# taz.de -- Newsletter von Friedrich Merz: Völlig weltfremd | |
> Der CDU-Chef behauptet in seinem Newsletter, dass in „normalen Leben“ | |
> Inflation und Wohnungsnot Probleme seien. Rassismus gehört für ihn nicht | |
> dazu. | |
Bild: Beherrscht das Gendern auch: Friedrich Merz | |
Die Alliteration muss man dem PR-Team von [1][Friedrich Merz] lassen: | |
„MerzMail“ ist ein smarter Titel für einen Newsletter, so schön eingängi… | |
Was Merz in der letzten Ausgabe schrieb, war dagegen eine | |
Täter-Opfer-Umkehr der Sonderklasse. Die gendergerechte Sprache – Merz | |
nennt das „Gegenderte Sprache und identitäre Ideologie“ – in | |
journalistischen Medien sei für die erneut gestiegene Popularität der | |
[2][AfD] verantwortlich, die laut der Umfrage zur Bundestagswahl, die das | |
Meinungsforschungsinstitut Insa für die Bild am Sonntag gerade tätigte, zu | |
verzeichnen ist. | |
Aber erst mal zurück zum Anfang. Das Gendern beherrscht Merz nämlich selbst | |
auch. „Liebe Leserin, lieber Leser“, beginnt der Text, Ladys First eben. | |
Das generische Maskulinum, das Binnen-I, wir wissen alle sehr gut, dass | |
unsere Sprache längst gegendert ist. Wobei der Backlash gegen Unterstrich, | |
Asterisk und Doppelpunkt stark an das Lächerlichmachen erinnert, das das | |
Binnen-I einst erfuhr. | |
Weniger zitiert wurde aus Merz’ Botschaft folgender Satz zum Thema | |
sprachliche Selbstbestimmung: „Im normalen Leben beschäftigen sich die | |
Menschen nicht mit ‚Indianern‘ und ‚M[…]straßen‘, sondern mit Inflat… | |
Wohnungsnot.“ Ich bin mir ziemlich sicher, dass koloniale Reststücke in | |
Sprache und Kultur für People of Color zu Problemen gehören, mit denen sie | |
sich im normalen Leben beschäftigen. Genauso wie Rassismus auf dem | |
Wohnungsmarkt. Weißen Menschen ist Antirassismus im Übrigen auch ein | |
zentrales Anliegen im Alltag, [3][inklusive der Umbenennung von Straßen], | |
die das koloniale Erbe ungefiltert in die Gegenwart tragen. | |
Vielfalt gehört in die Mikrofasern der Gesellschaft. Von | |
Partikularinteressen, wie Dorothee Bär sie in der FAZ diese Woche wieder | |
einführen wollte, kann keine Rede sein. Bär [4][besuchte kürzlich schon Ron | |
DeSantis] in den USA. Sie und Merz könnten sich mal bei den verschiedenen | |
Native Nations erkundigen, wie „wenig“ die Fremdbezeichnung „Indian“ mit | |
Alltagsrassismus und der überproportional hohen Mordrate gegen indigene | |
Frauen, Mädchen und Two Spirits zu tun hat. Wie viele existenzielle | |
Schwierigkeiten die Unterversorgung mit infrastrukturellen Ressourcen und | |
medizinischer Versorgung erzeugen. | |
Schließlich folgt bei Merz noch Stimmungsmache gegen Geflüchtete in | |
Deutschland: „Im Lebensalltag der Städte und Dörfer dagegen ist die | |
Flüchtlingskrise wieder präsent, verbunden mit dem unguten Gefühl, für | |
Flüchtlinge sei immer genug Geld vorhanden, für Kindergärten, Schulen und | |
Krankenhäuser dagegen immer weniger.“ Oha, Deutsche First. Mein Gefühl ist, | |
Merz spricht so häufig von sich weisend über die AfD, gerade weil seine | |
Rhetorik ihr so nah kommt. Mit der AfD hat geschlechtergerechte Sprache im | |
Übrigen tatsächlich viel zu tun. Sie ist einer der unzähligen Bausteine | |
gegen Neo-Faschismus. | |
7 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Extreme-Rechte-gleichauf-mit-SPD/!5938430 | |
[2] /Studie-zur-AfD/!5939276 | |
[3] /Strassenumbenennung-in-Berlin-Mitte/!5781355 | |
[4] /CSD-Mitveranstalter-ueber-CSU-Ausschluss/!5930675 | |
## AUTOREN | |
Noemi Molitor | |
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