| # taz.de -- Krawall in Berliner Freibädern: Das Columbiabad erhitzt die Gemüt… | |
| > Noch immer ist das Freibad in Neukölln nach Randalen wegen hohen | |
| > Krankenstandes bei den Beschäftigten geschlossen. Grüne fordern | |
| > Hausverbot für Wiederholungstäter. | |
| Bild: Eingang des Columbiabades in Neukölln. Wegen hohen Krankenstandes der Be… | |
| Berlin taz | Das Thermometer zeigt 27 Grad, die Sommerferien haben begonnen | |
| – [1][das Columbiabad in Neukölln ist aber weiter geschlossen]. Man bemühe | |
| sich, „schnellstmöglich wieder aufzumachen“, sagte eine Sprecherin der | |
| Bäder-Betriebe am Mittwoch der taz. Denkbar sei aber, dass das Bad die | |
| ganze Woche zu bleibe. | |
| Auf einem Schild am vergitterten Eingang und auf der Website der | |
| Bäder-Betriebe werden „betriebliche Gründe“ genannt. Ein hoher Krankensta… | |
| der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist der wahre Grund. Wie erst jetzt | |
| bekannt wurde, hat die Belegschaft schon Mitte Juni einen Brandbrief an die | |
| Chefetage der Bäder-Betriebe geschrieben und auf untragbare Zustände in dem | |
| Bad hingewiesen. | |
| Zum wiederholten Mal war das Columbiabad am Sonntagnachmittag frühzeitig | |
| geschlossen und geräumt worden. Vorangegangen sei eine Auseinandersetzung | |
| von Jugendlichen mit Beschäftigten und Mitarbeitern des | |
| Sicherheitsdienstes, hieß es. Nach solchen Vorfällen steige die | |
| Krankenquote stark an, hatte der Chef der Bäderbetriebe Johannes Kleinsorg | |
| erklärt. Die Menge der Vorfälle in den Bädern sei eine extreme Belastung | |
| für das „sehr engagierte Personal“ und auf Dauer nicht tragbar. | |
| ## Rutschen und Sprungtürme zu | |
| Schon am 21. Juni hatten in Neukölln rund 50 Jugendliche die Rutsche | |
| gestürmt und damit einen Polizeieinsatz ausgelöst, der die Räumung des | |
| Bades zur Folge hatte. Im Sommerbad Pankow kam es zu ähnlichen Vorfällen. | |
| Als Reaktion darauf sind seither in beiden Freibädern die Großrutschen und | |
| Sprungtürme geschlossen. | |
| In dem Brandbrief, aus dem der Tagesspiegel am Mittwoch zitierte, ist von | |
| einem „untragbaren Ausmaß der Umstände“ die Rede. Mitarbeitern, Frauen, | |
| Minderheiten, besonders trans und queeren Menschen werde immer häufiger | |
| Gewalt angedroht. Verbale Attacken, Pöbeleien und Spucken seien üblich. | |
| Meist seien es laut Personal Jugendliche aus arabischen Familien, teils | |
| auch Tschetschenen, die sich von Bademeistern nichts sagen ließen, die „als | |
| Mob“ aufträten. | |
| Dass das Personal selbst divers sei, ändere daran nichts. Einem Mädchen sei | |
| auf der Rutsche das Oberteil runtergerissen, ein Mitarbeiter in den Rücken | |
| getreten worden. Die Badeeinrichtung werde demoliert. Die Belegschaft | |
| spricht in dem Brandbrief von einer „eklatanten Unterbesetzung des | |
| Personals“. Gefordert werden unter anderem eine ständige Polizeipräsenz, | |
| Onlinetickets und namentlicher Einlass. | |
| Die Polizei reagierte am Mittwoch, in dem sie vor dem wenige Kilometer vom | |
| Columbiabad entfernten Prinzenbad in Kreuzberg eine Mobile Wache | |
| stationierte. Im Prinzenbad, das als Familienbad gilt, ist seit Beginn der | |
| Hitzeperiode viel los. Am Sonntag war der Andrang so groß, dass die Kasse | |
| zeitweise geschlossen werden musste. Probleme wie im Columbiabad gibt es in | |
| dem Kreuzberger Multikultibad schon lange nicht mehr. Jugendliche, die | |
| früher Stress gemacht hätten, seien inzwischen selbst Familienväter und | |
| griffen bei Konflikten ein, brachte [2][es Matthias Kutscha, Betreiber der | |
| Cafeteria einmal in einem taz-Interview] auf den Punkt. | |
| Als Reaktion auf den Brandbrief seien für die Bäder-Teams Workshops mit | |
| Experten für Krisenintervention organisiert und Mitarbeitenden individuelle | |
| psychologische Betreuung angeboten worden, teilten die Bäder-Betriebe mit. | |
| Unabhängig davon seien von Saisonbeginn an Budget und die Anzahl der | |
| Sicherheitskräfte deutlich erhöht, Expresseingänge eingerichtet und die | |
| Kooperation mit der Polizei verstärkt worden. | |
| Für ein Problem ist dem Vernehmen nach aber keine Lösung in Sicht: Wie | |
| andere Betriebe in der Stadt leiden die Bäder-Betriebe unter einem massiven | |
| Arbeitskräftemangel, auch der Zeitarbeitsmarkt sei leer gefegt, heißt es. | |
| ## Debatte im Netz | |
| Unter dem Hashtag Columbiabad ist im Internet unterdessen eine Debatte über | |
| den Brandbrief und die Medienberichterstattung ausgebrochen. Wie [3][in der | |
| Silvesternach]t handele es sich um eine rassistische Debatte, schreibt der | |
| Linkenpolitiker Ferat Kocak. Das Problem seien nicht Jugendliche mit | |
| Migrationsgeschichte, sondern fehlender Zugang zu Bildung, Arbeit und | |
| gesellschaftlicher Teilhabe. Menschen in Schwimmbädern anzugreifen sei | |
| „nicht richtig“, sagte Kocak auf Nachfrage, das seien aber „Symptome für | |
| eine fehlgeleitete Politik“. | |
| Auf Twitter häufen sich rassistische Aussagen. Abwechselnde Badetage für | |
| die „Integrierten“ und die „nicht Integrierten“ werden da vorgeschlagen. | |
| Eine Nutzerin fragt: „Was für eine Freibadkultur? In vielen Städten sind | |
| Deutsche längst daraus vertrieben worden.“ Andere schreiben, dass | |
| Bademeister nun eine Nahkampfausbildung und Fremdsprachenkenntnisse | |
| benötigen. | |
| Auffällig ist, dass auf den Profilen, die sich auf Twitter am lautesten | |
| über die migrantisch gelesenen Täter aufregen, häufig auch transfeindliche | |
| Inhalte zu finden sind. | |
| Die Grünenfraktion forderte am Mittwoch ein Hausverbot für gewalttätige | |
| Mehrfachtäter in allen Schwimmbädern. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) | |
| erklärte, die Bäder stünden in der Pflicht, ihre Verantwortung für die | |
| Sicherheit wahrzunehmen. Eine Arbeitsgruppe der Senatsverwaltung solle aber | |
| bisherige Maßnahmen zur Gewaltprävention überprüfen. | |
| Auch der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz mischte sich ein: „Hier wird | |
| an einer höheren Polizeipräsenz in den Freibädern nichts vorbeiführen.“ | |
| Womit die Bäderkrawalle, wie schon die Silvesterkrawalle, wieder auf der | |
| Bundesebene angekommen sind. | |
| 12 Jul 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Plutonia Plarre | |
| Kajo Roscher | |
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