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# taz.de -- 50.000 Obdachlose in Los Angeles: Armselige Skyline
> In der US-Metropole Los Angeles leben etwa 50.000 Menschen auf der
> Straße. Bürgermeisterin Karen Bass will das ändern. Wie kann das
> gelingen?
Los Angeles taz | An einem lauen Morgen im Juni ist es noch ruhig auf der
San Pedro Street in Los Angeles. An einer Ecke frühstücken ein paar Leute
aus Styroporbehältern, etwas weiter fegt jemand den Bürgersteig. Andere
sitzen sind in Decken gehüllt am Straßenrand, ihnen ist die Kühle der
vorherigen Nacht noch anzusehen. „Skid Row“ heißt dieser Abschnitt der
Stadt, der um einem mittlerweile stillgelegten Bahnhof entstanden ist. Rund
5.000 Menschen leben hier auf der Straße, in Autos oder Zelten. Andere
wohnen vorübergehend in den Räumlichkeiten der hier ansässigen sozialen
Einrichtungen. Diese gibt es zum Teil schon seit über 100 Jahren, so lange
ist die Skid Row von Los Angeles schon ein Wohnort für all jene, die sonst
kein Zuhause haben. Und die so schnell auch keins finden werden.
Der Name Skid Row bezeichnet ein Gebiet von 50 Wohnblocks inmitten der
Innenstadt von Los Angeles. Es ist ein Ort, der wohl wie kein anderer
zeigt, was Armut in den USA bedeutet. Seit Jahrzehnten ist das Stadtbild
des Industrieviertels geprägt von Menschen, die auf der Straße leben,
während im Hintergrund moderne Hochhäuser in der kalifornischen Sonne
schimmern. Die Gegend ist eine Ansammlung trauriger Superlative.
Laut einer im Jahr 2020 veröffentlichten Studie sind die drei
gefährlichsten Nachbarschaften der USA auf der Skid Row zu finden.
Krankheiten grassieren durch den mangelnden Zugang zu Wasser. Im Jahr 2017
brach in der Gegend eine Hepatitis-Epidemie aus, die auch in andere
Stadtteile überschwappte. Eine längere Dürrezeit hatte zu einer Anhäufung
von menschlichen Fäkalien auf den Bürgersteigen geführt, der lang erwartete
Regen spülte sie in die Kanalisation. 2.201 Wohnungslose sind allein im
Jahr 2021 in Los Angeles gestorben, fast jedes vierte Mordopfer ist eine
Person ohne festen Wohnsitz.
Entgegen ihres anarchischen Rufes ist es auf der Skid Row weder besonders
laut noch sehr viel schmutziger als in anderen Abschnitten der Innenstadt.
Neben den vielen Wohnungslosen, die auf der Straße unterwegs sind, trifft
man hier auch auf Streetworker verschiedener Organisationen, die Essen
verteilen oder rudimentäre Gesundheitsversorgung anbieten und so staatliche
Versorgungslücken schließen.
Während viele in der Autostadt Los Angeles fast alle Wege mit ihrem
Fahrzeug zurücklegen, sind auf der Skid Row die meisten Menschen zu Fuß
oder mit dem Fahrrad unterwegs. Zwischen den gut befestigten Zelten, die
vielerorts mit blauen Bauplanen verstärkt sind, schneiden sich Leute
gegenseitig die Haare, lesen oder sitzen auf Klappstühlen und unterhalten
sich. „Guten Morgen, wie geht’s?“ werden Besucher gefragt, die sich auf d…
Bürgersteig einen Weg zwischen den Zelten bahnen.
Auch Brittany Robbins gehört zu den Menschen, die in und um die Skid Row
ohne festen Wohnsitz leben. Die junge Frau mit dem strahlenden Lächeln
sitzt auf einem kleinen Plastikhocker an einem Imbiss und erzählt von ihrem
Alltag. „Ich wohne gleich da hinten im Weingart,“ sagt sie. Das ist eine
der großen Herbergen, die Wohnungslosen auf der Skid Row Übergangszimmer,
Essen und Duschen zur Verfügung stellen. „Ich mag es da, die Angestellten
sind nett.“
Robbins erzählt ein wenig aus ihrem Leben, ihrer Zeit beim amerikanischen
Militär, und, dass sie bereits in 49 der 51 Bundesstaaten war. Für den
Stress der Streetworker und Stadtangestellten, mit denen sie zu tun hat,
zeigt sie Verständnis. „Ich habe selber soziale Arbeit studiert, ich kenne
also beide Seiten ein bisschen.“ Vom Elend der Skid Row ist Robbins nichts
anzusehen, sie trägt saubere Kleidung und scheint unbeirrt vom Treiben um
sie herum.
Gefragt, ob sie sich Sorgen um ihre Sicherheit auf der Skid Row mache,
schüttelt sie energisch den Kopf. „Ich vertraue auf meinen
Menschenverstand,“ sagt sie. „Wenn ich mich in einer Situation unwohl
fühle, dann versuche ich einfach auf mein Bauchgefühl zu hören.“ Für
Robbins ist zudem der christliche Glaube ein wichtiger Anker. „Ich glaube,
ich werde durch Gott beschützt,“ sagt sie. „Mein Leben gehört mir sowieso
nicht, und das gibt mir Kraft und nimmt mir ein wenig von der Angst.“ Bevor
sie nach Los Angeles kam, war Robbins länger in Austin, Texas. Die
Einrichtung, in der sie dort gelebt hat, habe ihr überhaupt nicht gefallen.
Während ihrer Zeit hat sie mehrere Schießereien sowie einen Mord miterlebt,
direkt vor ihrem Fenster. Durch ein Fernstudium bei der
christilch-konservativen Liberty University macht Robbins nun ihren Master,
größtenteils über ihr Handy und den Computerraum der nahegelegenen
Stadtbücherei. „Ich versuche gerade, mit dem Wohnungsamt
zusammenzuarbeiten, um hoffentlich eine längerfristige Lösung zu finden“,
sagt sie lächelnd. Sie könnte sich vorstellen, später einmal ins Ausland zu
gehen, um dort Englisch zu unterrichten, aber das sei alles noch nicht
entschieden.
In Kalifornien, dem wirtschaftlich stärksten Bundesstaat der USA, ist die
Wohnungslosigkeit besonders hoch. Rund 115.000 Menschen haben hier keine
feste Bleibe, fast jeder dritte Mensch ohne Wohnsitz lebt in dem großen
Staat am Pazifik. Das hängt auch mit den immensen Lebenskosten zusammen,
eine Einraumwohnung in Los Angeles kostet rund 2.000 US Dollar Miete im
Monat. Eine, die sich diesem schwierigen Thema annehmen will, ist Karen
Bass. Sie wurde im letzten November zur Bürgermeisterin von Los Angeles
gewählt.
Mit dem Versprechen, durch umfangreiche Investitionen die grassierende
Wohnungslosigkeit in der Stadt zu bekämpfen, hat sie Wahlkampf gemacht. 1,3
Milliarden Dollar sollen in den nächsten Jahren fließen, um temporären und
festen Wohnraum zu schaffen. Kürzlich hat Bass bekanntgegeben, dass rund
14.000 Menschen seit ihrem Amtsantritt ein Zuhause finden konnten.
Mindestens 50.000 bleiben damit im Bezirk Los Angeles noch auf der Straße.
Ein wesentlicher Dreh- und Angelpunkt in der Skid Row ist die [1][Midnight
Mission] (dt. „Mitternachts-Mission“) auf der San Pedro Street. Georgia
Berkovich leitet die Öffentlichkeitsarbeit der sozialen Einrichtung. Gerade
führt sie zu einer Wandtafel, an der die Geschichte der Midnight Mission
erzählt wird. 1914 begann der Geschäftsmann Tom Liddecoat mit nächtlichen
Essensausgaben. Sie waren für die damals noch vorwiegend männlichen und
weißen Menschen gedacht, die mittellos in der Innenstadt von L.A. landeten.
„Vor dem Essen mussten sie sich aber zunächst seine Predigten anhören“,
sagt Berkovich über den Gründer. „Der Name entstand, weil es oft schon
Mitternacht war, bis sie endlich essen durften.“
Auf der Wandtafel sind Fotos von Männern in Anzügen und Hüten zu sehen, die
über ihr Essen gebeugt sind. In den 30er Jahren wurde die Organisation
hinter der Midnight Mission säkular und versorgte tausende Menschen durch
die Brachzeiten der großen Wirtschaftskrise. Während Berkovich erzählt,
führt sie auf den kleinen Vorhof der Einrichtung und erklärt, warum dieser
eigentlich zu jeder Tageszeit voll ist. „Bis vor Kurzem hatte die Midnight
Mission hier die einzigen Toiletten, die 24 Stunden am Tag verfügbar
waren,“ sagt sie und schüttelt dabei ungläubig den Kopf. „Eine Toilette f…
5.000 Menschen.“
Zudem verfügt der Vorhof über große Ventilatoren, die an heißen Sommertagen
für etwas Abkühlung sorgen. Für kalte Nächte gibt es Heizstrahler, an denen
sich die Menschen aufwärmen können. „Die Leute wollen nicht glauben, dass
es in Kalifornien Kältetote gibt, aber das passiert hier regelmäßig“, sagt
Berkovich. Allein im Jahr 2022 starben in Los Angeles 14 Menschen an den
Folgen von Kälte.
Hinter den schmucklosen Betonmauern des Gebäudes verbirgt sich die
Infrastruktur einer Kleinstadt. Berkovich führt durch die vielen Etagen, in
einen Musikraum, zu einer Bücherei und einem kleinen Friseursalon. Im
Erdgeschoss findet gerade die Essensausgabe für all jene statt, die derzeit
in der Midnight Mission leben und an einem der Rehabilitationsprogramme
teilnehmen. „Jede Stadt in den USA hat eine eigene Skid Row,“ sagt die
Mitarbeiterin, während hinterher Menschen in die Kantine strömen, um sich
Salat, Kartoffeln und Fleisch auf ihre Tabletts geben zu lassen. Für sie
ist das Ende der Obdachlosigkeit in Los Angeles das endgültige Ziel ihrer
Einrichtung. „Wir versuchen uns seit dem Jahr 1914 die eigene
Existenzgrundlage zu nehmen,“ sagt Berkovich über den Kampf gegen
Wohnungslosigkeit, „aber ehrlich gesagt wird es immer schlimmer.“
Die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit listet die Faktoren auf, die in Los
Angeles und Kalifornien dafür verantwortlich sind, dass so viele Menschen
in der Wohnungslosigkeit landen. „Es sind die Gefängnisse, es ist das
Pflegefamilien-System.“ 70 Prozent aller Wohnungslosen in Los Angeles geben
an, schon mal inhaftiert gewesen zu sein. Rund die Hälfte aller
Wohnungslosen in den USA sind zumindest teilweise in Pflegefamilien
aufgewachsen. Es sind aber auch die exorbitanten Mietpreise, wegen denen
oft ganze Familien auf der Straße landen.
„Es reicht oft ein einziger medizinischer Notfall, damit Leute ihre Miete
nicht mehr zahlen können“, sagt sie. „Erst wohnen sie bei Familie oder
Freunden, dann ziehen sie in ihr Auto, und wenn das abgeschleppt wird,
müssen sie sich eben einen Platz auf dem Bürgersteig suchen.“ Dass der
Druck durch die hohen Mietkosten nicht nur die Ärmsten von Los Angeles
betrifft, kann Georgia Berkovich auch in ihrem eigenen Leben beobachten.
„Ich selbst verdiene sehr gut, aber ich hangel mich wegen den hohen
Lebenskosten hier trotzdem von einem Monatsgehalt zum nächsten.“
Ein wesentlicher Teil der Arbeit der Midnight Mission besteht darin,
Menschen mit Drogenabhängigkeit zu helfen. „Laut einer kürzlichen Umfrage
haben rund ein Drittel unserer Klienten ein Abhängigkeitsproblem“, sagt
Berkovich, die selbst über Jahre mit einer Sucht kämpfte. „Aber die Umfrage
beruht auf Selbstauskünften, ich glaube, es sind noch mehr.“
Drogengebrauch ist auf der Skid Row fast allgegenwärtig. Vielerorts
spritzen sich Menschen offen Heroin oder das chemische Opiat Fentanyl, das
seit einigen Jahren zu immer mehr Überdosierungen in den USA führt. Auch
Methamphetamine werden auf der Skid Row viel konsumiert, manche
Wohnungslose greifen zu Meth und anderen Aufputschern, um nachts wach zu
bleiben, um sich und ihr Eigentum zu schützen.
„Homeless Health Care“ steht in großen Blockbuchstaben auf der Rückseite
des kleinen Golfwagens, mit dem die gleichnamige Organisation durch die
Straßen der Skid Row fährt. „Wir suchen nach Menschen, die gerade eine
Überdosis erleben,“ erzählt die Mitarbeiterin am Steuer des kleinen
Fahrzeugs. Sie öffnet eine schwarze Sporttasche, die bis oben hin mit
Narcan gefüllt ist. Das sogenannte Nasenspray kann Überdosierungen
rückgängig machen und hat vorläufigen Studien zufolge in den eingesetzten
Gebieten tausende Leben retten können. Narcan kann von jedem genutzt
werden, es bedarf keiner medizinischen Ausbildung, um eine Überdosis zu
behandeln. [2][Homeless Health Care] und andere
Nichtregierungsorganisationen verteilen das Spray zusammen mit sauberem
Fixbesteck und Crack- oder Meth-Pfeifen, um die Verbreitung ansteckender
Krankheiten unter Abhängigen zu reduzieren.
„Harm reduction“ oder „Schadensminimierung“ nennt sich die Philosophie,…
hinter Organisationen wie Homeless Health Care steht. Im Gegensatz zu
vielen Entzugsprogrammen, in denen die totale Abstinenz als Ziel gesetzt
wird, zielt Harm Reduction darauf ab, gesundheitliche und psychische
Schäden durch Drogengebrauch unter Usern einzudämmen. Überdosierungen durch
Fentanyl und andere Drogen sind auf der Skid Row und unter den
Wohnungslosen in Los Angeles die häufigste Todesursache.
Trotz den erwiesenen Erfolgen der unter „Harm Reduction“ gesammelten
Maßnahmen gilt diese in den USA als kontrovers – genau wie das Konzept
„Housing First.“ Das Leitmotiv „Wohnraum zuerst“ beruht auf der Idee, d…
Menschen zunächst einen sicheren Wohnort brauchen, um sich weiteren
Problemen wie Abhängigkeit oder der Beschaffung von Arbeit zu stellen. Seit
einigen Jahren findet es auch in Kalifornien immer mehr Anklang.
Unter den Kritikern von „Harm Reduction“ und „Housing First“ ist wohl
keiner so laut und prominent wie Andy Bales. Der Priester leitet die Union
Rescue Mission, neben der Midnight Mission die größte Einrichtung für
Wohnungslose auf der Skid Row. Bales stand zwei Jahrzehnte an der Spitze
der religiösen Einrichtung, vor ein paar Jahren wurde er durch die Arbeit
auf der Skid Row krank. Er litt an einer Staphylokokkeninfektion und verlor
dadurch sein rechtes Bein. Auch die Union Mission ist wie eine kleine
Stadt. Sie verfügt über Wohnräume, eine Kantine und eine eigene Kapelle.
Bales empfängt kurzfristig in seinem Büro, als Mitglied von mehreren
Ausschüssen und Leiter der Mission hat er einen vollen Kalender.
„Unter Housing First und Harm Reduction werden ein paar Menschen gerettet,
um tausende weitere auf den Straßen zu lassen“, sagt Bales in seinem Büro
in der Union Rescue Mission. Bales hat ein ernstes Gesicht, wenn er
spricht, die Situation der Wohnungslosen von Los Angeles scheint ihm nahe
zu gehen. „Ich würde da draußen keine zwei Wochen schaffen, bevor ich
ernsthafte psychische Probleme entwickeln würde,“ sagt der Geistliche,
dessen Vater selbst ohne festen Wohnsitz aufwuchs.
An „Housing First“ kritisiert Bales vor allem die Kosten und die Zeiträume,
die die von der Stadt Los Angeles in Auftrag gegebenen Wohnhäuser
beanspruchen. Bales befürwortet vor allem temporäre Lösungen wie Schlafsäle
in Feldzelten und sogenannte Tiny Homes, um wirklich allen Menschen ein
Bett geben zu können. „Ein gutes Wohnmobil kostet 50- bis 100.000 Dollar
und kann einer ganzen Familie ein Zuhause geben,“ sagt der Geistliche der
taz. „Die Gebäude, die gerade gebaut werden, kosten zum Teil mehr als eine
Million.“
Problematisch an solchen Konzepten ist in Kalifornien allerdings die
Gesetzeslage. Tiny Homes und Wohnwagen wären durch bestehende Regelungen in
Los Angeles fast überall illegal. Bestrebungen, diese zu lockern, werden in
der Regel von Anwohner:innen und Interessenverbänden der
Immobilienbranche blockiert. So müssen zum Beispiel neue soziale Wohnhäuser
für ehemals Wohnungslose in Los Angeles über mindestens einen Parkplatz pro
Bewohner verfügen. Dass die meisten Wohnungslosen kein Auto haben, spielt
in dieser Regelung keine Rolle.
Besonders scharf äußert Andy Bales sich gegenüber dem Umgang mit
Drogenabhängigkeit, der unter dem Namen „Harm Reduction“ bekannt ist. „Es
funktioniert nicht,“ sagt Bales. „Die Druckräume, die hier entstanden sind,
sind absolute Katastrophen.“ Laut dem Priester kommt es immer wieder zu
Überdosierungen, es entstehen Ghettos und es kommen immer mehr Dealer in
die Gegend. Bales beruft sich bei seiner Kritik vor allem auf seine
persönlichen Eindrücke. Er verspricht, eine Studie zu schicken, die
nachweist, dass das Konzept der Harm Reduction gescheitert ist. Doch diese
kommt nie an. Die jüngsten Zahlen des National Institute of Health belegen
wiederum das Gegenteil. In dieser ist nachzulesen, dass die Verteilung von
Narcan und sauberem Fixbesteck zu „nennenswerten Verbesserungen“ in der
Gesundheit von Drogenabhängigen und deren Gemeinden geführt hat.
Andy Bales ist vorsichtig optimistisch, was den Kampf gegen
Wohnungslosigkeit der neuen Bürgermeisterin angeht. Er begrüßt besonders,
dass Bass auch religiösen Organisationen wie seiner finanzielle Mittel
zugesprochen hat. Der Priester hat versucht, die Bürgermeisterin davon zu
überzeugen, dass klassisch geführte Entzugsprogramme wie die, die in der
Union Rescue Mission stattfinden, ihre Daseinsberechtigung haben.
Die Einrichtung hat über die Jahre fest an ihren religiösen Grundsätzen
festgehalten und musste deshalb immer wieder auf Gelder der Bundes- und
Staatsregierung verzichten. „Wir haben Millionen abgelehnt, und würden das
auch immer wieder tun,“ sagt der Priester. Fragt man ihn, worin er die
strukturellen Ursachen für die massive Wohnungslosigkeit in Kalifornien
sieht, redet er über den Wegfall von Familienstrukturen. „Guck mal, die
Latinos zum Beispiel, die würden nie eines ihrer Familienmitglieder einfach
auf der Straße lassen,“ sagt er.
Karen Bass hat sich mit ihrer Kampagne gegen Wohnungslosigkeit in Los
Angeles einiges vorgenommen. Die alten Scharz-Weiß-Aufnahmen in der
Midnight Mission bezeugen, wie lange das Problem schon in einer der
teuersten Städte der Welt besteht. Bass’ knapper Sieg gegen den
konservativen Immobilieninvestor Rick Caruso zeigt auch, dass nicht alle in
der Millionenmetropole glauben, dass das Problem mit humanitären Mitteln zu
bekämpfen ist. Caruso hat während dem Wahlkampf vor allem mehr Geld für die
Polizei versprochen. Die Grundstücke, die ihm in der Stadt gehören,
verlangen für Einraumwohnungen über 3.000 US-Dollar Miete.
Der Priester [3][Andy Bales von der Union Mission verlässt] Ende dieses
Jahres Los Angeles, um in seinen Heimatstaat Iowa zurückzukehren. Während
seiner Zeit im teuren Kalifornien konnte der Mitsechziger nicht genug für
seine Rente sparen. Er wird in Iowa ein neues Amt antreten.
28 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www.midnightmission.org/
[2] https://www.hhcla.org/
[3] https://www.latimes.com/california/story/2023-05-19/after-20-years-of-servi…
## AUTOREN
Johannes Streeck
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