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# taz.de -- Aufstand der Wagner-Gruppe: Der Retter in höchster Not?
> Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko sieht sich als
> Schlichter. Doch stimmt sein Narrativ wirklich?
Bild: Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin Anfang Juni in Sotchi
Berlin taz | Als Friedensstifter und Retter in höchster Not – so stellt er
sich gerne dar, der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko. Das war
Ende Februar 2022 so, als Vertreter Russlands und der Ukraine ein paar Tage
nach Kriegsbeginn in der belarussischen Stadt Gomel zu Gesprächen über
einen möglichen Friedensschluss zusammenkamen – bekanntlich ohne Ergebnis.
Auch am vergangenen Samstag inszenierte sich Lukaschenko wieder als
erfolgreicher Vermittler: Angeblich soll es maßgeblich seiner Intervention
zu verdanken sein, dass der Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni
Prigoschin, den Vormarsch seiner Truppe auf Moskau stoppte und eine
persönliche Einladung zur Übersiedlung nach Belarus annahm – verbunden mit
der Zusage, er werde straffrei ausgehen. Die Novaya Gazeta Europe hat so
ihre Zweifel an dieser Version. Lukaschenko sei ein Vasall und Lakai, der
großzügig alle Befehle seines Herren ausführe im Tausch gegen entsprechende
Trinkgelder und Nichteinmischung in die Folterung politischer Gefangener,
heißt es in einem Beitrag.
In der Tat: Lukaschenkos Rolle als Mann von politischem Gewicht hält keinem
[1][Faktencheck] stand. Spätestens seitdem er im Sommer Proteste gegen die
gefälschte Präsidentenwahl niederschlagen und Tausende Belaruss*innen
hatte festnehmen lassen, ist der autokratische Langzeitherrscher Wladimir
Putin vollends ausgeliefert. Eins der Knebelinstrumente dafür ist ein
Vertrag aus dem Jahr 1999. Das Dokument sieht die Schaffung eines
Unionsstaates zwischen Belarus und Russland vor – ein Projekt, das unter
dem Druck Moskaus und der Ausnutzung der Abhängigkeit des Nachbarn zu neuem
Leben erwacht ist.
Die gedeihliche Zusammenarbeit im militärischen Bereich ist besonders gut
seit dem 24. Februar 2022 zu beobachten. Zwar ist Belarus offiziell bislang
nicht an der Seite Moskaus in den Krieg eingetreten, dient russischen
Truppen jedoch als Aufmarschgebiet. Russische Raketen, die in den ersten
Kriegstagen auf Kyjiw niedergingen, wurden von hier aus abgeschossen. Mitte
Juni wurden, nach entsprechenden Ankündigungen Putins vom März, taktische
Atomwaffen in Belarus stationiert – angeblich habe Lukaschenko darum
gebeten, hieß es aus dem Kreml.
## Auch von innenpolitisch unter Druck
Der belarussische Machthaber ist auch [2][von innen] unter wachsendem
Druck. Moskaus Krieg ist in der belarussischen Gesellschaft extrem
unpopulär – genauso wie unter vielen Soldaten, deren Loyalität zu
Lukaschenko keineswegs als gesetzt gelten kann.
Am Samstagnachmittag meldete sich übrigens auch das Kalinouski-Regiment zu
Wort – ein militärischer Verband aus belarussischen Freiwilligen, der an
der Seite der Ukrainer kämpft. „Macht euch bereit, euch den
Selbstverteidigungseinheiten anzuschließen. Jede Stadt, jede Straße, jedes
Viertel – seid bereit, die Kontrolle über euer Territorium zu übernehmen
und die Ordnung aufrechtzuerhalten. Soldaten, Reservisten, wartet auf unser
Signal – die Zeit der Freiheit kommt näher“, heißt es in einem Aufruf des
Kommandeurs Denis („Kit“).
Derzeit hinterlässt die Kausa Lukaschenko/Prigoschin viele Fragezeichen.
War der belarussische Präsident überhaupt an den jüngsten Verhandlungen
beteiligt – und wenn ja, in welcher Form? Worin besteht der Deal genau? Und
wo hält sich eigentlich Prigoschin auf? Bis Sonntagnachmittag war nichts
über seinen Verbleib bekannt.
Jill Dougherty, frühere Leiterin des CNN-Büros in Moskau und
Russlandexpertin, hält es durchaus für realistisch, dass Prigoschin in
Belarus getötet werden könnte. Das ist ein schwieriges Dilemma für Moskau,
denn solange Prigoschin „irgendeine Art von Unterstützung hat, ist er eine
Bedrohung, egal wo er ist.“ Und abgesehen davon: Für Putin sei Prigoschin
ein Verräter. Und solchen Leute vergebe der Kremlchef nicht.
25 Jun 2023
## LINKS
[1] /Faktenchecks-in-Medien/!5917550
[2] /Opposition-in-Belarus/!5907155
## AUTOREN
Barbara Oertel
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Russland
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Wagner-Gruppe
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Jewgeni Prigoschin
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