| # taz.de -- Kampf gegen Zwangsräumungen: Protest darf spontan sein | |
| > Weil er eine Demo gegen Zwangsräumungen organisiert haben soll erging | |
| > gegen einen Bremer ein Strafbefehl. Nun wurde er freigesprochen. | |
| Bild: Auch Polizist*innen brauchen Demoanmelder*innen. Zur Not auch spontan | |
| BREMEN taz | Freigesprochen wurde der Bremer Otto Schulte* am Freitag vom | |
| Bremer Amtsgericht. Entlastet haben ihn auch die Aussagen der | |
| Polizeibeamten, die als Zeugen aussagten. Schulte wurde zur Last gelegt, | |
| eine Versammlung „vermeintlich ohne Anmeldung“ organisiert und durchgeführt | |
| und erst vor Ort angemeldet zu haben. Bei der Versammlung handelte es sich | |
| um [1][eine Kundgebung gegen eine Zwangsräumung], die am 13. Juli 2021 im | |
| Bremer Viertel stattfand. Dem Mieter war gekündigt worden, nachdem er aus | |
| gesundheitlichen Gründen [2][nicht auf Briefe des Vermieters] geantwortet | |
| hatte. | |
| In der Urteilsbegründung sagte der Vorsitzende Richter, dass „ganz schön | |
| deutlich“ geworden sei, dass Schulte nicht Veranstalter der Versammlung | |
| war. Auch habe er diese vor der Anmeldung nicht koordiniert. Nach seiner | |
| Einschätzung handelte es sich um eine Eilversammlung, da ein gewisser | |
| Organisationsgrad zu erkennen gewesen sei. Teilnehmer*innen hatten | |
| Transparente und unter anderem eine Musikanlage dabei gehabt. | |
| Eilversammlungen müssen laut Gesetz angemeldet werden. Eine klare Frist | |
| gibt es aber nicht. Für eine Verurteilung hätte Schulte nachgewiesen werden | |
| müssen, dass er die Versammlung gezielt veranstaltet hatte, ohne sie davor | |
| anzumelden. | |
| Während der Verhandlung am Freitag hatte ein Polizeibeamter, der als Zeuge | |
| vernommen wurde, ausgesagt, dass Schulte sich auf die Frage, ob „sich | |
| jemand als Versammlungsleiter zur Verfügung stellen würde“, gemeldet hatte. | |
| Am ersten Verhandlungstag hatte bereits sein Kollege Ähnliches ausgesagt. | |
| Ein zweiter Verhandlungstag war nötig geworden, weil der Vertreter der | |
| Staatsanwaltschaft am ersten angekündigt hatte, für eine Verurteilung zu | |
| plädieren. Der Richter hatte bereits durchblicken lassen, dass es für ihn | |
| nach der ersten Beweisaufnahme nach einem Freispruch aussehe. Da er aber | |
| ein „wasserdichtes“ Urteil wollte, lud der Richter noch den zweiten Zeugen. | |
| Polizisten entlasten Demoanmelder | |
| Die Aussage des ersten Zeugen, ein Polizist, der vor Ort den Einsatz | |
| leitete, hatte den Angeklagten bereits entlastet. Er habe ein „sachliches | |
| und kooperatives Gespräch“ mit Schulte gehabt, sagte dieser. Auf die Frage | |
| nach einem Versammlungsleiter habe sich Schulte „hervorgetan“. Schulte sei | |
| davor „nicht in leitender Position erkennbar tätig“ gewesen. | |
| Bei beiden Zeugen wurde deutlich, wie wichtig es auch für | |
| Polizist*innen ist, dass es bei Eil- oder Spontanversammlungen | |
| Versammlungsleiter*innen gibt, da diese die Arbeit der Polizei | |
| deutlich erleichtern. | |
| Schultes Anwalt Jan Lam wies in seinem Plädoyer darauf hin, dass auch das | |
| Versammlungsgesetz ein Teil des Problems ist: Es sieht einerseits vor, dass | |
| auch unangemeldete Versammlungen eine*n Versammlungsleiter*in | |
| brauchen, zugleich kann bestraft werden, wer eine unangemeldete Demo | |
| durchführt. Das Bundesversammlungsgesetz sei ein schlechtes Gesetz, sagte | |
| Lam, da politische Interessen darin abgebildet seien. | |
| ## Kriminalpolizei fragt nach Verantwortlichen des Bündnisses | |
| Lam hatte der taz im Vorfeld des Prozesses bereits gesagt, dass er glaube, | |
| das hinter dem Verfahren „die Kriminalisierung einer politisch | |
| unerwünschten Bewegung“ stehe. Auch ein Schreiben, das Schulte im März in | |
| seinem Briefkasten fand, weist darauf hin, dass es den Bremer | |
| Sicherheitsbehörden darum geht, den Mieter*innenprotest | |
| einzuschüchtern: Die Bremer Kriminalpolizei fragt ihn darin als Anmelder, | |
| wer denn „Verantwortlicher“ des Bündnisses „Zwangsräumungen verhindern�… | |
| sei. „Für Ermittlungen“ sei dies „von Bedeutung“, schreibt die Polizei… | |
| dem Brief, der der taz vorliegt. Auch mehrere andere Personen hätten dieses | |
| Schreiben erhalten, sagt Schulte, der es als Versuch sieht „einzelne | |
| persönlich einzuschüchtern“. | |
| Das [3][Bremer Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“], das in sozialen | |
| Medien damals spontan dazu aufgerufen hatte, die Kundgebung zu | |
| unterstützen, kritisierte im Vorfeld des Prozesses das „martialische | |
| Polizeiaufgebot“, das im Juli 2021 aufgefahren worden war, um „eine | |
| friedliche Protestaktion gegen Zwangsräumung, [4][Verdrängung und | |
| Wohnungslosigkeit] gewaltsam zu beenden“. Für den ersten Prozesstag hatte | |
| es dazu aufgerufen, Schulte vor Gericht zu unterstützen. | |
| * Name geändert | |
| 16 Jun 2023 | |
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| [1] /Zwangsraeumung-in-Bremen/!5933611 | |
| [2] /Protest-gegen-Wohnen-als-Ware/!5781408 | |
| [3] https://allebleibenwohnen.de/ | |
| [4] /81-Jaehrige-ueber-Zwangsraeumung/!5900836 | |
| ## AUTOREN | |
| Franziska Betz | |
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