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# taz.de -- Windkraft wird zum lukrativen Geschäft: Energiemultis kaufen Seege…
> BP und TotalEnergies bezahlen Milliardenbeträge, um Offshore-Windparks in
> Nord- und Ostsee bauen zu dürfen. Droht demnächst ein Oligopol?
Bild: Lohnt sich, weil die Börsenpreise für Windkraft stark gestiegen sind: O…
Freiburg taz | Die Energiekonzerne BP und TotalEnergies bezahlen zusammen
12,6 Milliarden Euro, um sich Standorte für Windkraftanlagen in der
deutschen Nord- und Ostsee zu sichern. Sie verzichten bei den geplanten
Projekten sogar auf garantierte Einspeisevergütungen und setzen darauf,
dass die Anlagen durch den Stromverkauf am Markt rentabel sein werden.
Dies hat mit einem neuen Verfahren der Bundesnetzagentur zu tun, die seit
einigen Jahren die Vergütungen für Windkraftanlagen per Ausschreibungen
zuteilt. Sie nutzte erstmals das Windenergie-auf-See-Gesetz, das unter dem
Stichwort „Dynamisches Gebotsverfahren“ verankert ist. In der Vergangenheit
bekamen jene Akteure den Zuschlag, die ihren Strom zu den günstigsten
Konditionen anboten. Lange Zeit hatten sich die Firmen gleichzeitig
staatliche Garantien geben lassen, für den Fall, dass der Preis auf der
Strombörse zu sehr fällt.
Zwischenzeitlich aber wurden Gebote zu null Cent immer häufiger – die
Unternehmen verzichten also auf garantierte Vergütungen. Um zwischen den
Null-Cent-Angeboten eine Entscheidung herbeizuführen, gab es nun erstmals
eine zweite Auktionsrunde; dort bekam den Zuschlag, wer zudem die größte
Summe oben drauf legt.
## Zuschläge für BP und Total
BP war in dem Verfahren erfolgreich und darf nun zwei Parks mit jeweils
zwei Gigawatt installierter Leistung rund 120 Kilometer nordwestlich von
Helgoland bauen. Dafür bezahlt das Unternehmen knapp 6,8 Milliarden Euro.
TotalEnergies bekam den [1][Zuschlag für einen weiteren Windpark in
derselben Nordseeregion] sowie einen kleineren in der Ostsee, 25 Kilometer
von Rügen entfernt. Der französische Konzern bezahlt dafür gut 5,8
Milliarden Euro.
Somit geben die beiden Energiemultis zusammen 12,6 Milliarden Euro für die
Nutzung der Flächen aus, auf denen sie sieben Gigawatt an Windkraft
installieren wollen. Die Inbetriebnahme der Parks ist für das Jahr 2030
vorgesehen. Die Stiftung Offshore-Windenergie kritisiert nun, dass
ausschließlich „zwei finanz- und eigenkapitalstarke Giganten aus dem Öl-
und Gassektor“ als Bieter erfolgreich waren und diese nun alleine fast so
viel Leistung aufbauen wollen, wie es bisher in deutschen Gewässern
insgesamt gibt.
## „Akteursvielfalt“ erhalten
Im kommenden Jahr sollen weitere acht bis neun Gigawatt ausgeschrieben
werden. Sollte bis dahin das Auktionsdesign nicht überarbeitet werden,
bestehe „die Gefahr eines Oligopols im deutschen Offshore-Wind-Markt“,
beklagt die Stiftung. Die Politik müsse auch darauf achten, „die
Akteursvielfalt zu erhalten“.
Die Milliarden, die der Staat auf diese Weise einnimmt, sind zweckgebunden.
90 Prozent von dem Geld werden zur Senkung der Offshore-Netzumlage
eingesetzt. Diese finanziert die Netzanbindung der Offshore-Windparks und
wird über die Stromrechnung von den Verbrauchern bezahlt. Für 2023 beläuft
sie sich auf 2,3 Milliarden Euro, was für Stromkunden einen Aufschlag von
aktuell knapp 0,6 Cent je Kilowattstunde bedeutet.
Mit den Einnahmen aus den jüngsten Versteigerungen könnte die Umlage –
verteilt man die Summe auf 20 Jahre – auf rund 1,7 Milliarden Euro jährlich
sinken. Damit ergäbe sich für die Stromkunden allerdings nur eine
Einsparung von bestenfalls 0,2 Cent pro Kilowattstunde.
Zehn Prozent der Einnahmen aus der Flächenauktion gehen außerdem in den
Bundeshaushalt und sind zweckgebunden: Fünf Prozent der Einnahmen sind laut
Gesetz [2][„für Maßnahmen des Meeresnaturschutzes“ zu verwenden, weitere
fünf Prozent „für Maßnahmen zur umweltschonenden Fischerei] einschließlich
Fischereistrukturmaßnahmen“. Genutzt werden soll das Geld „möglichst in d…
betroffenen Naturraum“, so heißt es im Gesetz.
## Spekulieren auf hohen Strompreis
Legt man die Milliardenbeträge, die die Unternehmen für die Flächen auf See
bezahlen, auf ihre zu erwartenden Erträge um, ergibt sich bei einer
angenommenen Betriebszeit der Turbinen von 20 Jahren ein Wert in der
Größenordnung um zwei Cent je Kilowattstunde. Die Unternehmen spekulieren
also auf ein Preisniveau am Strommarkt, das es ihnen ermöglicht, den Strom
trotzdem gewinnbringend zu verkaufen.
[3][In jüngster Zeit waren die Bedingungen in dieser Hinsicht gut:] Die
monatlich gemittelten Marktwerte für Windstrom auf See lagen im Jahr 2023
bisher zwischen rund acht und elf Cent je Kilowattstunde. Aber sie
schwanken mitunter stark – und das ist nun das Risiko der Investoren. Sehr
attraktiv war der Markt für Stromerzeuger im Jahr 2022, als man mit
Offshore-Windstrom an der Börse im Durchschnitt 18,3 Cent je Kilowattstunde
erlösen konnte. Im Jahr 2021 waren es ebenfalls noch solide 9 Cent gewesen,
im Coronajahr 2020 hingegen lag der Marktwert von Offshore-Windstrom bei
ruinösen 2,7 Cent.
Wer heute in einen Offshore-Windpark investiert, ohne staatliche
Mindestvergütung und wer zugleich auch noch rund zwei Cent je
Kilowattstunde für den Standort abführt, muss also vor allem eines haben:
Vertrauen in weiterhin hohe Marktpreise an der Strombörse.
19 Jul 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Bernward Janzing
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