# taz.de -- Kulturelle Aneignung bei FFF-Demo: Dreads auf dem falschen Kopf | |
> Eine Musikerin mit Dreads wurde von Fridays for Future ausgeladen. Der | |
> Shitstorm war klar, dabei ist das Thema kulturelle Aneignung wichtig. | |
Bild: Hat keine Erfahrung mit Rassismus: Blonder, weißer Mann | |
Alles begann mit einer Absage. Eigentlich sollte die Musikerin Ronja | |
Maltzahn beim Klimastreik in Hannover auftreten. Kurzerhand entschied sich | |
die dortige Ortsgruppe von „Fridays for Future“ (FFF) jedoch, die | |
28-Jährige auszuladen – da sie Dreads trägt. Man setze beim globalen Streik | |
„auf ein antikolonialistisches und antirassistisches Narrativ“, daher sei | |
es nicht vertretbar, „eine weiße Person mit Dreadlocks auf unserer Bühne zu | |
haben“, schrieben die Aktivist*innen in einer Instagram-Nachricht an | |
Maltzahn. | |
Mir wachsen natürliche Dreadlocks. Als ich in der Gastronomie gearbeitet | |
habe, wurde mir gesagt, dass ich mir die Haare schneiden solle, damit ich | |
ordentlicher aussehe. Hemd und gestutzter Bart waren Pflicht. Aber meine | |
Haare? Die kann ich nicht einfach verändern. Sie stehen in alle Richtungen. | |
Es fühlt sich an, als würde ich als Schwarzer Mensch anders behandelt. Die | |
Weiße Mehrheitsgesellschaft nimmt sich das Recht heraus, mir zu sagen, wie | |
ich aussehen soll. Ronja Maltzahn hat so etwas mit ihrer Frisur bisher | |
sicher noch nicht erlebt. | |
In der Kritik von FFF geht es vor allem um kulturelle Aneignung – die | |
kolonialrassistische Praxis, nach der Teile der Kultur marginalisierter | |
Gruppen von der Mehrheitsgesellschaft ohne Kontext kopiert und sie sich von | |
ihr angeeignet werden. Schwarze Frisuren – [1][Dreadlocks, Braids, | |
Cornrows] – sind aber politisch. Sie haben eine koloniale Geschichte. Damit | |
und mit der bis heute anhaltenden rassistischen Benachteiligung Schwarzer | |
Menschen und People of Colour aufgrund ihrer Haare müssen [2][sich Weiße | |
Menschen nicht auseinandersetzen]. Und wenn sie keine Lust mehr auf diese | |
Frisur haben, dann tragen sie eben eine andere. Das kann ich nicht. | |
Die Sängerin aus Bad Pyrmont hat die Absage auf ihren sozialen Netzwerken | |
öffentlich gemacht. Sie kommentierte: „Wir hatten uns darauf gefreut, ein | |
Zeichen für Frieden und gegen Diskriminierung mit unserer Musik setzen zu | |
dürfen. Schade, dass wir aufgrund von äußerlichen Merkmalen davon | |
ausgeschlossen werden.“ | |
## Musikerin zeigt sich offen für Kritik | |
Der Shitstorm ließ nicht lange auf sich warten. Während sich neben empörten | |
Bürgerlichen die Fraktion „Fuck you Greta“ in den Kommentarspalten die | |
Finger wund tippte, feuerten vornehmlich Weiße Journalisten die Welle der | |
Empörung inhaltlich an. Der Chefredakteur der Hannoverschen Allgemeinen | |
Zeitung schreibt bei Twitter etwa: „Wer bei FFF in Hannover auftritt, wird | |
vorher einer Frisurenkontrolle unterzogen. Echt.“ In der Bild und im NDR | |
wird das Konzept der kulturellen Aneignung ins Lächerliche gezogen. All | |
diese Menschen mussten sich vermutlich nie mit Rassismus beschäftigen. | |
Die Musikerin selbst ist offener für die Kritik: Auf taz-Anfrage sagt sie, | |
dass sie sich nun damit auseinandersetze, dass eine Frisur für etwas | |
Diskriminierendes stehen könne. | |
Für Freitag [3][mobilisiert „Fridays for Future“] bundesweit zum globalen | |
Klimastreik. In insgesamt über 300 Orten wollen Demonstrierende für Frieden | |
und Klimagerechtigkeit auf die Straße gehen. Inwiefern die Debatte auf der | |
Kundgebung zur Sprache kommt, wird sich zeigen. | |
25 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Leon Enrique Montero | |
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