| # taz.de -- Vor Abstimmung in der Knesset: Showdown zu Israels Justizreform | |
| > Am Montag will die rechte Koalition im Parlament das oberste Gericht | |
| > entmachten. Massenproteste gehen weiter, mehr Soldaten verweigern den | |
| > Dienst. | |
| Bild: Protest in Jerusalem am Sonntag: Die Stimmung ist gereizt | |
| Berlin taz | Begleitet vom erneuten Protest Hunderttausender Israelis in | |
| Tel Aviv und Jerusalem hat Israels Parlament am Sonntag mit den Beratungen | |
| zu einem wichtigen Kernpunkt der Justizreform begonnen. Die entscheidende | |
| Abstimmung in der Knesset über das sogenannte Unangemessenheitsgesetz wird | |
| für Montagmorgen erwartet. Danach soll Israels oberstes Gericht nicht mehr | |
| die Möglichkeit haben, Regierungshandeln oder Gesetze als „unangemessen“ zu | |
| kassieren. Da Israel über keine Verfassung verfügt, war die Regelung ein | |
| wichtiges Kontrollinstrument der unabhängigen Justiz. | |
| Gegen die Reform – und das Unangemessenheitsgesetz ist erst der erste | |
| Schritt zu einer weitergehenden [1][Entmachtung der Justiz] – gingen am | |
| Samstag nach Medienschätzungen in Tel Aviv rund 170.000 und in Jerusalem | |
| 85.000 Menschen auf die Straße. | |
| Rund 10.000 Reservist*innen erklärten, aus Protest gegen die von der | |
| rechtsreligiösen Regierung geplante Justizreform ihren Dienst zu verweigern | |
| – und offenbar nicht nur sie. Aus Militärkreisen erfuhren israelische | |
| Medien auch von Spezialeinheiten, deren Offiziere ihren Dienst entweder | |
| nicht mehr ausführen oder ihren Vertrag schnellstmöglich kündigen wollen. | |
| Die Einsatzbereitschaft der Armee sei ernsthaft gefährdet, hieß es. | |
| Auch am Sonntag gingen die Proteste unvermindert weiter, und weitere | |
| Berufsgruppen schlossen sich an. Die Ärztevereinigung erklärte ihre | |
| geschlossene Gegnerschaft zur Justizreform und kündigte an, im Fall ihrer | |
| Verabschiedung dagegen vor Gericht ziehen zu wollen. | |
| ## Iran spottet über „Krise im Herzen des zionistischen Regimes“ | |
| Dessen ungeachtet erfuhr Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in einem | |
| Krankenhaus in Tel Aviv offenbar eine gute Behandlung, als ihm in den | |
| vergangenen Tagen ein Herzschrittmacher eingesetzt wurde. Ihm ginge es gut, | |
| erklärten die behandelnden Ärzte. Netanjahu plant, bei der Abstimmung über | |
| das Gesetz am Montag früh dabei zu sein. Ein Sprecher der iranischen | |
| Regierung spottete: „Es ist klar, dass die Krise im Herzen des | |
| zionistischen Regimes tiefer geht als die im Herzen des Premierministers.“ | |
| Unterdessen wächst der Druck der Protestbewegung auf die Gewerkschaften, | |
| auch mit Streikmaßnahmen gegen die Justizreform anzugehen. Ein vom | |
| Gewerkschaftsdachverband Histradut zusammen mit dem Chef des | |
| Unternehmerverbandes vorgelegter Kompromissvorschlag, nachdem das | |
| Unangemessenheitsgesetz in abgeschwächter Form und andere Teile der Reform | |
| vorerst überhaupt nicht verabschiedet werden sollten, wurden am Wochenende | |
| sowohl von Netanjahus Regierungspartei Likud als auch von der | |
| Protestbewegung abgelehnt. | |
| Bei der Parlamentsdebatte forderte Benny Gantz von der oppositionellen | |
| Partei Nationale Einheit, jegliche Abstimmung abzusagen, bevor nicht ein | |
| nationaler Konsens hergestellt sei. An die Regierungskoalition gewandt | |
| sagte Gantz: „Es darf ihnen nicht erlaubt werden, den Staat Israel | |
| kaputtzumachen. Es ist an der Zeit, wirkliche Führungskraft zu zeigen. Wir | |
| stehen einer großen akuten Gefahr gegenüber.“ | |
| Netanjahu hatte nach ersten großen Protesten im März das Projekt der Reform | |
| [2][zunächst ausgesetzt] – will es jetzt aber unbeirrt umsetzen. Er | |
| [3][argumentiert] stets, die Reform schwäche nicht die Demokratie, sondern | |
| stärke sie gegen übergriffige Richter. | |
| 23 Jul 2023 | |
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| Bernd Pickert | |
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