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# taz.de -- Trulli-Baudenkmäler im Süden Italiens: Guarnieris bröckelndes Er…
> In Italiens Provinz Apulien schmücken Trulli die Landschaft. Die
> Rundhäuser sind Kulturerbe. Angelo Nicola Guarnieri ist einer ihrer
> letzten Baumeister.
Locorotondo/Apulien Wenn er auf der Baustelle ankommt, hat Angelo Nicola
Guarnieri ein inneres Bild vor sich. „Ich schließe die Augen und sehe
schon, wie alles sein wird.“ Die behauenen Kalksteine, ohne Mörtel
aufeinandergeschichtet, das Kegeldach, den Schlussstein – den ganzen
Trullo. [1][Trulli, so heißen die eigenartigen Rundbauten an der
italienischen Südspitze], die aussehen wie eine Mischung aus Steiniglu und
Hobbithaus: ein lokales Wahrzeichen und Unesco-Welterbe, eine Boomimmobilie
– und eine Bauform, die kaum jemand mehr beherrscht.
Angelo Nicola Guarnieri, 40 Jahre alt, ist maestro trullaro,
Trullibaumeister. Und er will Baumeister sein nicht nur für Stein, sondern
auch für die Zukunft eines sterbenden Handwerks. „Wirklich gute Meister
kann ich nur noch an einer Hand abzählen“, sagt er. Es ist ein großer Teil
seiner Geschichte: die Frage, warum kaum jemand mehr seine Liebe teilt und
die maestri verschwinden. „So geht alles Wissen verloren, es ergeht uns
vielleicht wie bei den ägyptischen Pyramiden. Sie stehen einfach nur noch
da.“ Es wäre sein Albtraum.
Es ist früh in der [2][süditalienischen Provinz Apulien], wo die Hitze sich
erst langsam in der Luft ankündigt. Der Himmel ist schon leuchtend blau,
das Grün der Olivenhaine ringsum vom Sommer verwaschen, und im Hintergrund
auf einem Hügel erhebt sich ganz in Weiß Guarnieris Heimatort Locorotondo.
Es ist eine Kleinstadt mit engen Gassen und Häusern mit Spitzdächern; die
meisten Trulli befinden sich auf Grundstücken außerhalb.
Bei einer Fahrt auf der Landstraße sieht man ihre kegelförmigen Dächer
vorbeiziehen. Viele sind Airbnbs oder private Ferienhäuser, andere gehören
zu Landgrundstücken in lokalem Besitz. Und in der Unesco-Welterbestadt
Alberobello dienen städtische Trulli etwa als Souvenirläden, Cafés – und es
gibt sogar eine Trullokirche.
Auch Guarnieris aktuelle Baustelle ist auf dem Land. Er steht auf dem
Baugerüst und nennt es den schönsten Arbeitsplatz der Welt. Guarnieri trägt
noch einen Pullover, den er später gegen ein T-Shirt tauschen wird,
Handschuhe und einen Sonnenhut, wichtig in der Hitze. Seine Haut ist tief
gebräunt, er mag das. Die Arbeit sei doch eine Mischung aus Fitness- und
Sonnenstudio.
Trockenbau nennt sich die alte Kunst; wer Trulli baut, muss behauenen
Kalkstein ohne Mörtel kegelförmig stapeln. Guarnieri ist dabei angespannt,
er wird es bis zum Schlussstein bleiben. „Du darfst keinen Fehler machen,
keinen Moment abwesend sein.“ Das Schwierigste wird sein, dass diese
Konstruktion wasserdicht ist. Jeder Raum hat ein eigenes Kegeldach, damit
der Trockenbau hält. So entstehen Bauten mit mehreren Kegeln wie
Zuckerhüte.
Rund ein Drittel der Trulli habe nur einen Kegel, so eine Studie der
Aldo-Moro-Universität in Bari von 2013 zur Region Murgia dei Trulli. Ein
weiteres Drittel habe drei bis vier Kegel, üblicherweise mit Räumen von je
drei bis vier Metern Durchmesser. Große, meist für den Tourismus
geschaffene Trullikomplexe können aber auch zehn Zimmer haben.
Zahlenmaterial zur Anzahl der Trulli gibt es kaum. Ältere Schätzungen gehen
von allein 50.000 in der Hauptregion aus. Neubauten gibt es kaum noch.
## Verständlich, warum sich jemand dagegen entscheidet
Sie sind zu zweit auf der Baustelle; Guarnieri, der spricht, und sein
Kollege, der schweigt. Ein alter Trullo etwa aus dem Jahr 1800 soll
restauriert werden. Guarnieri nimmt die Steinplatten entgegen und legt sie
sorgsam im Rund zum Kegeldach des Trulli. Die großen Platten außen, das
kleine Geröll in die Zwischenschicht. In der Woche zuvor hat er die Steine
mit dem Hammer behauen. Es ist eine harte, archaische Puzzlearbeit. „Ich
habe so eine große Liebe für Trulli“, sagt Angelo Nicola Guarnieri, „dass
ich jeden so baue, als wäre er für mich selbst.“ Er kann absurd romantische
Sätze mit einer Nüchternheit sagen, dass man sie glaubt. Freilich, er
selbst hat gar keinen Trullo. Aber er hätte schon gerne einen, wenn er den
richtigen fände.
Eine Knochenarbeit bei 35 Grad oder im Wintersturm, Plackerei mit Hammer am
Kalkstein fast ohne moderne Hilfsmittel, Rückenschmerzen – es ist von außen
betrachtet leichter zu verstehen, warum jemand sich dagegen entscheidet als
dafür.
Warum geht Guarnieri auf die Trullobaustelle? Erstens liebt er Stein. In
einer Kaskade von Adjektiven kann er vom Kalkstein hier im Valle d’Itria
schwärmen – „ein fester Stein, der nicht bröselt, der sehr hart ist, sich
gut bearbeiten lässt, nicht porös ist und kein Wasser aufsaugt.“ Zweitens
weil er sich gern auspowert. Gibt es Schöneres, als dafür auch noch bezahlt
zu werden? Drittens natürlich die Trulli selbst, ein sehr italienischer
Lokalstolz. Und zuletzt: „Ich mag es, ein bisschen was anderes zu tun als
das, was alle anderen machen.“
Wenige Meter neben der Baustelle führt eine Landstraße entlang, aber es ist
eine ganz eigene Welt hier oben. Als gäbe es das Drumherum nicht. Mit einer
an einer lotrechten Konstruktion gespannten Schnur prüft der Meister die
korrekte Neigung des Dachkegels.
Es gibt Motive, mit denen man eine Berufswahl begründen kann. Und es gibt
andere Gründe, die manchmal mächtiger sind. Diesen Hammer, den Angelo
Nicola Guarnieri seit 25 Jahren bei sich trägt, hat sein verstorbener
Großvater von einem Schmied für ihn anfertigen lassen. Handarbeit. Da war
Nicola 15 Jahre alt. „Diesen Hammer trage ich im Herzen, niemand sonst darf
ihn anfassen.“
Auch sein Großvater war Trullobaumeister wie in so vielen
Trullobaumeisterfamilien. Mit zehn Jahren übte Nicola in den Schulferien
zum ersten Mal mit dem Großvater, Stein zu hämmern, und verliebte sich in
das Handwerk. Er spürte den Stolz, etwas zu schaffen. Es war ein Haushalt,
wo das Schaffen wichtig war. „Wenn ich mit Rückenschmerzen zurückkam, haben
meine Eltern mich nie bemitleidet.“
## Kaum offizielle Zahlen
Mit 13 Jahren verlässt Angelo Nicola Guarnieri die Schule und beginnt im
Betrieb des Onkels die Ausbildung zum maestro trullaro. Sein Idol, der
Großvater, musste da schon wegen körperlicher Probleme aufhören. Der eigene
Vater war lieber Kommunalbeamter, der Bruder wurde Koch. „Nur ich bin so
bekloppt geworden“, sagt Guarnieri lachend. Und man kann ahnen, dass es
nicht nur darum geht, ein Handwerk in die Zukunft zu tragen, sondern auch
um das Werk einer Familie. Viele noch verbliebene Trullari lernten von
Vätern oder Großvätern, denn eine Berufsausbildung gibt es nicht.
Es mag erstaunen angesichts eines Weltkulturerbes, aber bei der Region
Apulien gibt es zum Thema Trullo kaum offizielle Zahlen. Wie viele Trulli
in Apulien existieren, wie viele davon in den letzten zehn Jahren
restauriert wurden oder wie viele maestri trullari es noch gibt? „Niemand
hat das bisher herauszufinden versucht“, schreibt eine Pressesprecherin
nach längeren Mühen.
Durchaus existieren regionale Mittel für die private Restaurierung, aber
weder ein koordiniertes staatliches Restaurationsprogramm noch eine Schule
für das Handwerk. Laut Guarnieri existieren Versuche mit Nachmittagskursen,
aber das reiche nicht. „Die Region hat noch nichts verstanden. Sie hat die
Bedeutung der Trulli und dieses Berufs nicht verstanden.“ Doch gibt es eine
hinreichende Bedeutung jenseits einer sentimentalen Erinnerung etwa der
Trullarofamilien? Warum soll eine Region Tausende Steinhütten erhalten?
„Es ist objektiv schwierig, einen ärmlichen Trullo als Monument zu
begreifen“, sagt die Historikerin Annunziata Berrino von der Universität
Neapel, die ein Buch zu den Trulli von Alberobello veröffentlicht hat. „Es
ist sicher einfacher, die Bedeutung eines Kolosseums oder Pantheons zu
verstehen. Deshalb galten die Trulli der öffentlichen Vorstellung als
pittoresker Ausdruck eines armen, entfernten, aber würdevollen
Süditaliens.“ Viele Expert:innen begreifen sie anders: als naturnahe
Kulturtechnik, die ein ganzes Ökosystem stützt.
Der älteste datierte Trullo im Valle d’Itria, wo sich auch Locorotondo
befindet, stammt von 1559. Historiker:innen wie Berrino gehen davon
aus, dass Grundformen schon in vorrömischer Zeit gebaut wurden. Durch die
dicken Steinwände halten Trulli im Sommer kühl, im Winter warm.
Vergleichbare Rundbauten ohne Mörtel gibt es im ganzen Mittelmeerraum.
In Apulien waren sie stets mit Landwirtschaft verbunden: Bauern nutzten sie
als Lagerort, als Schutzort oder später als Wohnhaus. Angesichts der
Klimakrise ist nicht nur die Wasser sparende Bauform ohne Zement und mit
lokalem Stein interessant.
Bauern integrierten Trulli in komplexe Bewässerungssysteme: „In der
Kalklandschaft versickert das Regenwasser sofort, deshalb ist es wichtig,
es aufzufangen“, sagt der Architekturprofessor Calogero Montalbano von der
Politecnico di Bari, der auf traditionelle Bautechniken des Mittelmeerraums
spezialisiert ist. Netze aus Kanälen auf den Trullogrundstücken
transportierten das Regenwasser in Zisternen am oder unter dem Trullo. Eine
Technik, die im Zuge des Vordringens der Wüste immer bedeutender werde.
„Deshalb wäre es extrem wichtig, die Kanalnetzwerke auf Trullogrundstücken
zu restaurieren.“ Trulli, betont er, würden unterschätzt. „Der Trullo ist
die Zelle, die Landschaft der Organismus.“
## Trulli waren lange Zeit ein Armutssymbol
Bis in die 90er Jahre wurde das kaum verstanden. „Bis vor einigen
Jahrzehnten galten Trulli hier als Armutssymbol. Bis ins 19. Jahrhundert
war die Landwirtschaft ans Feudalsystem gefesselt und assoziiert mit
Elend.“ Das bleibe in der Mentalität der älteren Generation. „Für sie wa…
Trulli eine ökonomische, keine kulturelle Erfahrung“ – anders als in der
romantisierten Außenperspektive der Norditaliener:innen und
Ausländer:innen, die die „niedlichen“ Bauten jetzt massenweise kaufen.
Seit der enormen Wertsteigerung gebe es eine andere Barriere, sagt
Montalbano. „Es gibt nur noch wenige Menschen von vor Ort, die sich Trulli
leisten können. Viele Immobilienagenturen kaufen sie, restaurieren sie und
vermieten sie etwa bei Airbnb. Das kurbelt die Tourismuswirtschaft an, aber
lokale Identität könnte verloren gehen.“ Viele Rentner:innen wollen ihre
Trullogrundstücke loswerden; die Kinder und Enkel sind weggezogen und
möchten sie nicht.
Das ist das Setting für das Schwinden der maestri trullari. Auch Calogero
Montalbano sieht es mit Sorge. „Es besteht das Risiko, diesen
außergewöhnlichen Beruf völlig zu verlieren.“ Er schätzt die verbliebenen
lokalen Meister in ganz Apulien auf 20 Personen. Sie seien fast alle sehr
alt, der Beruf sehr hart und komplex. Nachfrage gibt es durch den Boom
eigentlich mehr als genug. Oft werde sie durch Arbeitskräfte vom Balkan
bedient, die Erfahrung mit Trockenbau, aber nicht mit den lokalen
Besonderheiten haben. Auch sorgt Montalbano das Vorgehen vieler privater
Investor:innen, die eine oft glamourösere Neuinterpretation der Trulli
erschaffen ließen, aber sich nicht um die Restauration der Landschaft
scherten. „Ein touristischer Boom neigt dazu, Architektur zu bewahren, aber
Landschaft zu verändern.“
Montalbano wünscht sich eine Vision für den Schutz des gesamten Organismus.
„Wer einen Trullo kauft, sollte verpflichtet sein, die zugehörige
Kulturlandschaft etwa mit dem Kanalsystem zu restaurieren und dabei einen
öffentlichen Plan einhalten. Die Gelder könnten aus einer
Infrastruktursteuer für Käufer:innen und europäischen oder staatlichen
Fördermitteln kommen.“ Schon jetzt gebe es einen Landschaftsplan, aber es
fehle an Praxisprojekten. Und die Vorgaben für Trullobesitzer:innen
beständen vorwiegend aus Verboten, nicht aus Anreizen. „Wir brauchen einen
neuen Trainingsplan für Handwerksberufe.“ So könne der Job des Trullaro
eine bedeutende Ressource für Arbeit werden. Aber will ihn jemand?
Angelo Nicola Guarnieri kippt eine halb volle Wasserflasche über dem
Kegeldach aus. Rasch fließt das Wasser am Gestein hinab. „Siehst du?“ Das
Dach ist dicht. Sichtlich macht es ihm Spaß zu erklären. Schon lange hat er
den Traum, das für Jugendliche zu tun: in einer Schule für Trullari. „Ich
denke an eine weiterführende Schule, vielleicht von 14 bis 18 Jahren, wo
man von allem lernt, auch Italienisch, Fremdsprachen. Und ich würde
vielleicht zwei Stunden am Tag Praxisunterricht über Trulli geben.“ So
könne er auch weiter auf Baustellen sein.
Immer mal wieder wirbt Guarnieri in lokalen Zeitungen für seinen Plan, doch
der Erfolg bleibt überschaubar. „Ich kann die Idee zur Verfügung stellen.
Aber dann muss man sich mit Lokalpolitikern treffen, diese Prozesse kapiere
ich nicht. Es braucht einen Plan auf nationaler Ebene, Kommunikation mit
Schulen, Lehrkräfte. Ich bleibe bei der Idee hängen.“
Guarnieri weiß, dass Gesellschaft anders funktioniert als in seiner Jugend,
wo man mal eben mit 13 Jahren von der Schule ging, um Trulli zu bauen. „Die
Jungs von heute gehen alle bis zum Alter von 23 Jahren an die Uni“, klagt
er. „Danach haben sie keine Lust mehr, auf eine Baustelle zu gehen und sich
den Rücken kaputt zu machen. Die Eltern wollen saubere Jobs für ihre
Söhne.“ Es ist eine Frage des Bildungssystems, gesellschaftlicher
Wertschätzung, eines höheren Bewusstseins für Gesundheit und auch eine
Mentalitätsfrage. Junge Süditaliener, die lieber an der Supermarktkasse
sitzen oder in Nordeuropa kellnern? Dafür hat er wenig Verständnis.
Guarnieri also sieht Investor:innen anders: als Verbündete. „Die Leute
von außerhalb verstehen die Bedeutung der Trulli besser.“
## Trullo mit Schwimmingpool und Helikopterlandeplatz
Der schönste Trullikomplex, den Guarnieri jemals baute, war eine
Tourismusanlage, finanziert von einem Norditaliener, mit Swimmingpool und
Helikopterlandeplatz. Vermutlich nicht sehr ökologisch, aber die
Kreativität gefiel ihm. „Das hatte meine Handschrift.“
Wo der Staat kaum handelt, rettet Airbnb vor dem Verfall. Ryanair brachte
neue Käufer:innen her. „Ab den späten 90ern kamen vor allem Briten mit
Billigfliegern“, erzählt der Immobilienmakler Giovanni Fasano, der auf
Trulli spezialisiert ist. „Die Landschaft ist in ziemlich gutem Zustand,
ohne Hochhäuser und Fabriken. Viele Trulli sind verlassen und günstig,
anfangs konnte man sie für 20.000 Euro kaufen und dann für nochmal 20.000
Euro restaurieren lassen.“
Heute, erzählt Fasano, koste ein vergleichbarer nichtrestaurierter Trullo
rund doppelt so viel. Für restaurierte Trulli hingegen habe der Preis sich
vervielfacht. Je nach Lage und Ausstattung zahle man 100.000 bis 150.000
Euro. Mit dem Boom habe sich die Kundschaft erweitert, aber immer noch sei
der Markt zu 50 Prozent britisch. So sehr ist der Landstrich von
wohlhabenden Brit:innen gentrifiziert, dass er im Volksmund „Trullishire“
heißt.
Es ist ein heißer Spätnachmittag in der Nähe von Cisternino, einem
pittoresken Ort im Valle d’Itria. Andrea Madama sitzt am Terrassentisch
eines gepflegten Anwesens, das auf einem Hügel über dem Tal liegt. Seinen
Garten zieren leuchtend bunte Blumen, grüner Rasen, Liegestühle. Und in der
Mitte steht der Trullo Aurora, ein restaurierter Bau von 1800, der jetzt
eine Ferienwohnung ist. Das hier ist Spitzenlage.
Madama, in der Baubranche tätig, ist einer von jenen Privatleuten, die
einen Trullo gekauft und restauriert haben. Umgesetzt wurde die
Restauration von Angelo Nicola Guarnieri. Madama ist weit entfernt vom
Klischee des Immobilienhais: ein gemütlicher, warmherziger Typ mit pinker
Cap und Selfmade-Attitüde, der gern über Bürokratie schimpft. Er stammt aus
dem italienischen Süden, und er liebt die Bauten fast so wie Guarnieri:
„Trulli haben mich immer fasziniert.“
Mit seiner Familie wohnt er direkt nebenan. Auch das umliegende Land
bestellt Madama. Die Familie stellt ihr eigenes Olivenöl her, und lange
hatte sie einen Gemüsegarten, den sie erst vor zwei Jahren im Zuge der
Klimaerhitzung aufgab. „Oft sitze ich morgens hier am Tisch, trinke einen
Kaffee und schaue ins Grüne“, sagt Madama. „Manche Leute fühlen sich auf
dem Land isoliert vom Rest der Welt. Aber uns gefällt diese Isolation, sie
macht uns glücklich.“ Madama hat ein historisches Erbe gerettet, wieder
nutzbar gemacht und kümmert sich liebevoll. Es ist kompliziert mit der
Privatisierung der Restauration.
Aber wie viele Investoren verstehen die Bedeutung? Und wenn Ferienwohnungen
statt Museen entstehen, wer besichtigt einen Bau, wer wird Trullaro?
Guarnieri stapelt immer noch Steine aufs Kegeldach. Die meisten Leute aus
Apulien, sagt er, seien nie auf einer Trullobaustelle gewesen. Guarnieri
denkt oft an diese Schule. Und manchmal an seinen fünfjährigen Sohn. „Er
sagt, wenn er groß ist, will er auch Trulli bauen. Ich messe dem noch nicht
so viel Bedeutung zu. Aber wenn wir an einem Trullo vorbeikommen, sagt er
immer: Schau mal, Papa, ein Trullo! Hast du den gebaut? Alle Häuser, die er
malt, sind Trulli. Also vielleicht …“, setzt Guarnieri an und lächelt.
„Hoffen wir mal.“
24 Aug 2023
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Trullo
[2] /Ankommen-in-Apulien/!5891844
## AUTOREN
Alina Schwermer
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