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# taz.de -- Deutsch-polnische Grenze: Keine Kontrollen bitte!
> Brandenburg fordert, an den Grenzübergängen stationäre Kontrollen
> einzuführen. Es würde die Region wie in der Corona-Pandemie in Agonie
> versetzen.
Bild: Erstmal gucken und noch nicht kontrollieren: Bundespolizei auf der Frankf…
Ist die Pandemie schon vergessen in Potsdam? Am Mittwoch ließ Brandenburgs
Innenminister Michael Stübgen (CDU) wissen, dass er sich mit der erneuten
Absage von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu stationären
Grenzkontrollen an der Grenze zu Polen „nicht abfinden“ wolle. Die
„Weigerung“ Faesers, Zurückweisungen von Migranten an der Grenze zu Polen
zu ermöglichen, sei „enttäuschend“.
Drei Monate lang hatte Polen im ersten Pandemiejahr im Frühjahr 2020 die
Grenzübergänge von und nach Deutschland dicht gemacht. Polnische Ärztinnen
und Ärzte, die in den Kliniken in Schwedt oder Frankfurt (Oder) arbeiteten,
kamen nicht mehr nach Hause, Lehrerinnen wurden von ihren Schülern
getrennt, die Lieferketten der grenzüberschreitenden regionalen Wirtschaft
waren gekappt.
Viel Wut hat sich damals aufgestaut über die Grenzschließung der
nationalkonservativen Regierung. In zahlreichen Kundgebungen verschafften
die Anwohner im polnischen Grenzland ihrem Ärger Luft. Es waren nicht die
üblichen Akteure der deutsch-polnischen Verständigung, sondern jene, denen
der Grenzübertritt zum täglichen Brot geworden war. Erstmals war in diesen
Monaten deutlich geworden, dass da nicht mehr nur eine Grenze ist, sondern
längst eine grenzüberschreitende Region entstanden war.
Alles vergessen? Natürlich sind die Grenzkontrollen, die Brandenburgs
Innenminister fordert, keine Grenzschließung. Die zusammengewachsene Region
würden sie dennoch blockieren. Wer die Zeit vor dem Schengen-Beitritt
Polens vor Augen hat, erinnert sich an die stundenlangen Staus, etwa auf
der Stadtbrücke zwischen Frankfurt und Słubice oder an der Autobahnbrücke
in Świecko. [1][Von einer Doppelstadt „ohne Grenzen“, mit der Frankfurt und
Słubice werben], konnte keine Rede sein.
## Nancy Faeser an der Grenze
[2][Nach Świecko war am Dienstag auch Innenministerin Faeser gereist]. Im
ehemaligen Abfertigungsgebäude, in dem heute eine deutsch-polnische
Polizeieinheit ihren Dienst verrichtet, traf sie sich mit dem
stellvertretenden polnischen Innenminister Bartosz Grodecki. Im Anschluss
bekräftigte Faeser, sie wolle vorerst keine stationären Grenzkontrollen an
der deutsch-polnischen Grenze. Um dem „wachsenden Migrationsdruck“ etwas
entgegenzusetzen, sollten künftig aber generell mehr Polizisten im Einsatz
sein, kündigte die Ministerin an.
Tatsächlich ist die illegale Einwanderung nach Deutschland in den
vergangenen Monaten stark gestiegen. In Świecko versicherte Grodecki
deshalb, die gemeinsame Zusammenarbeit intensivieren zu wollen. Auch von
seiner Seite war von Grenzkontrollen keine Rede. Auf der anschließenden
Pressekonferenz sagte Grodecki [3][nach Angaben des staatlichen Fernsehens
TVP], dass Deutschland und Polen den gestiegenen Migrationsdruck in Europa
gemeinsam unter Kontrolle bekommen wollen. Dabei unterstrich Grodecki noch
einmal die Rolle der offenen Grenzen im Schengen-Gebiet. Allerdings wollten
Russland und Belarus das „Funktionieren des Schengen-Gebiets
destabilisieren“.
Hat Polen also mehr aus der Zeit der Grenzschließung während der
Corona-Pandemie gelernt? Einen gewissen Lernprozess zeigte nach dem Treffen
in Świecko auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der
noch vor einer Woche ebenfalls stationäre Grenzkontrollen gefordert hatte.
Faesers Ankündigung für mehr Polizei an der deutsch-polnischen Grenze
wertete Woidke nun als ersten richtigen Schritt.
Das letzte Wort ist freilich noch nicht gesprochen. Woidkes Innenminister
Stüben erklärte, sein Ministerium habe „die Notifizierung der
Grenzkontrollen auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz in zwei
Wochen gesetzt“. Vielleicht sollte sich Stübgen noch einmal die Proteste
während der Corona-Zeit oder die langen Schlangen vor dem Schengen-Beitritt
Polens 2007 in Erinnerung rufen.
3 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www.frankfurt-oder.de/Verwaltung-Politik/Verwaltung/Frankfurt-S-322…
[2] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2023/05/besuch-grenzreg…
[3] https://www.tvp.info/70204433/polska-i-niemcy-wspolnie-beda-zapobiegac-niel…
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Wochenkommentar
Grenzkontrollen
Dietmar Woidke
Brandenburg
Grenzkontrollen
Humanitäre Hilfe
Polen
Schwerpunkt Europe's Far Right
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Schwerpunkt Coronavirus
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