| # taz.de -- Filmtipps für Berlin: Lauf über Hürden | |
| > Diese Woche: Ein Künstler, der seinen kindlichen Blick bewahrt, ein | |
| > Spielplatz auf Trümmern und ein Coming of Age-Klassiker aus | |
| > psychologischer Sicht. | |
| Bild: Denkt an der Seite von Windmühlen: der Künstler Susumu Shingu in „Bre… | |
| Bekannt geworden ist der Regisseur und Kameramann Thomas Riedelsheimer bei | |
| uns vor allem mit seinen Dokumentationen über Künstler, die ihre Werke in | |
| eine Beziehung zur Natur setzen – wie etwa der großartige Andy Goldsworthy | |
| mit seiner filigranen Land-Art („Rivers and Tides“). Mit „Breathing Earth… | |
| Susumu Shingus Traum“ (2012) schrieb Riedelsheimer diese Art von | |
| Dokumentation fort und porträtiert darin den japanischen Künstler Susumu | |
| Shingu, der faszinierende kinetische Skulpturen schafft, die in der Regel | |
| durch Wind und/oder Wasser angetrieben werden. | |
| Insbesondere begeistert sich Shingu für den Wind, egal, ob es dabei um | |
| Drachenbau für Kinder geht oder um ein geplantes ökologisches Musterdorf | |
| mit von ihm selbst konstruierten neuartigen Windmühlen, welche die | |
| notwendige Energie liefern sollen. Riedelsheimer folgt dem Künstler auf der | |
| Suche nach einem geeigneten Standort quer durch die Welt und fängt dabei | |
| die Lebensphilosophie Shingus ein, der gern Ideen für kommende Generationen | |
| anstoßen und sich vor allem einen kindlich-offenen Blick bewahren möchte. | |
| Wie sagt der Architekt Renzo Piano im Film anlässlich einer | |
| Shingu-Ausstellung so schön: „Er ist ein Kind, das sieben mal zehn Jahre | |
| alt ist.“ (22.6.-24.6., 18 Uhr, 25.6.-28.6., 20.30 Uhr, [1][Bali Kino]). | |
| Zweifellos recht ungewöhnlich ist es, den Stoff eines in den frühen 1950er | |
| Jahren entstandenen Films geschlagene 70 Jahre später noch einmal für ein | |
| Remake zu verwenden und ihn dabei von einem Kulturkreis in einen anderen zu | |
| verlegen. Der britisch-japanische Schriftsteller und Nobelpreisträger Kazuo | |
| Ishiguro hat sich als Drehbuchautor das humanistische Filmdrama „Einmal | |
| wirklich leben“ („Ikiru“, 1952) des japanischen Regisseurs Akira Kurosawa | |
| vorgenommen und erzählt in „Living – Einmal wirklich leben“ (R: Oliver | |
| Hermanus) nunmehr die Geschichte des städtischen Beamten Mr. Williams, der | |
| im Großbritannien der Nachkriegszeit als superkorrekter Abteilungsleiter | |
| einer Behörde arbeitet. | |
| ## In der Mitte der Geschichte | |
| Dort werden die Bürger:innen meist in absurden Hürdenläufen von einer | |
| angeblich nicht zuständigen Abteilung zur nächsten geschickt, ehe ihre | |
| Eingaben auf Papierstapeln landen, die niemand je abarbeitet. Doch das | |
| ändert sich, als Mr. Williams eine Krebsdiagnose bekommt und seine | |
| verbleibende Lebenszeit irgendwie anders verbringen will. Nachdem sein | |
| Versuch, sich mit Wein, Weib und Gesang zu betäuben, nicht so richtig | |
| greift, beschließt er, wirklich etwas zu bewegen und in seiner Behörde | |
| einen Antrag zur Errichtung eines Spielplatzes auf einem Trümmergrundstück | |
| engagiert durchzuboxen. | |
| Neben dem brillanten Charakterschauspieler Bill Nighy in der Hauptrolle | |
| überzeugt dabei auch die aus dem Kurosawa-Film übernommene ungewöhnliche | |
| Dramaturgie, die den Helden in der Mitte der Geschichte versterben lässt, | |
| um ihn anschließend in den Erinnerungen der Kolleg:innen und Verwandten | |
| aus unterschiedlichen Perspektiven wieder „aufleben“ zu lassen (22.6., 21 | |
| Uhr, 23.6., 18 Uhr, 25.6., 19 Uhr, 28.6., 19.45 Uhr, [2][City Kino | |
| Wedding], 24.6., 16 Uhr, 25.6., 19.45 Uhr, 26.6., 17.30 Uhr, [3][Sputnik | |
| Kino]). | |
| Schaut man sich die Geburtsdaten der Schauspieler:innen Anne Bancroft, | |
| Dustin Hoffman und Katharine Ross an, stellt man fest: So weit liegen die | |
| gar nicht auseinander. Mrs. Robinson (Bancroft) hätte ihre Tochter Elaine | |
| (Ross) schon im zarten Alter von zehn Jahren bekommen müssen und der | |
| Student Ben (Hoffman), dem es so schwerfällt, sich zwischen Frauen zu | |
| entscheiden, liegt altersmäßig gerade mal zwischen den beiden. | |
| Aber egal: „Die Reifeprüfung“ („The Graduate“, 1967) ist ein ebenso | |
| witziger wie dramatischer Filmklassiker, der in der Bundesplatz-Filmreihe | |
| „Psyche und Film“ zum Anlass genommen wird, um über Coming of Age, das | |
| Erwachsenwerden, zu sprechen. Zu Gast sind die Psychotherapeutin Edith | |
| Rosin und der Filmemacher und Psychologe Donat Keusch (27.6., 20.30 Uhr, | |
| [4][Bundesplatz Kino]). | |
| 22 Jun 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.balikino-berlin.de/ | |
| [2] https://citykinowedding.de/ | |
| [3] https://www.sputnik-kino.com/program/featured | |
| [4] http://www.bundesplatz-kino.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Lars Penning | |
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