# taz.de -- Energiewende im Norden: Windkraftausbau kann weitergehen | |
> Baustopp abgewendet: Das Oberverwaltungsgericht Schleswig weist Klagen | |
> gegen den Regionalplan zur Windkraftplanung in Schleswig-Holsteins Mitte | |
> ab. | |
Bild: Weiter nach Plan: Windräder auf einem Feld in Schleswig-Holstein | |
SCHLESWIG taz | Wo brüten die Zwergschwäne? Wann ist eine Siedlung ein | |
Dorf? Um solche Fragen ging es vor dem Oberverwaltungsgericht in Schleswig | |
– zumindest indirekt. Eine Landwirtin und eine Gemeinde aus der Mitte | |
Schleswig-Holsteins hatten gegen die Windkraftplanung der Landesregierung | |
geklagt. Sie stellten dabei die Kriterien infrage, nach denen das Land die | |
Gebiete ausgewählt hat, in denen Windkraft Vorrang haben soll. Auch gegen | |
die Regionalpläne im Norden und Südwesten des Landes gab es Klagen. In | |
einem Fall hatte das Gericht den Klägern recht gegeben. Im aktuellen | |
Verfahren entschied die Kammer zugunsten des Landes, der Plan hat damit | |
Bestand. | |
Beim [1][Ausbau der Windkraft] „geht es nicht um Spaß an der Freud’, | |
sondern um Klimaschutz“, sagte Anwalt Timo Hohmuth. Er vertrat in Schleswig | |
eine Landwirtin, die im Kreis Rendsburg-Eckernförde Land besitzt und | |
Mitglied eines Bürgerwindparks ist. Der Park würde gern weitere Mühlen | |
errichten, die Landwirtin würde ihre Fläche dafür geben. Aber weil | |
Zwergschwäne in der Nähe brüten und fressen, hat die Landesregierung ihre | |
Wiesen zu einer „weichen Tabuzone“ erklärt und damit gesperrt. | |
Die Gemeinde Krummbek dagegen will verhindern, dass Mühlen zu dicht an die | |
Grenzen einer Siedlung außerhalb des Dorfes heranrücken: „Das würde jede | |
Entwicklungsmöglichkeit totmachen“, sagt Brigitte Vöge-Lesky, die | |
Bürgermeisterin der Gemeinde im Kreis Plön. | |
Beide Parteien greifen mit ihren Klagen das grundsätzliche Vorgehen des | |
Landes an – wieder einmal. Bereits 2015 hatte ein Gericht nach einer Reihe | |
von Klagen die damalige Windkraftplanung gekippt. Bis 2020 ließ sich das | |
Land Zeit, um eine neue Verordnung aufzustellen. Am Ende wies die | |
Planungsabteilung 344 Vorranggebiete für Windenergie mit einer Gesamtfläche | |
von 32.000 Hektar aus, das entspricht zwei Prozent der Landesfläche. | |
Ausgeschlossen waren Gebiete, die zu dicht an Wohnhäusern oder | |
Naturschutzflächen liegen. | |
## Windkraftausbau stockt | |
Weil in der mehrjährigen Planungsphase kaum neue Anlagen zugelassen wurden, | |
geriet der Windkraftausbau [2][im früheren Energiewende-Musterland] ins | |
Stocken. Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne) sieht das Land | |
inzwischen wieder „auf Erfolgskurs“: Fast ein Viertel des bundesweiten | |
Nettozubaus für Windenergie habe im vergangenen Jahr in Schleswig-Holstein | |
stattgefunden, sagte er im April beim Windbranchentag in Husum. Der Blick | |
in den Norden solle für andere „ein Mutmacher“ sein. Die schwarz-grüne | |
Landesregierung will Schleswig-Holstein zum „ersten klimaneutralen | |
Industrieland“ machen. Ein Schritt dahin ist der Bau einer Fabrik für | |
Batterien an der Westküste. | |
Doch seit März müssen Windkraftbetreiber*innen wieder zittern: Das | |
Oberverwaltungsgericht sah einen „Abwägungsmangel“ beim Regionalplan für | |
den Norden des Landes. Weil der Status von zwei Naturschutzgebieten nicht | |
feststeht, ist die gesamte Planung hinfällig. Denn je nachdem, ob in den | |
Gebieten Windräder zugelassen werden oder nicht, verschiebt sich der Bedarf | |
an weiteren möglichen Flächen. | |
Der Landesverband Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein sieht die Lage | |
mit Sorge. Auf keinen Fall dürfe es erneut ein Moratorium geben: „Das würde | |
den Ausbau zum Stoppen bringen“, so Landesgeschäftsführer Marcus Hrach in | |
einer Mitteilung im März. Zum jetzigen Urteil sagte er auf taz-Anfrage: | |
„Die Landesplanung ist gefragt, so schnell wie möglich neue Flächen für | |
moderne Windenergieanlagen rechtssicher auszuweisen.“ Dabei müsse die | |
Regierung das Ziel der [3][Klimaneutralität bis 2040] mitdenken. | |
Mit diesem „übergeordneten Ziel zum Wohle der Allgemeinheit“ argumentierte | |
auch Anwalt Timo Hohmuth für einen weiteren Ausbau von Windparks. | |
Angesichts von Klimawandel und Ukraine-Krieg hätte sich die Meinung zu | |
erneuerbaren Energien gewandelt, doch das sei nicht berücksichtigt worden. | |
Er habe daher weiter „erhebliche Zweifel“, sagt er der taz: „Aus meiner | |
Sicht ist das Gericht sehr wohlwollend mit der Planung des Landes | |
umgegangen.“ | |
Der Verwaltungsrechtler Wolfgang Ewer, der die Landesregierung vertrat, sah | |
es anders: Einen absoluten Vorrang für den Klimaschutz gebe es nicht. Aber | |
auch die Klage der Gemeinde Krummbek sah er kritisch: Es habe ausreichende | |
Bürgerbeteiligung gegeben. | |
## 40 Klagen im Süden | |
Diese Meinung teilte das Gericht: Das Land habe mit 67 Vorrangflächen auf | |
rund 4.800 Hektar Land die Belange des Klimaschutzes ausreichend | |
berücksichtigt, daher brauche es die Flächen der Landwirtin nicht. | |
Auch die Klage der Gemeinde Krummbek wurde abgelehnt: Der kleine Ortsteil | |
sei eine „Splittersiedlung“, für die andere Regeln gelten als für ein | |
geschlossenes Dorf. Daher dürfen die Windräder auf 400 Meter an die Häuser | |
heranrücken. | |
Zurzeit stellt die schwarz-grüne Landesregierung neue Regionalpläne auf, um | |
mehr Windflächen ausweisen zu können. Aber auch das Gericht hat sein | |
letztes Wort noch nicht gesprochen: Gegen den Planungsraum im Südwesten des | |
Landes liegen über 40 Klagen vor. | |
7 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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