstein | |
Frauen | |
Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
Schwerpunkt Völkermord an den Herero und Nama | |
Schwerpunkt Völkermord an den Herero und Nama | |
Kolonialismus | |
Denkmal | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Archäologin über koloniale KZs: „Die Hälfte der Internierten starb“ | |
Die Haifischinsel in Namibia barg von 1905 bis 1907 das berüchtigteste | |
Konzentrationslager Deutsch-Südwestafrikas. Katja Lembke hat es erforscht. | |
Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus: „Es braucht handfeste Reparationen�… | |
In Bremen wird immer am 11. August an die Opfer des deutschen Kolonialismus | |
in Namibia erinnert. Das allein ist zu wenig, finden Kritiker:innen. | |
Aktivist über Ökozide: „Der Kolonialismus ist nicht vorbei“ | |
Peter Emorinken-Donatus kämpft gegen die Aubeutung und Zerstörung Afrikas | |
durch europäische Konzerne. Am Donnerstag spricht er in Hamburg. | |
Kontextualisierung des Bismarck-Denkmals: Eiserner Kanzler unantastbar | |
Der Wettbewerb für einen zeitgemäßen Umgang mit Hamburgs | |
Riesen-Bismarck-Denkmal ist gescheitert. Der Senat hatte unerfüllbare | |
Bedingungen gestellt. |