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# taz.de -- Biologin über Renaturierung: „Gefährden nicht die Versorgung“
> Für die Trockenlegung von Mooren gab es gute Gründe, sagt Ökologin
> Franziska Tanneberger. Sie erklärt, warum eine Vernässung trotzdem
> richtig ist.
Bild: Hier wachsen Schilf und Sauergräser: Moor im Emsland
taz: Frau Tanneberger, was bedeutet das Renaturierungsgesetz für den
Moorschutz in Deutschland?
Franziska Tanneberger: Darin werden Ziele für den Schutz von Klima und
Biodiversität konkret auf die Fläche übertragen, auf die wir uns längst
geeinigt haben. Darum wird darüber auch so sehr gestritten; es wird immer
kritisch, wenn es um konkrete Flächen und Eigentümer*innen geht, die
Angst haben, dass ihre Flächen an Wert verlieren, dass sie sie nicht mehr
an ihre Kinder weitergeben können.
Und wenn es abgelehnt wird?
Wir würden erneut ein Problem nach hinten schieben, das wir jetzt angehen
müssen. Wir erleben schon täglich die Folgen der Klimakrise, das
Zeitfenster für gute Lösungen verkleinert sich. Wenn wir das Thema
Revitalisierung von Ökosystemen nicht angehen, wird es bald wiederkommen.
In Deutschland haben wir schon viele Naturschutzflächen, FFH-,
Vogelschutz-, Wasserschutzgebiete. Sie schützen aber nicht effektiv. Was
würde das Renaturierungsgesetz ändern?
Für vieles sind die Bundesländer zuständig. Die großen Moorgebiete liegen
im Norden und in Bayern, und zumindest in den Koalitionsverträgen der
Regierungen der Nordländer stehen schon jetzt ambitionierte Ziele zur
Treibhausgasminderung und zum Biodiversitätsschutz. Wir haben uns nur noch
nicht daran gewöhnt, von hinten zu denken. Was bedeutet ein Ziel, das wir
im Jahr 2040 erreichen wollen, für unser Handeln jetzt? Dahin müssen wir
kommen, und dafür setzt das Nature Restoration Law einen Rahmen.
In der EU gibt es 350.000 Quadratkilometer Moorböden, über 50 Prozent sind
entwässert und werden landwirtschaftlich genutzt. Wie muss man sich das
vorstellen – würde das alles Sumpfland, wenn das Renaturierungsgesetz käme?
Nein, natürlich nicht, es würde sich in diesen Gegenden nicht von heute auf
morgen alles ändern. Betriebe, die auf entwässerten Moorböden wirtschaften,
können auch auf wiedervernässten Böden weiter Landwirtschaft betreiben.
Dafür gibt es längst Konzepte. Wir müssen sie so umsetzen, dass sie für die
Betriebe ökonomisch sinnvoll sind, und wir müssen sie sozial abfedern.
Was kann man denn in nassen Mooren anbauen?
[1][Auf Moorflächen] lässt sich beispielsweise Paludikultur betreiben.
Dabei wird mit Wasserständen in Bodenhöhe gearbeitet, im Sommer auch mal
bis zu 30 Zentimeter unter dem Boden. Da kann man drüber laufen! Dort
wachsen aber andere Pflanzen als Futtergräser oder Mais, etwa Schilf und
Sauergräser, die als Baumaterialien eingesetzt werden können. Bislang
importieren wir 85 Prozent von dem Schilf, mit dem wir im Norden unsere
Reetdächer decken, aus Ländern wie China. Das können wir doch auch selbst
anbauen. Wir dürfen die Bauern und Bäuerinnen damit nur nicht alleine
lassen. Wir müssen Klima-, Biodiversitätsschutz und Wertschöpfung
zusammendenken, das heißt, wir müssen Abnahme für entsprechende Produkte
schaffen, und wir müssen die Förderung im Rahmen der gemeinsamen
Agrarpolitik verändern. Wer Moore nachhaltig bewirtschaftet, verdient mehr
Förderung.
[2][Die Konservativen im Europaparlament] und die Bauernverbände fürchten
um die Ernährungssicherheit, wenn wir das umsetzen …
Das halte ich für falsch, weil zum einen Moorböden nur 3 Prozent der
landwirtschaftlichen Nutzflächen in Europa ausmachen. Wir gefährden nicht
die Versorgung, wenn wir die wieder vernässen. Unsere sichere Ernährung
wird viel stärker durch die Degradierung von Flächen durch Entwässerung
gefährdet, durch Erosion, durch Überflutungen, durch den Verlust von
Bestäuberinsekten. Außerdem bauen wir in Europa viel zu viele
Nahrungsmittel an, von denen wir derzeit rund ein Drittel wegwerfen. Und
wir konsumieren ungesund viel Fleisch. Wenn wir das ändern, also unsere
Flächen effizienter einsetzen, sind die Vorgaben dieses Gesetzes kein
Problem.
Geht es am Ende gar nicht um Prozentzahlen? Die Landwirte sind stolz auf
die Trockenlegung von Mooren als riesige Leistung der Landgewinnung und
fühlen sich nicht anerkannt. Ist das ein Kulturkampf zwischen Stadt und
Land?
Ich habe einen großen Respekt vor der Leistung von Landwirten und
denjenigen, die die Moore entwässert haben. Niemand hat wissentlich unsere
Lebensgrundlagen zerstört – sie sollten verbessert werden. Und wir brauchen
die Landwirte, wenn wir etwas verbessern wollen, sie wissen sehr gut, wie
man Wasser vor Ort managt. Wir müssen unsere Kraft auf die Umsetzung
konzentrieren. Es läuft schon jetzt dort gut, wo sich Menschen vor Ort
zusammen kümmern, Moormanager da sind. Die dürfen aber nicht nach zwei
Jahren wieder weg sein.
12 Jul 2023
## LINKS
[1] /Moore-gegen-den-Klimawandel/!5934141
[2] /EU-Renaturierungsgesetz/!5943605
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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