Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gefangenenlager in Guantánamo: „Grausam und entwürdigend“
> Erstmals kann eine UN-Sonderberichterstatterin das US-Gefangenenlager
> besuchen. Ihr Bericht zeigt ein verheerendes Bild der Lage der
> Inhaftierten.
Bild: Demonstration gegen die Zustände in Guantanamo vor dem Capitol in Washin…
Berlin taz | Auf eng beschriebenen 23 Seiten hat die
UN-Sonderberichterstatterin Fionnuala Ní Aoláin am Montag einen [1][Report
über ihren Besuch im US-Gefangenenlager Guantánamo] abgeliefert. Die
Jura-Professorin aus Irland, die den Titel „Sonderberichterstatterin für
die Förderung und den Schutz von Menschenrechten und fundamentalen
Freiheiten während des Kampfes gegen den Terrorismus“ trägt, kommt zu einem
vernichtenden Urteil.
Faire Verfahren seien nicht gegeben und die Gefangenen seien einer
fortdauernden „grausamen, unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung“
ausgesetzt. Medizinische Versorgung sei vorhanden, aber mangelhaft. Die
Folgen jahrelanger Folter, sexueller Misshandlungen, Schlaf- und
Ernährungsentzugs hätten tiefe Traumata zurückgelassen. Der Kontakt zur
Außenwelt und zu Angehörigen sei selbst bei jenen 16 Gefangenen
unverhältnismäßig eingeschränkt, deren Freilassung bevorstehe. Und die
Ausbildung des Wachpersonals in Sachen Menschenrechte, interkultureller
Kompetenz und Umgang mit existierenden Traumata sei vollkommen
unzureichend.
Im Ergebnis hätten alle 30 derzeitigen und rund 750 ehemaligen Insassen des
nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 errichteten Camps ein
Recht auf Entschädigung für das erlittene Unrecht.
Im Februar hatte Ní Aoláin als erste UN-Berichterstatterin das Camp
besuchen können. Da waren noch 34 Insassen in Guantánamo. Ní Aoláin erkennt
die Bestrebungen der derzeitigen US-Regierung zur vollen Kooperation an und
attestiert ihr den Willen, Guantánamo aus dem seit über zwei Jahrzehnten
andauernden Ausnahmestatus herauszuführen. Das hatte sich schon der frühere
Präsident Barack Obama vorgenommen, der 2009 als erste Amtshandlung die
Schließung des Lagers verfügt hatte, an der Umsetzung aber gescheitert war.
Der Bericht umfasst drei Themenbereiche: Die Lage der Opfer der
Terroranschläge und ihrer Angehörigen, die der Gefangenen heute und die
Lage der ehemaligen Insassen. Die derzeitigen Insassen seien durch Folter,
jahrelange Verletzung aller Regeln für ein faires Verfahren sowie durch
daraus folgende mentale Schädigungen nicht in der Lage, sich in einem
Prozess selbst mit Rechtsbeistand zu verteidigen. Deshalb sei auch der
fortgesetzte Freiheitsentzug als willkürlich zu bezeichnen.
## Besser, aber nicht gut
Dabei erkennt die Sonderberichterstatterin an, dass sich die Bedingungen
der Gefangenen in den letzten Jahren gegenüber der Anfangszeit deutlich
verbessert haben, das hätten auch die Gefangenen bestätigt. Für diese
allerdings sei die Linie zwischen Vergangenheit und Gegenwart sehr dünn:
„Ihre früheren Foltererfahrungen leben in ihnen heute fort.“
Seit Öffnung des Lagers sind von dort 741 Gefangene entlassen worden, etwa
150 davon in 29 verschiedene Drittländer, die übrigen in ihre
Herkunftsstaaten. Während es einigen der früheren Gefangenen gut gehe,
litten viele an den Folgen der Haft und hätten auch während des Prozesses
der Rückführung oder Umsiedlung weitere Menschenrechtsverletzungen
erfahren.
In zahlreichen Gesprächen mit Opfern und ihren Angehörigen sei klar
geworden, dass sowohl Schadensersatzleistungen als auch medizinische und
psychologische Betreuung weit hinter den Anforderungen zurückblieben. Und:
Sowohl die Existenz des menschenrechtlich untragbaren Gefangenenlagers
Guantánamo als auch die fortdauernde Geheimhaltung wichtiger Unterlagen
über den Hergang der Terroranschläge führten dazu, dass den Opfern ihr
Recht auf Gerechtigkeit durch juristische Aufarbeitung bis heute verwehrt
bleibe.
27 Jun 2023
## LINKS
[1] https://int.nyt.com/data/documenttools/2023-06-26-sr-terrorism-technical-vi…
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
USA
Guantanamo
Menschenrechte
Gefängnis
9/11
Schwerpunkt 9/11
Schwerpunkt 9/11
USA
Spielfilm
Guantanamo
## ARTIKEL ZUM THEMA
Drahtzieher der 9/11-Anschläge: Verfahren ohne absehbares Ende
Das US-Verteidigungsministerium annulliert einen Deal mit den wegen 9/11
angeklagten Inhaftierten. Seit 2006 sind sie im Gefangenenlager Guantánamo.
Mutmaßliche 9/11-Terroristen: Lloyd Austin kassiert Abkommen ein
Ein Schuldeingeständnis hätte ihnen die Todesstrafe erspart. Doch der
US-Verteidigungsminister widerrief den Deal mit drei Guantánamo-Häftlingen.
Guantanamo-Häftlinge: 9/11-Attentäter stimmen Deal zu
Noch immer sind die 9/11-Drahtzieher in den USA nicht verurteilt. Durch
einen vorgerichtlichen Deal könnten sie jetzt der Todesstrafe entgehen.
UN-Report zum Gefangenenlager Guantánamo: Stachel im eigenen Fleisch
In US-Lager Guantánamo werden weiter Menschenrechte verletzt. Es steht für
das Totalversagen eines sich selbst als Rechtsstaat verstehenden Systems.
Thriller „Die Kairo-Verschwörung“ im Kino: Campus der Intrigen
Ein Student gerät zwischen Muslimbrüder und Geheimdienst: Der Film „Die
Kairo-Verschwörung“ führt in das Innere einer islamischen Universität.
US-Militärgefängnis Guantanamo auf Kuba: Ampel-Fraktionen fordern Schließung
36 Menschen sitzen noch immer in dem Militärgefängnis.
Bundestagsabgeordnete fordern, Deutschland solle die Aufnahme von
Gefangenen prüfen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.