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# taz.de -- Dürre in Jordanien: Durstige Zitronenbäume
> Die Klimakrise bedroht das einst fruchtbare Land im Jordantal. Anderen
> Regionen wird es in Zukunft ähnlich ergehen. Wie gehen die Menschen damit
> um?
Bild: Lebensader: Der König-Abdullah-Kanal ist der größte Bewässerungskanal…
dem Jordantal/Zarqa taz | Dayba Gazawi steht inmitten von Zitronen-,
Orangen- und Pampelmusenbäumen. „Die Bäume sind für mich wie meine Kinder�…
sagt sie, Mutter von drei Söhnen, einer Tochter und Bäumen auf 30.000
Quadratmeter Land. „Ich ziehe sie auf und gebe ihnen zu trinken.“ Die Äste
der Bäume tragen sattgrüne Blätter, sie spenden etwas Schatten gegen die
pralle Mittagssonne, es sind rund 32 Grad und die Menschen in dem Dorf
sagen, das sei ein vergleichsweise angenehmer Sommertag im Jordantal.
„Ich habe mich an die Hitze gewöhnt; wenn es mir zu heiß wird, gehe ich an
die Wassersprenkler“, sagt Gazawi. Dabya Gazawi, 49 Jahre alt, arbeitet
seit 25 Jahren als Landwirtin auf ihrer eigenen Farm im nördlichen
Jordantal in Jordanien. Jobs gibt es hier wenige, doch der Boden ist
fruchtbar, daher sind die meisten Menschen Landwirt*innen. Auch Gazawi
kommt aus einer Bauernfamilie. „Das Beste an der Landwirtschaft ist, dass
man mit dem Baum umgeht, als wäre er ein Teil von einem selbst, sehr
zärtlich. Wenn ich ihn gieße, zurückschneide, wenn ich die reife Ernte
sehe, empfinde ich wirklich Freude, dass ich es geschafft habe.“
Von einem Wasserbecken aus führen schwarze Schläuche durch ihr Grundstück.
Ein Motor treibt die Pumpe an, die das Wasser durch die Schläuche drückt.
Darin sind viele Löcher, durch die das Wasser direkt um die Bäume fließt
und Pfützen bildet. „Was mir als Landwirtin am meisten Angst macht, ist der
Mangel an Wasser. Ich fürchte mich davor, dass das Wasser ausbleibt. Ich
habe die Bewässerung auf Schläuche und Tröpfchenbewässerung umgestellt, was
mich eine Menge Geld gekostet hat. Wir brauchen die neueste Technologie, um
weiter anbauen zu können.“
Jordanien ist [1][eines der wasserärmsten Länder der Welt]. Der
Grundwasserspiegel sinkt, weil die Regierung und Betreiber illegal gebauter
Brunnen massiv Frischwasser aus den Bodenreservoirs abgepumpt haben. Daten
der Weltbank zufolge gehen 50 Prozent des kommunalen Wassers verloren.
Eine wachsende Bevölkerung und höhere Temperaturen führen zu Wasserstress.
Das jordanische Wasserministerium geht davon aus, dass durch den
menschengemachten Klimawandel die Süßwasserressourcen bis 2040 um 15
Prozent schrumpfen. Die historischen Klimatrends seit den 1960er Jahren
zeigen, dass die jährlichen Höchsttemperaturen in Jordanien zwischen 0,3
und 1,8 Grad Celsius gestiegen sind. In Jordanien kriegt man einen Einblick
in eine [2][Zukunft, die vielen Ländern durch die Klimakrise bevorsteht].
## Kein Gemüse mehr
Besonders betroffen ist das Jordantal, die fruchtbarste Gegend in
Jordanien, die weite Teile des Landes mit Obst und Gemüse versorgt. Die
Klimakrise führt zu Dürren, Wassermangel und extremen Wetterschwankungen.
Weniger, dafür aber stärkere Regenfälle und hohe Temperaturen bedrohen den
Anbau. Durch steigende Temperaturen verdunstet Wasser in größeren Mengen,
was wiederum zu intensiveren Regenfällen führt, vor allem im Winter. Im
Sommer folgt Dürre mit extremer Hitze. Wie gehen Landwirt*innen im
Jordantal mit der Herausforderung um?
Die Fahrt zu Dayba Gazawi führt von Amman aus über den Jordan Highway. Am
Rand wachsen Büsche, Bäume und Kaktusfeigen. Der Weg verläuft parallel zum
Fluss Jordan, der zwischen dem See Genezareth und dem Toten Meer die Grenze
zwischen Israel und Jordanien markiert. Links ziehen die Berge an der
Grenze zum Westjordanland vorbei. Sie sind kahl und ockerfarben. Der
schmale Flusslauf des Jordans ist von der Straße aus nicht zu sehen. Dafür
die Ackerlandschaft: Tomatenstauden wachsen unter halbrunden
Metallgerüsten, schwarze Wasserschläuche schlängeln sich am Boden entlang,
Maispflanzen reihen sich auf den Feldern.
Ein blauer Hyundai transportiert Bananen; ein Ziegenhirt läuft mit seiner
Herde auf dem sandigen Weg neben der Straße entlang. Am Straßenrand stapeln
sich Wassermelonen, Trauben oder Aprikosen auf den Ladeflächen der Pick-ups
zum Verkauf.
In das Dorf von Gazawi, Scheich Hussein, führt eine Abzweigung zwischen
Olivenbäumen entlang eines Kanals. „Wir bewässern die Felder seit langer
Zeit mit Wasser aus dem Kanal“, erklärt die Landwirtin. Sie kauft das
Wasser von der sogenannten Jordantal-Behörde. „Die Wasserbehörde stellt
eine bestimmte Menge Wasser zur Verfügung, aber das reicht nicht aus. Was
soll ich also tun? Ich gebe das ganze Wasser an die Bäume und lasse den
Rest des Landes unbepflanzt.“
In den vergangenen zehn Jahren habe die Behörde den Anbau von bestimmtem
Gemüse wie Muluchiya, einer spinatähnlichen Pflanze, verboten, weil sie zu
viel Wasser braucht. „Früher habe ich Muluchiya, Okra und Bohnen angebaut.“
Weil die Pflanzen jeden Tag Wasser brauchen, musste die Landwirtin all ihr
Gemüse aufgeben. „Wir haben nur die Zitrusfrüchte behalten.“
Für das Land zwischen den Bäumen hat sie eine Lösung gefunden: Zwergbäume,
eine besonders kleine und schlanke Form von Obstbäumen. „Ich habe eine
große Anzahl dieser Bäume gepflanzt, weil diese Art mehr Durst verträgt als
ein normaler Baum. Sie brauchen nicht viel Platz und werden durch die Bäume
mit bewässert. Sie sind jetzt vier Jahre alt, und der Vorteil ist, dass sie
klein bleiben, aber einen hohen Ertrag haben“, erzählt Gazawi. „Letztes
Jahr habe ich Rettich gepflanzt, aber es hat nicht geklappt. Aufgrund der
extremen Wasserknappheit war der Boden steinhart. Als es regnete, dachte
ich, die guten Zeiten seien gekommen. Aber es klappte nicht, weil der
ganze Regen den Boden nicht nachhaltig befeuchtet hat.“
## Jordanwasser für Israelische Städte
Trotz heftiger Regenfälle im Winter wird das Regenwasser nicht großflächig
gesammelt. Das ergab eine Anfrage bei der Jordantal-Behörde. Nach eigenen
Angaben arbeitet die Behörde – mithilfe von Entwicklungsgeldern – daran,
„die größtmögliche Menge an Regenwasser zu nutzen“.
Das Wasser für die Farmen kommt aus sechs Stauseen für das nördliche
Jordantal und drei Stauseen für den südlichen Teil. Das Wasser, mit dem
Gazawi ihre Zitrusbäume gießt, stammt aus dem 110 Kilometer langen
König-Abdullah-Kanal, der parallel zum Ostufer des Jordan verläuft. Im Mai
verkündete der Landwirtschaftsminister Khaled Hneifat, dass in diesem Jahr
60 neue Regenwassergruben und Staudämme gebaut werden sollen. Die Stauseen
des Königreichs hätten vergangenes Jahr 3 Millionen Kubikmeter Wasser
gesammelt.
An Staudämmen gibt es aber auch Kritik. Laut Welttalsperrenkommission
bleiben global viele Projekte hinter den Erwartungen für die
Wasserversorgung zurück, verursachten hohe Kosten und schädigten die
Umwelt.
Warum nehmen die Landwirt*innen nicht einfach Wasser aus dem Jordan? Im
Jordantal betreiben Menschen seit über 10.000 Jahren Ackerbau, die
fruchtbaren Böden wurden bereits im Alten Testament erwähnt. Der
namensgebende Fluss Jordan wird im Christentum, Judentum und Islam
gleichermaßen verehrt. Weil in seinem Wasser Jesus getauft wurde, pilgern
bis heute zahlreiche Religiöse zu dem Fluss und lassen sich in ihm taufen.
In der religiösen Symbolik steht der Jordan für einen Übergang ins
Himmelreich, für geistige Wiedergeburt und Erlösung. Er ist eine Quelle
heiligen Wassers – die in Wirklichkeit schrumpft und verschmutzt. Der
Jordan ist fast ausgetrocknet und nur noch ein schmaler Flusslauf
bräunlichen Wassers. Seine Wassermenge schrumpft seit den 1960er Jahren und
beträgt weniger als zehn Prozent seines historischen Durchschnitts.
Der Fluss hat politisch eine hohe Bedeutung. Jordanien und Israel machen
sich seit Jahren Vorwürfe über geteilte Wasserresourcen, über den
Wasserstand der Flüsse, über Stauseen und Entsalzungsprojekte. Israel pumpt
jährlich 320 Millionen Kubikmeter des Jordanwassers ins Zentrum und den
Süden Israels. Die Umleitung von Flusswasser sowohl durch Israel als auch
durch Jordanien hat den Zufluss des Jordans ins Tote Meer erheblich
verringert.
Beide Seiten haben auch ein Interesse daran, die Ressource gerecht
aufzuteilen. Wasser war ein wichtiger Bestandteil des Friedensvertrags von
1994. Das Abkommen sah vor, dass Israel jährlich 50 Millionen Kubikmeter
Trinkwasser an Jordanien liefert. Auf dem UN-Klimagipfel im November 2022
vereinbarten die beiden Länder, dass Israel die Menge auf etwa 200
Millionen Kubikmeter Wasser erhöht. Das entspricht 20 Prozent des
jährlichen Bedarfs in Jordanien und der Menge, die von den fünf größten
Städten Israels zusammen verbraucht wird. Im Gegenzug wird Jordanien ein
Solarkraftwerk bauen und 600 Megawatt nach Israel exportieren.
## Entsalzung als Lösung?
„Als Landwirt entnehme ich dem Jordan kein Wasser“, sagt Walid Qeschawi mit
Nachdruck. „Israel leitet seine [3][Abwässer in den Fluss]. Das hat direkte
Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Produkte, die ich bewässern
möchte. Nun, das Wasser im Jordan ist inzwischen nicht nur vergiftet, es
ist tödlich.“
Queschawi sitzt in dunklen Jeans und blaukariertem Hemd an einem
Schreibtisch in seinem Büro in Nord-Schuna, nicht weit vom See Genezareth.
Vor ihm liegen Flyer von NGOs, die über Bewässerungsmethoden und
nachhaltigen Anbau aufklären. 2019 hat Qeschawi die Vereinigung für
nachhaltige Landwirtschaft im nördlichen Jordantal gegründet. Nach eigenen
Angaben arbeiten sie mit rund 15.000 Landwirt*innen zusammen, die
Zitrusfrüchte oder Gemüse anbauen. Insgesamt lebten in der Region 200.000
Menschen.
Vor dem Haus der Vereinigung wachsen eine Dattelpalme und ein Olivenbaum,
in dessen Schatten ein paar Setzlinge stehen. Der 56-Jährige kommt aus
einer Familie von Landwirt*innen, er selbst baut Zitronen, Orangen,
Clementinen und Mandarinen an. Der Verband arbeitet als Mittler zwischen
Landwirt*innen und der Regierung. Sie sammeln Informationen über
Bodentypen und helfen sich gegenseitig, die rentabelsten Pflanzen
anzubauen.
„Anstatt Wasser aus dem Jordan aufzubereiten, sollten wir das salzige
Wasser in unserer Gegend entsalzen“, sagt Qeschawi. „Wir benötigen eine
Entsalzungsanlage.“
„Entsalztes Wasser ist sehr teuer, und Landwirt*innen können sich das
nicht leisten“, hält Omar Salameh, Pressesprecher der Jordantal-Behörde,
dagegen. „Besonders, weil Gießwasser zurzeit stark von der Regierung
subventioniert wird.“
Jordanien hat bisher keine Entsalzungsanlage. Der Nachbar Israel hat sechs
solcher Anlagen, die Wasser aus dem Mittelmeer abschöpfen. Jordanien,
Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde wollten auch einen Kanal
bauen, um Wasser vom Roten Meer ins Tote Meer zu pumpen. Er sollte die
Länder mit Trinkwasser versorgen und hochkonzentriertes Salzwasser, das
Nebenprodukt der Entsalzung, dann ins Tote Meer leiten. 2021 verwarf
Jordanien den Plan, weil Israel kein Interesse an dem Projekt habe.
Stattdessen möchte Jordanien nun Wasser aus dem Roten Meer in Akaba
entsalzen. Die Anlage soll bis 2030 stehen, doch es mangelt an
Investor*innen.
## Skepsis gegen Klärwasser
Nach taz-Recherchen ist Jordanien eines der größten Empfängerländer von
deutschen Entwicklungsgeldern für Wasserprojekte. Mitte Juni sagte die
Weltbank ein Darlehen von umgerechnet 180 Millionen Euro und einen Zuschuss
von mehr als 45 Millionen Euro zu. Mit dem Geld soll die Klimaresilienz
gestärkt werden, das heißt: Wassernetze werden saniert und das
Dürre-Management verbessert. Die jordanische Regierung hat sich
verpflichtet, weniger Grundwasser abzupumpen.
Mithilfe von Entwicklungsgeldern wurden auch Kläranlagen gebaut, um
Abwasser zu reinigen. Das behandelte Wasser wird in natürliche Bäche oder
in Stauseen geleitet – und vermischt sich dort mit Frischwasser. Die
Jordantal-Behörde schreibt, sie erarbeite derzeit „Leitlinien für eine
umweltverträgliche und wirtschaftlich tragfähige Nutzung in der
Landwirtschaft.“
Das braucht Überzeugungskraft. „Als Sohn dieser Gegend gehöre ich zu den
schärfsten Gegnern von aufbereitetem Abwasser“, sagt Qeschawi. „Die Studien
zu diesem Wasser sagen zwar, es sei für die Landwirtschaft geeignet, aber
nur für eine begrenzte Zeit und auch nicht für andere Zwecke. Trotzdem ist
der Landwirt allen bakteriellen Infektionen ausgesetzt, die in diesem
Wasser noch enthalten sind.“ Die Landwirt*innen hätten nicht vor, das
Wasser zu verwenden, selbst wenn sie „dazu gezwungen“ würden.
Laut Salameh von der Jordantal-Behörde sind bereits 50 Prozent der
Anbauflächen von aufbereitetem Wasser abhängig, das in Stauseen mit
Süßwasser gemischt wird. Die Behörde habe den Plan, die Nutzung von
aufbereitetem Wasser auszuweiten. Auch wenn sich bereits durch Kläranlagen
gereinigtes Wasser mit Frischwasserquellen durchmischt, sind viele
Landwirt*innen um ihren Ruf bemüht. „Ich spreche nicht nur von mir.
Sondern meiner Erfahrung nach weigern sich mehr als 60 Prozent der
Landwirt*innen, aufbereitetes Wasser zu nutzen.“ Und dann spricht Qeschawi
plötzlich von Fischen, obwohl es um Wasserknappheit geht: „Wenn wir über
Fischreichtum sprechen, ist aufbereitetes Wasser außerdem nicht für Fische
geeignet, da die Fische darin sterben“, sagt er.
## Erfindergeist gegen Wassermangel
Fische in einer von Wassermangel bedrohten Gegend? Das System nennt sich
Hydroponik und ist ein Pflanzenanbau ohne Erde. Salat, Basilikum oder Kohl
ernähren sich von Nährstoffen im Wasserbecken. Dabei wird nur so viel
Wasser verbraucht, wie die Pflanze tatsächlich zum Wachsen benötigt. In der
Hydroponik werden Fische in einem Aquarium gehalten. Der Kot der Fische
bietet Nährstoffe für die Pflanzen, deshalb kann das Wasser auf die Beete
gepumpt werden. Auch Landwirtin Gazawi spricht davon. „Ich habe es
ausprobiert und ein paar Fische ins Wasserbecken getan, und es hat
funktioniert.“ Wenn sie das Geld dafür hat, möchte sie in ihrem
Wasserbecken Fische halten und mit dem Wasser dann die Bäume bewässern.
Qeschawi erzählt, in der Vereinigung gäbe es ein Hydrokulturprojekt, das
seit etwa vier Monaten läuft. „Hydroponische und intelligente
Landwirtschaft sind aber teuer. Und es ist nicht klar, wer diese Kosten
tragen wird.“ Internationale Organisationen würden einigen armen Familien
bereits helfen, intelligente Familienlandwirtschaft zu betreiben. Es
bräuchte aber Hilfe im großen Stil. „Bauen wir an, um unsere Familie zu
ernähren, oder baue ich an, damit die Gesellschaft davon essen kann?“,
fragt der Landwirt rhetorisch.
Ali Hayajneh von der Haschemitischen Universität in Zarqa tüftelt an einer
Idee, die Wasser spart und erschwinglich ist. Er kam darauf, als er seine
Mutter für eine Woche zu sich einlud. Sie wollte nicht kommen – aus Angst,
ihre Blumen könnten vertrocknen. „Das brachte mich auf die Idee, einen
Sensor zu entwickeln, den meine Mutter in die Blumentöpfe stecken und an
einen Wassertank mit Pumpe anschließen kann. Die Blumen wurden automatisch
bewässert, und sie konnte mich besuchen. Das nennen wir intelligente
Systeme.“ Hayajneh forscht nun gemeinsam mit einem Team zu Formen der
Mikrobewässerung in den jordanischen Trockengebieten. Dabei greift er auf
das Internet der Dinge und auf Drohnen zurück. Unterstützung kommt von der
Universität Leeds und der Firma Mars Robotics.
Mikrobewässerung bedeutet, dass jede Pflanze genau dort bewässert wird, wo
sie wächst. Etwas Ähnliches machen die Landwirt*innen bereits, aber sie
verwenden die Tröpfchenbewässerung. „Dabei bekommen sie keine Rückmeldung
vom Boden, also überschwemmen sie den Baum mit Wasser.“ Hayajneh und sein
Team haben zunächst einen Sensor entworfen, der neben den Pflanzen in die
Erde gesteckt wird. „Das ist ein Bodenfeuchtigkeitssensor“, sagt Hayajneh
und zeigt ein etwa handgroßes Elektronikteil an einem schwarzen
Metallrechteck mit Spitze. „Er misst die Bodenfeuchtigkeit, die
Bodentemperatur und die Luftfeuchtigkeit über dem Boden.“ Eine Drohne
fungiert dann als Daten-Gateway, zur Übertragung der Daten. Ein von
Hayajneh aufgenommenes Video zeigt die Drohne, wie sie autonom fliegt, ohne
menschliche Steuerung. Ihre Flugroute wurde programmiert. In dem Video
drehen sich die vier schlanken weißen Propeller der bauchigen,
kreuzförmigen Drohne.
Sie überfliegt die Felder mit den Bodensensoren. An denen wiederum ist ein
Solarpaneel angebracht, das aus der roten Erde herausragt. Mittig unterhalb
der Drohne ist ein Internet-of-Things-Receiver angebracht. „Die Drohne ist
mit einer Art WLAN-Router ausgestattet. Wenn der Sensor unter dem von der
Drohne getragenen WLAN liegt, können wir die Daten in die Cloud hochladen.“
Ein Sensor koste weniger als 6,50 Euro. „Deshalb können wir viele solcher
Sensoren günstig auf dem Feld einsetzen.“ Die Bodensensoren könnten auch
direkt ans WLAN angeschlossen werden. Da die Messung aber auf großen
Feldern funktionieren soll, braucht es die Drohnen, um die Daten zu
sammeln. Der Strom für die Messgeräte soll über Solarenergie aus den
Bodenpaneelen kommen.
Das Team um Hayajneh arbeitet auch an einem batterieloser Sensor. „Dieser
Sensor wird als Rückstreusensor bezeichnet. Das bedeutet, dass das
kabellose Umgebungssignal, das über Wi-Fi übertragen wird, Energie abgibt,
um den Sensor selbst zu betreiben und die Daten zu sammeln.“ Der Sensor
nutzt also die Energie, die er über eine Drohne bekommt. „Dieser Sensor ist
deshalb kostengünstig und erfordert nur minimale Wartung, da er über einen
langen Zeitraum ohne Batterien auskommt. Ich rechne mit mehr als vier
Jahren ohne Batteriewechsel.“
Mit den gewonnenen Daten kann eine Software den besten Punkt zur
Bewässerung ermitteln. „Die Software muss ein Mensch entwickeln, auf der
Grundlage der Anforderungen der Landwirt*innen. Dann entscheiden wir, was
der beste Algorithmus ist und wie der Zeitplan für die Bewässerung
aussieht.“
Bei der Mikrobewässerung werden die Pflanzen dann bewässert, wenn sie das
Wasser benötigen, und nicht mit einem überschwemmenden Bewässerungssystem,
wie es in Jordanien üblich ist. „Wir rechnen damit, bis zu 50 Prozent des
Wassers einsparen zu können, weil das meiste Wasser, mit dem wir die Bäume
gießen, aufgrund des heißen Klimas verdunstet.“
Aber wie möchte Ali Hayajneh die Landwirt*innen von seiner technischen
Idee überzeugen? „Ich bin kein Geschäftsmann, der versucht, Geld zu
verdienen. Um jemanden von einem System zu überzeugen, muss man eine
Erfolgsgeschichte zeigen. Was wir also tun, ist, dass wir das System auf
unseren eigenen Feldern umsetzen und den Landwirt*innen die
Erfolgsparameter zeigen.“
Zumindest die Zitrusfarmerin Dayba Gazawi ist Technologie und neuen Ideen
nicht abgeneigt. „Ich möchte in Zukunft einen Bauernhof mit Kühen haben.
Ich möchte dort in einem kleinen Haus leben, mit ein paar Hühnern und einem
Teich, in dem ich Fische züchten kann. Ich habe auch die Idee, Bienen zu
halten, um Zitrushonig herzustellen. Das ist mein Traum für die Zukunft.
Inshallah.“
20 Jul 2023
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## AUTOREN
Julia Neumann
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