| # taz.de -- Porträt von Luisa Neubauer: Das Prinzip Luisa | |
| > Seit fünf Jahren ist sie das Gesicht der Klimabewegung. Mittlerweile | |
| > scheinen die Klimaaktivisten ratlos. Wie will Luisa Neubauer das ändern? | |
| Bild: Die Publizistin und Aktivistin Luisa Neubauer „passt nicht in unsere Sc… | |
| Eine Stunde hat sie geredet, und nun erheben sie sich, eine nach dem | |
| anderen, bis fast alle der 1.700 Menschen in der Neuen Aula in Tübingen | |
| stehen, um Luisa Neubauer zu feiern. Selbstverständlich huldigen sie | |
| zuvörderst sich selbst und ihrer Erschütterung im Angesicht der Klimakrise. | |
| Aber es braucht die Fridays-for-Future-Mitgründerin und die Aura ihres | |
| Luisatums, um einen derart großen Moment zu schaffen. | |
| Bevor es in Tübingen weitergeht, blenden wir aber erst mal nach Berlin, wo | |
| Neubauer an einem anderen Tag im Juli ein Café in Mitte betritt, die | |
| Baseballmütze tief ins Gesicht gezogen, wie eigentlich immer, wenn sie | |
| privat in der Öffentlichkeit ist. Es ist von der Reportagebehörde | |
| allerstrengstens verboten, bei Szenen aus Cafés zu beschreiben, was Leute | |
| bestellen, aber es ist was mit Honig. Luisa Neubauer war zuletzt sehr viel | |
| unterwegs, jetzt will sie ein paar Tage ausschnaufen und ist sofort krank | |
| geworden, klassischer Fall. | |
| Man muss in Berlin nicht lang suchen, um jemanden zu finden, der schlecht | |
| über Luisa Neubauer redet. Sie sei zu radikal, sie sei zu weichgespült, zu | |
| links, zu grün, zu bürgerlich, was die überhaupt mache, außer in Talkshows | |
| sitzen? Die wolle doch nur abkassieren und außerdem sei sie sowieso „over“. | |
| Das ganze routinierte Abkotz-Paket. | |
| Man ist halt auch als Medienfigur immer im Paternoster, nach oben oder nach | |
| unten. „Und was meinen Sie“, sagt Luisa Neubauer höflich, „auf welchem W… | |
| bin ich?“ | |
| ## Das Projekt stockt | |
| Tja, das ist die eine Frage dieser Erkundung. Die größere lautet, was aus | |
| sozialökologischer Zukunftspolitik wird, denn bei der Linderung der | |
| Erderhitzung geht es bekanntlich nicht darum, „das Klima“ zu „retten“, | |
| sondern die Lebensgrundlagen der Gattung Mensch zu bewahren. Das Projekt | |
| stockt immer noch. | |
| Die Sozialökologie, die zuvor im Begriff schien, Teil des | |
| gesellschaftlichen Normalitätsverständnisses zu werden, wurde mit der | |
| Bundestagswahl 2021 ausgebremst. Zum einen schlugen die Kräfte der fossilen | |
| Bewahrung gewaltig zurück, zum anderen war Annalena Baerbocks Wahlkampf | |
| desaströs. Insgesamt erwies sich „Bereit, weil ihr es seid“ – der | |
| Grünen-Wahlkampfslogan und zugleich ein Versprechen, auf Wunsch der | |
| Mehrheitsgesellschaft ernsthafte Klimapolitik zu verfolgen – als zu | |
| optimistische Einschätzung. Insbesondere mit Blick auf die | |
| Koalitionspartner: Einmal in der Regierung, dachten Scholz und Lindner | |
| nicht im Traum daran. | |
| Und Fridays for Future? Hatten den emanzipatorischen Quantensprung | |
| vollzogen, eine Bewegung zu sein, in der Frauen führen und Jungs | |
| assistieren, hatten Bundes- und Kommunalpolitik tatsächlich bewegt. Sie | |
| regierten jetzt mit, wie der Soziologe und Protestexperte Armin Nassehi | |
| bemerkte. | |
| Fridays setzte auf die Massendemo als Inszenierung des Protests, was im | |
| [1][September 2019] in einem globalen Klimastreik kulminierte, bei dem | |
| weltweit Millionen auf die Straße gingen. Danach war das Format | |
| „auserzählt“, die Hunderttausende mit den leuchtenden Augen und den | |
| lustig-pathetischen Schildern nicht dauerhaft mobilisierbar. Ortsgruppen | |
| schliefen ein oder verzettelten sich in Quotierungsfragen und [2][internen | |
| Rassismusdebatten]. Die konzeptuelle Weiterentwicklung fehlte, oder ihr | |
| fehlte die Sichtbarkeit. Die Pandemie tat ein Übriges. | |
| Wenn Protestbewegungen frustriert sind, passiert immer das Gleiche: Die | |
| Massen bleiben zu Hause und eine kleine Gruppe radikalisiert sich mit der | |
| eher menschenfernen Idee, die Leute durch härteres Rannehmen und schärfere | |
| Ansprache zur Einsicht zu bringen – oder zumindest uns Medien zum | |
| Berichten. Letzteres funktioniert [3][bei der „Letzten Generation“] | |
| prächtig, allerdings nicht im Sinne von Neubauer. | |
| Doch weil das Momentum nun woanders war, musste sie hinterher. Im Januar | |
| trat Neubauer bei den [4][Lützi-Festspielen] auf, als Verkörperung des | |
| klimaheldeninnenhaften Widerstands gegen die Räumung eines Dorfs für den | |
| Braunkohleabbau. Gegenspieler: der böse Staat, personalisiert durch | |
| Vizekanzler Robert Habeck, also paradoxerweise den einzigen | |
| Regierungspolitiker, der Klimapolitik tatsächlich voranzubringen versucht. | |
| Neubauer lag tagelang im Schlamm, filmte live auf Instagram, nichts war ihr | |
| zu hart, zu viel oder zu schmutzig. Als visuellen Höhepunkt publizierte sie | |
| ein Selfie von sich mit dem Öko-Philosophie-Klassiker „Das Prinzip | |
| Verantwortung“ von Hans Jonas in Händen. Das sah ikonisch aus, war aber ein | |
| schönes Eigentor, weil in der Suhrkamp-Neuausgabe ein 20-seitiges Nachwort | |
| angefügt ist, und zwar von Robert Habeck. | |
| ## Für Liberaldemokraten eine Horrorvorstellung | |
| Hier überführt er Jonas des Ökototalitarismus: Natur geht über alles, und | |
| wenn Menschen nicht freiwillig handeln, dann werden sie halt gezwungen. Das | |
| ist für Liberaldemokraten eine Horrorvorstellung. Und vor allem etwas, für | |
| das Luisa Neubauer überhaupt nicht steht. | |
| Im Gegensatz zu manchem Bewegten der Post-68er dauerte es aber nicht Jahre, | |
| bis sie das checkte – ruckzuck war sie raus aus dieser Ecke. Womit sich die | |
| große Frage stellt: Wenn das eine Protestinstrument, der Massenstreik, an | |
| sein Ende gekommen ist, das Geklebe aber inhaltlich nichts bringt und man | |
| zudem Staat und Institutionen nicht angreifen darf, sondern schützen muss, | |
| da die Angriffe von rechts kommen – wie geht es dann eigentlich weiter mit | |
| Aktivismus? | |
| Als Fridays for Future Deutschland Ende 2018 gegründet und schnell als | |
| Schülerbewegung eine große Nummer wurde, war Neubauer 22, | |
| Geografiestudentin, aber als Medienfigur dem Genre „engagierte Schülerin“ | |
| zugeordnet. Klug, tough, sympathisch. Die perfekte Schulsprecherin und | |
| trotz vieler Ähs sehr eloquent. Wir Medien fingen sofort an, sie für unsere | |
| Zwecke auszunutzen. Und sie machte es umgekehrt. | |
| Schon damals hatten speziell auch junge Linke ihre Probleme beim | |
| Verständnis von Neubauer. Was hat die eigentlich für eine „Funktion“, | |
| welcher Revolutionsrat hat die legitimiert, ist ihr Glamourappeal mit | |
| quotierten Ausschüssen vereinbar? Sie kriegten sie nicht in eine Schublade | |
| und schon gar nicht mehr zurück in die Reihe. | |
| Jetzt ist sie 27, immer noch sehr jung, aber zu alt für die | |
| Schulsprecherinnen-Rolle. In welcher neuen Rolle, welcher neuen Phase ist | |
| sie jetzt? | |
| „Das finde ich eine gute Frage“, sagt Neubauer im Café in Berlin. Kurze | |
| Denkpause. Dann sagt sie, dass die Frage von allen ihren Sorgen aber wohl | |
| die allerkleinste sei. Und an einer anderen Stelle des Gesprächs sagt sie: | |
| „Ist es nicht auch ein großes Glück, dass ich die Freiheit habe, zu | |
| definieren, was meine Rolle ist und meine Phase, weil es das vor mir noch | |
| nicht so richtig gab?“ | |
| Das ist der Punkt. Wir haben es hier – das passt nicht in unsere | |
| Schubladen, ist aber fundamental – mit etwas Neuem zu tun. Luisa Neubauer | |
| ist keine Funktionärin, keine Influencerin, keine Politikerin und eben auch | |
| keine klassische Aktivistin wie Carla Hinrichs oder ihre Cousine Carla | |
| Reemtsma. | |
| Der häufig geäußerte Gedanke, sie ziele karrieristisch auf ein | |
| Bundestagsmandat, ist von rührender Naivität. Sie kennt alle, von Obama | |
| über Thunberg bis Macron, alle kennen sie. Bundesministerien rufen sie an | |
| und binden sie ein, bevor sie irgendwas machen. Soll sie da in einem | |
| Ausschuss rumsitzen und in der parteiinternen Antragskommission mit dem | |
| Kreisverband Kreuzberg rumstreiten? | |
| Nein. Sie sitzt auf einer selbsterarbeiteten gesellschaftlichen Position, | |
| die es vorher nicht gab und die offenbar notwendig und möglich geworden | |
| ist. Es ist die Position der „Luisa“. Vermutlich gibt es hunderttausende | |
| Luisas zwischen 20 und 30 in Deutschland, aber wenn dieser Name im | |
| nichtprivaten Kontext fällt, kann nur eine gemeint sein – Neubauer. | |
| ## Permanente Bedrohungslage | |
| Auf dieser „Position der Luisa“ reist Neubauer durch Deutschland und | |
| Europa, vier Tage die Woche ist sie im Schnitt unterwegs. Von Hamburg nach | |
| Paris, dann Tübingen, Berlin, Amsterdam, München. Wenn sie Pausen einlegt, | |
| dann, um ein Buch zu schreiben. Davon, sagt sie, lebt sie. | |
| Es gibt Hass auf sie, eine permanente Bedrohungslage, Misogynie, das Werfen | |
| von Schmutz aller Art, und selbst der familiäre Hintergrund (ihre | |
| Großmutter war mit einem Reemtsma verheiratet) wird von allen | |
| interessierten Seiten für Delegitimation auf tiefem Niveau missbraucht. | |
| Kommt aus Hamburg-Iserbrook! Ging aufs Gymnasium! Dann noch Stipendien! Da | |
| weiß man doch alles! Neubauer sagt immer, dass sie ja „privilegiert“ sei, | |
| was sich als Deutsche im globalen Kontext aber von selbst versteht. | |
| Gleichzeitig ist Luisa Neubauer extrem populär, ihre letzte Lesereise mit | |
| dem Buch „Gegen die Ohnmacht“, das sie zusammen mit ihrer 90-jährigen | |
| Großmutter Dagmar Reemtsma geschrieben hat, war ein einziger Triumphzug, | |
| volle Hallen, schwärmerische Kritiken. Und in der Neuen Aula auf dem | |
| Tübinger Campus hat das Boomer-Bürgertum Tränen in den Augen. Das ist ein | |
| Teil ihrer Rede, die zwei Schlüsselworte hat: Gefühle und Macht. | |
| ## Eine im besten Sinne realpolitische Analyse | |
| Zum einen will sie die gesellschaftliche Kultur verändern und eben nicht | |
| nur mit Vernunftappellen arbeiten, sondern mit positiven Gefühlen. Die | |
| Vernunft allein ist, Stand jetzt, gescheitert an der Komplexität des | |
| Problems. Unser Lebensalltag, unsere Vorstellung von einem guten Leben ist | |
| geprägt von Bildern: Einfamilienhaus, Auto, New-York-Reise, zwischendurch | |
| Mallorca. Alles schön und bei allem war die Grundlage bisher das Verbrennen | |
| von Kohle, Öl und Gas. Diese Lebensgefühle und Bilder will Neubauer durch | |
| postfossile ersetzen, die keine Angst- und Schrumpfungsgefühle auslösen, | |
| sondern auch schön sind. | |
| Wie hartnäckig alte Bilder sind, hat sie auf die schlimmstmögliche Art | |
| erfahren; durch den Lungenkrebs-Tod ihres Vaters, der bis zum Schluss | |
| Zigaretten rauchte, weil das wider jede wissenschaftliche Erkenntnis und | |
| ärztliche Diagnose zu seinem Gefühl von einem guten Leben gehörte. | |
| Punkt zwei: Macht. Gemeint ist, gesellschaftliche und politische Mehrheiten | |
| für ernsthafte Klimapolitik zu gewinnen und damit die herrschenden fossilen | |
| Machtakteure zurückzudrängen. Ihre Analyse ist realpolitisch im besten | |
| Sinne. Wissenschaft ist legitimierende Grundlage, Daten und Fakten sind | |
| essenziell, aber „für das politische Einlenken war noch nie ausschlaggebend | |
| wer das bessere Argument hat, auch nicht wer das moralische Argument hat. | |
| Die Frage war schon immer: Wer hat das mächtigere Argument?“ Scholz und die | |
| SPD, Merz und die CDU, sie alle müssen konkret etwas von Klimapolitik | |
| haben. Ganz simpel gesagt: dafür gewählt werden oder zumindest nicht | |
| abgewählt werden. | |
| Das Ziel von Fridays, jedenfalls behauptet Neubauer das heute, sei immer | |
| der Grundkonsens aller demokratischen Parteien, nämlich da keine | |
| Kompromisse zu machen, wo es keine geben kann: bei der Bewahrung der | |
| Lebensgrundlagen. | |
| Dieses Ziel ist heute weiter entfernt als vor der Bundestagswahl. Viele | |
| glauben derzeit, Wähler mit Angriffen auf die Wirtschafts- und Klimapolitik | |
| des Grünen Vizekanzlers gewinnen zu können. Derweil geht Neubauer alles | |
| viel zu langsam. Selbstverständlich greift sie die Grünen dafür an, aber im | |
| Gegensatz zu anderen reduziert sie das nicht auf ein Charakterproblem. | |
| Und nie würde sie „das System“ als „verrottet“ bezeichnen, wie das | |
| Revolutionäre tun müssen. Statt Zeigefinger und Anklage eines | |
| Boomer-Täter-Bürgertums und Boomer-Politikbetriebs versucht sie, die | |
| „ökologische Orientierungslosigkeit“ von Leuten zu reduzieren, und gerade | |
| die von klimapolitikfernen Milieus. „Übersetzungsarbeit“ nennt sie das. | |
| Als Neubauer allerdings in ihrer Rede von der Gegenwartskultur des | |
| „Fossilismus“ spricht, des Verbrennens aller fossiler Energie, die uns in | |
| die Finger kommt, dann subsumiert sie darunter auch Patriarchat, | |
| Kolonialismus und so weiter, weshalb ihr der Tübinger Oberbürgermeister | |
| Boris Palmer ein paar Tage später einen offenen Brief schreibt, in dem er | |
| die Rede als „Frontalangriff auf das westliche Wohlstandsmodell“ unter | |
| Verkennung all seiner Errungenschaften sieht. | |
| Statt die ganzen westlichen Gesellschaften anzugreifen, müsse man sich auf | |
| das politisch organisierbare konzentrieren: den Wechsel von fossilen zu 100 | |
| Prozent erneuerbaren Energien im Sinne seines Vorbilds, des verstorbenen | |
| SPD-Energiepolitikers und Intellektuellen Hermann Scheer. Da spricht der | |
| deutschlandweit führende ökologische Kommunalpolitiker Palmer, nur dass | |
| Neubauer – zumindest nach meiner Lesart – all das, was er ihr vorwirft, | |
| überhaupt nicht gesagt hat. | |
| Meine These ist, dass sie in jene Aktivistenmilieus, die sie für zu | |
| „bürgerlich“ halten, ein paar ihrer Triggerwörter sendet. Sie verzapft | |
| keine Parolen, sie schreit auch niemanden an, droht nicht mit Apokalypsen, | |
| nicht mal mit Ferrari-Entzug. Hier geht es nicht um die abgenutzte | |
| ästhetische Pose des Dagegenseins, mit der manche Boomer-Protestler alt | |
| geworden sind. Wenn überhaupt, ist ihr Sprechen ein weiches und kluges | |
| Rechthaben, das auf eine Atmosphäre der Integration von möglichst vielen | |
| zielt. | |
| „Das Neue bei Luisa Neubauer ist die Suche nach einem anderen Weg und einer | |
| anderen Sprache, die sich vom rein wissenschaftlichen, aber auch vom rein | |
| aktivistischen abwendet“, sagt der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen, | |
| der Neubauer für den [5][Vortrag] nach Tübingen geholt hatte. Sie suche | |
| „eine übergeordnete Form von Aktivismus, die erst die Bedingungen schafft, | |
| unter denen Aktivismus wieder funktioniert“. | |
| Pörksen meint, dass die Suche nach anderen, musikalischeren Formen der | |
| Aufklärung beginnen muss, weil Angst- und Verzichtserzählungen nicht | |
| mehrheitsfähig sind und Faktenwissen allein handlungspraktisch oft | |
| folgenlos bleibt. Und hier liefere der Vortrag eine neue Spur, er | |
| kombiniere Ideologiekritik, Machtanalyse und Lebensgefühlorientierung. „Das | |
| hat viele begeistert.“ Man hatte auch schon Frank Schirrmacher, Juli Zeh, | |
| Alice Schwarzer oder Doris Dörrie an selber Stelle zu Gast, aber Standing | |
| Ovations gab es noch nie. | |
| Während Neubauer in Tübingen spricht, leuchtet auf dem Bildschirm neben ihr | |
| ein Schriftzeug auf. „Man wird die Klimakrise nicht links gewinnen.“ | |
| Das ist hart für manche, vermutlich auch für manche taz-Leser. | |
| „Das ist hart, ja, tut mir leid“, sagt Neubauer im Café in Berlin. | |
| Was ist die Überlegung? | |
| „Es gibt unterbewusst die Meinung, wir haben unsere linken Ökopositionen, | |
| wir haben recht und unser Job ist es, die Leute eins zu eins zu uns und | |
| unseren Positionen zu holen. Und wenn sie dann nicht kommen, können wir uns | |
| für das eigene Scheitern feiern.“ | |
| Was ist die Alternative? | |
| „Ich würde sagen, Leute, wir haben noch sieben Jahre Zeit, es gibt die alte | |
| Welt und die neue Welt und wir sind dazwischen. Und vielleicht geben wir | |
| mal dem Gedanken eine Chance, dass wir nicht dort gewinnen, wo wir links | |
| recht haben, sondern dort, wo aus jedem Teil des demokratischen Spektrums | |
| Menschen in die ökologische Richtung gehen, über die wir uns zusammen | |
| einig sind. Wer am Ende wie viel von was bekommt, müssen wir immer noch | |
| auskämpfen.“ | |
| Gewinnt Aktivismus denn nun gegen die Gesellschaft oder mit ihr? Längere | |
| Denkpause. | |
| „Wir gewinnen mit der Gesellschaft, aber wir müssen anerkennen, dass nicht | |
| alle auf der gleichen Seite des Tisches sitzen.“ | |
| Und was ist mit der „Fossilität“? | |
| „Die ist in uns, ich fand es früher auch super zu fliegen. Aber es geht | |
| darum, wo Fossilität Macht hat, Lobbygruppen, Industrieverbände. Diese | |
| fossilen Kräfte sind überschaubar und die schlagen wir nicht, weil wir | |
| recht haben, sondern nur mit Macht.“ | |
| Was ist mit Radikalität? | |
| „Zwei Leute, die sich auf die Straße kleben, sind im Zweifel nicht halb so | |
| radikal wie zwei FDP-Wähler, die Christian einen Brief fürs Tempolimit | |
| schreiben.“ | |
| Das ist in etwa der Stil, mit dem sie die Letzte Generation kommentiert. | |
| Nie würde sie sich auf ein gegenseitiges Anpissen einlassen. Fast immer | |
| betont sie die unterschiedlichen Funktionen unterschiedlicher | |
| Aktivismus-Ansätze. | |
| ## Zu links-woke? | |
| Fassen wir zusammen: Je erfolgreicher und wichtiger jemand ist, desto mehr | |
| wird über sie hergezogen. Je komplexer das Problem ist und je | |
| differenzierter diejenige, die es lösen will, desto verwirrter sind viele, | |
| denen die Freund-Feind-Orientierung fehlt. So bilden sich scheinbar | |
| seltsame Allianzen, wenn Ultraliberale und Ökolinke Luisa Neubauer | |
| gleichzeitig als „bürgerlich“ oder „kitschig“ schmähen, die dritten s… | |
| tantig finden, die vierten zu links-woke. | |
| Dazu kommt, dass unterschiedliche Leute sehr viel von ihr erwarten, sie | |
| irgendwo hinschieben wollen (auch dieser Text) und enttäuscht sind, wenn | |
| sie sich ihren Zuordnungen entzieht. Aber genau das macht ihre Macht aus | |
| und ihre Kraft, dass so viele Leute sie anders sehen, sie aber in fast alle | |
| Milieus hinein sprechen kann, von der staatsfernen Protestlerin im Schlamm | |
| bis zum Kleinbürger-Opa auf dem Sofa – und dass sie dabei immer ihrem | |
| Inhalt treu bleibt. | |
| Die Tübinger Rede zeigt auch: Luisa Neubauer ist nicht nur rhetorisch und | |
| strategisch stark und vielseitig, nicht nur charismatisch, neben allem | |
| anderen ist sie auch eine Intellektuelle. | |
| Der Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt hat mal geweissagt, | |
| [6][selbstverständlich in der taz], Neubauer würde in 20 Jahren ins | |
| Kanzlerinnenamt einziehen. Demnächst wird jemand auf den viel | |
| naheliegenderen Gedanken kommen, dass Luisa Neubauer die passende | |
| Bundespräsidentin für ein postfossiles Deutschland sein könnte. Aber auch | |
| das ist Denken von gestern, ein solches Amt würde sie bloß einengen. | |
| 22 Jul 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Globaler-Klimastreik/!5879829 | |
| [2] /Kulturelle-Aneignung-bei-FFF-Demo/!5840424 | |
| [3] /Neue-Generation/!t5833405 | |
| [4] /Fridays-for-Future-ueber-Luetzerath/!5903446 | |
| [5] https://www.youtube.com/watch?v=yIYjM8-Yizg | |
| [6] /Ulf-Poschardt-zur-Mobilitaetswende/!5779417 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
| ## TAGS | |
| Luisa Neubauer | |
| GNS | |
| wochentaz | |
| Schwerpunkt Klimaproteste | |
| Lisa Paus | |
| Klimakonferenz in Dubai | |
| Neue Generation | |
| Greta Thunberg | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimaproteste | |
| taz lab 2025 | |
| Luisa Neubauer | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Lisa Paus' Kindergrundsicherung: Was am Ende übrig bleibt | |
| Familienministerin Lisa Paus wollte mit der Kindergrundsicherung gegen | |
| Kindesarmut ankämpfen. Doch das Großprojekt schrumpfte. Und jetzt? | |
| Luisa Neubauer über die Klimabewegung: „Wir sind in einem Kulturkampf“ | |
| Klimaaktivistin Luisa Neubauer über die UN-Klimakonferenz, Greta Thunberg | |
| und die Frage, warum Klimapolitik in Deutschland so zäh ist. | |
| Neuer Prozess gegen „Letzte Generation“: Blockieren als „moralische Pflic… | |
| Letzte-Generation-Sprecherin Carla Hinrichs steht erneut wegen | |
| Straßenblockaden in Berlin vor Gericht. Der Richter hat sie bereits einmal | |
| verurteilt. | |
| 5 Jahre Schulstreik von Greta Thunberg: Längst nicht mehr die Einzige | |
| Vor 5 Jahren begann die damals 15-jährige schwedische Schülerin Greta | |
| Thunberg ihren „Skolstrejk för klimatet“. Danach war nichts mehr wie | |
| vorher. | |
| Geldbuße wegen Klimaprotest: Thunberg zu 130 Euro verurteilt | |
| Die Klimaaktivistin muss für eine Aktion im Hafen von Malmö büßen. Sie | |
| hatte sich dabei auf den Klimanotstand berufen – vergeblich. | |
| Klimaprotest gegen Öl-Pipeline: Franzosen pfeifen auf Total | |
| Mit einer riesigen Pipeline will der Energiekonzern Total Erdöl in | |
| Ostafrika fördern. Umweltaktivisten warnen vor Umwelt- und Klimaschäden. | |
| Mit dabei: Luisa Neubauer. | |
| Debatten auf dem taz lab: „Konkretes, nicht die großen Dinge“ | |
| Wenn Politiker:innen von Zukunft und Zuversicht sprechen, meint das | |
| oft eher Floskeliges. Beim tazlab wurden sie trotzdem dazu befragt. | |
| Neubauer über Klima-Volksentscheid: „Wir kämpfen weiter bergauf“ | |
| Aktivistin Luisa Neubauer kritisiert, dass der Volksentscheid von der | |
| Berlin-Wahl getrennt wurde. Trotz verfehltem Quorum sei die Mehrheit ein | |
| Erfolg. |