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# taz.de -- Justizreform in Israel: Protestmarsch nach Jerusalem
> Gegen die umstrittene Justizreform haben erneut Hunderte demonstriert.
> Derweil betont Israels Präsident Herzog im US-Kongress die demokratischen
> Werte seines Landes.
Bild: Israels Präsident Herzog besucht derzeit die USA
Jerusalem/Washington/Tel Aviv afp/ap/dpa | Israels rechts-religiöse
Regierung kommt mit ihren Plänen zur Schwächung der Justiz weiter voran:
Der Justizausschuss im Parlament hat in der Nacht zum Donnerstag einen
umstrittenen Gesetzentwurf gebilligt, über den die Abgeordneten dann in
einigen Tagen bereits final abstimmen können. Das Gesetz ist Teil der
umstrittenen Justizreform und könnte Medien zufolge schon am Montag oder
Dienstag in Kraft treten.
Den Plänen nach soll es dem Höchsten Gericht nicht mehr möglich sein,
Entscheidungen der Regierung oder einzelner Minister als „unangemessen“ zu
bewerten. Zu Jahresbeginn hatten die Richter etwa die Ernennung des
Vorsitzenden der Schas-Partei, Arie Deri, zum Innenminister wegen dessen
krimineller Vergangenheit als „unangemessen“ eingestuft. Daraufhin musste
Netanjahu seinen Vertrauten entlassen. Beobachter erwarten, dass die
Koalition dies mit dem neuen Gesetz wieder rückgängig machen will. Kritiker
befürchten zudem, dass es zu willkürlichen Entlassungen von Gegnern der
Regierungspolitik in entscheidenden Positionen kommen könnte.
Am Mittwoch begannen aus Protest gegen die massiv vorangetriebene Umsetzung
der [1][umstrittenen Justizreform] der rechts-religiösen Regierung von
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mehrere hundert Menschen in Israel am
Mittwoch einen mehrtägigen Marsch von Tel Aviv nach Jerusalem. Angesichts
der voranschreitenden Reform sei es „Zeit für einen entschlossenen
Schritt“, sagte die Organisatorin Shikma Bressler. Derweil warnte
US-Präsident Joe Biden die israelische Regierung davor, die Justizreform im
Eiltempo durchzudrücken.
„Wir werden Jerusalem am Samstagabend erreichen und Zelte an der Knesset
aufstellen“, sagte der High-Tech-Mitarbeiter und Mitorganisator Mosche
Radman über den kurzfristig angekündigten, 70 Kilometer langen
Protestmarsch.
## Proteste aus allen Teilen der Gesellschaft
Nach einer Pause während der heißesten Stunden des Tages brachen die mit
Wasserflaschen und Sonnenschirmen ausgestatteten Demonstranten, israelische
Flaggen schwenkend, am frühen Mittwochabend gegen 17.30 Uhr wieder auf. Am
Sonntag stimmt das israelische Parlament in zweiter und dritter Lesung über
eine wichtige Klausel der Reform ab.
Die Reform zielt darauf ab, die Befugnisse der Justiz und des Obersten
Gerichts einzuschränken und die Stellung des Parlaments und des
Ministerpräsidenten zu stärken. Die Demonstranten werfen der Regierung vor,
damit die unabhängige Justiz des Landes schwächen zu wollen. Am Dienstag
hatten Gegner der Justizreform zu einem landesweiten „Tag des Widerstands“
gegen die Pläne aufgerufen und im ganzen Land Autobahnen, Bahnhöfe und
wichtige Straßen blockiert.
In der vergangenen Woche hatte das israelische Parlament bereits einen der
umstrittensten Bestandteile der Reform, die sogenannte
Angemessenheitsklausel, in erster Lesung gebilligt. Damit soll dem Obersten
Gericht künftig die Möglichkeit entzogen werden, Regierungsentscheidungen
als „unangemessen“ einzustufen. Kritiker fürchten eine willkürliche
Besetzung hochrangiger Regierungsposten sowie eine Begünstigung von
Korruption.
Seit [2][Jahresbeginn demonstrieren immer wieder zehntausende Menschen]
gegen das Vorhaben. Die Proteste werden von breiten Teilen der Gesellschaft
unterstützt – über alle Unterschiede hinweg: Liberale und konservative
Israelis protestieren Seite an Seite, ebenso wie säkulare und religiöse
Bürger. Armee-Reservisten sehen in dem Vorhaben der Regierung ebenso eine
ernsthafte Gefahr für die Demokratie in Israel wie Friedensaktivisten,
Arbeiter und Angestellte der Tech-Branche.Dutzende Reservisten der
israelischen Armee unterzeichneten am Mittwochabend in Tel Aviv eine
Erklärung, der zufolge sie aus Protest gegen die Justizreform „den
freiwilligen Dienst verweigern“.
## Herzog hält Rede in US-Kongress
Das Vorhaben und das Tempo seiner Umsetzung stößt auch im Ausland auf
Kritik, insbesondere in den USA, Israels wichtigstem Verbündeten.
US-Präsident Joe Biden forderte die israelische Regierung am Mittwoch mit
ungewöhnlich deutlichen Worten auf, das Vorhaben nicht zu „überstürzen“.
„Konsens in kontroversen Politikbereichen zu finden bedeutet, sich die Zeit
zu nehmen, die es braucht“, sagte Biden dem Kolumnisten Thomas Friedman von
der US-Zeitung New York Times. „Für große Veränderungen ist das
unverzichtbar. Deswegen ist meine Empfehlung für die israelischen
Verantwortlichen, nicht zu eilen.“
Bidens Äußerungen wurden vor einer Rede des israelischen [3][Staatschefs
Isaac Herzog] vor dem US-Kongress am Mittwoch veröffentlicht. Herzog hat in
einer Rede vor dem US-Kongress betont, dass demokratische Werte in seinem
Land nach wie vor hochgehalten würden. Gleichwohl räumte er am Mittwoch
ein, dass es in Israel eine „intensive und schmerzhafte Debatte“ über die
Politik der rechtsreligiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin
Netanjahu gebe. Doch gerade das zeige die Stärke der israelischen
Demokratie.
Herzog war nach seinem Vater Chaim der zweite israelische Staatspräsident,
der eine Rede vor beiden Kongresskammern hielt. Offiziell ging es um den
75. Jahrestag der Staatsgründung Israels. Aber ein wichtiges Thema waren
indirekt natürlich auch die derzeitigen Proteste gegen die Justizreform der
Netanjahu-Regierung.
## Kritik an Israel dürfe bestimme Linien nicht überschreiten
„Ich respektiere Kritik, besonders von Freunden, allerdings muss man sie
nicht immer akzeptieren“, sagte Herzog. „Kritik an Israel darf nicht die
Linie überschreiten, dem Staat Israel das Existenzrecht abzusprechen. Das
Recht des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung in Frage zu stellen, ist
keine legitime Diplomatie, es ist Antisemitismus.“
Herzog spielte dabei offenbar auf die Aussage der demokratischen
Abgeordneten [4][Pramila Jayapal] an, die Israel am Wochenende als
„rassistischen Staat“ bezeichnet, sich danach aber dafür entschuldigt
hatte. In einer Resolution, die von mehr als 400 Abgeordneten beider
Parteien mitgetragen wurde, bekräftigte das Repräsentantenhaus daraufhin am
Dienstag die Unterstützung der USA für Israel. Jayapal und einige andere
linke Demokraten boykottierten Herzogs Rede wegen der Politik Israels
gegenüber den Palästinensern.
Wir haben diesen Artikel aktualisiert, um die neuesten Entwicklungen
abzubilden.
20 Jul 2023
## LINKS
[1] /Justizreform-in-Israel/!5941612
[2] /Protest-in-Israel-gegen-Justizreform/!5943573
[3] /Israels-Praesident-in-den-USA/!5945088
[4] https://www.npr.org/2023/07/17/1188096678/jayapal-israel-racist-state-jeffr…
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Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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