# taz.de -- Forschung zu Polizeigewalt: Viel Gegenwind | |
> Die Forschung zu Polizeigewalt macht trotz neuer Studien nur langsam | |
> Fortschritte. In Hamburg haben Gewerkschaften die Datenerhebung bisher | |
> blockiert. | |
Bild: Wenn die Polizei das Maß verliert: Reizmitteleinsatz bei einer Anti-Rass… | |
Hamburg taz | Gleich zwei Studien zur deutschen Polizei erschienen zuletzt, | |
eine weitere – Hamburg betreffend – soll nach langem Hin und Her nun 2024 | |
folgen. | |
Bislang haben missbräuchlich agierende Polizist:innen wenig zu | |
befürchten, zeigt die [1][Studie „Gewalt im Amt“] der Uni Frankfurt, in der | |
es um Körperverletzungen und Machtmissbrauch durch Polizeibeamt:innen | |
geht. | |
Bereits im April hatten Forschende der Polizeiakademie Münster einen | |
Zwischenbericht zu Einstellungen und Berufsalltag von Polizist:innen | |
veröffentlicht. [2][Diese Arbeit] war bundesweit als „Rassismusstudie“ | |
[3][bekannt geworden], als Horst Seehofer (CSU) noch Bundesinnenminister | |
war. | |
Das Ergebnis beider Untersuchungen: Um Problemen zu begegnen, muss man | |
wissen, wo sie liegen. Diese Erkenntnis setzt sich aber nur zaghaft durch. | |
Die Forschenden aus Frankfurt/Main befragten für ihre Studie rund 3.300 | |
Betroffene von [4][Polizeigewalt]. Das Ergebnis: Fälle von Amtsmissbrauch | |
werden selten angezeigt. Erfolgt eine Anzeige, so kommt es in zwei Prozent | |
der Fälle zu einer Anklage. Über 90 Prozent der Verfahren werden | |
eingestellt. | |
Die Polizeihochschule Münster schickte Fragebögen an die Bundespolizei, das | |
Bundeskriminalamt und 14 Landespolizeien – Hamburg und Baden-Württemberg | |
ließen sich nicht befragen. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft | |
Hamburg kritisierte, die Studie impliziere, dass es ein Rassismusproblem in | |
der Hamburger Polizei gäbe, was nicht der Fall sei. Doch wie lässt sich das | |
beweisen, ohne Forschung? | |
Noch bevor das Bundesinnenministerium die Münsteraner Studie zu | |
„Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten“ | |
(Megavo) anordnete, war in Hamburg ein weiteres Forschungsprojekt in | |
Planung: „Demokratiebezogene Einstellungen und Werthaltungen innerhalb der | |
Polizei Hamburg“ heißt [5][das Vorhaben] (DeWePol). Doch die Studie | |
scheiterte zunächst am Widerspruch der Polizeigewerkschaften. | |
Bei einer Podiumsdiskussion des Vereins „Polizei Grün“ in Hamburg ging es | |
jüngst gerade darum. Der Verein sieht sich als „parteinahes, jedoch | |
unabhängiges Expertennetzwerk“ für Innenpolitik. Vor Ort waren | |
Fachpublikum, Polizist:innen und interessierte Bürger:innen. Auf dem | |
Podium diskutierten Sina Imhof, innenpolitische Sprecherin der Hamburger | |
Grünen mit Nadja Maurer, Forscherin an der Forschungsstelle für | |
strategische Polizeiforschung in Hamburg, sowie Ulf Bettermann-Jennes, | |
Leiter der Beschwerdestelle der Hamburger Polizei und Jan Reinecke, | |
Vorsitzender des Bund deutscher Kriminalbeamter in Hamburg. | |
Reinecke hatte die „DeWePol“ 2021 gemeinsam mit den Vorsitzenden zweier | |
anderer Polizeigewerkschaften gestoppt. Es habe große Vorbehalte beim | |
Datenschutz gegeben, sagt er. Die Fragen der Forschenden hätten | |
Rückschlüsse auf die Identitäten der Beamt:innen erlaubt, kritisiert | |
Reinecke. | |
Die Sozialanthropologin Maurer betont indes auf der Bühne, wie zentral | |
Strukturdaten für die Forschung seien. Also Daten wie Alter, Geschlecht, | |
Dienstgrad und Dienststelle. Bettermann-Jennes pflichtet ihr bei. Seitdem | |
er die [6][Beschwerdestelle der Polizei] übernommen hat, erhebe man | |
deutlich mehr Daten, wenn es um Beschwerden gegen Beamt:innen geht. | |
Immerhin 60 Strafanzeigen hätte man so im vergangenen Jahr gegen | |
Kolleg:innen stellen können. | |
Auch Reinecke betont, wie wichtig ihm empirische Forschung sei. Die neue | |
Studie zur Polizei in Hamburg werde besser als jene, die im Auftrag des | |
Bundesinnenministeriums entsteht, glaubt er heute. | |
## Angst vor Konsequenzen | |
Noch vor zwei Jahren klang das anders, kurz vor Weihnachten kam das Nein | |
der Gewerkschafter zur Hamburger DeWePol-Studie: Fragen zur | |
„Religionszugehörigkeit und politischen Orientierung“ verletzten das Recht | |
zur informationellen Selbstbestimmung der Beamt:innen, hieß es damals. | |
Dabei sollte es doch genau darum gehen: die politische Einstellung der | |
Hamburger Polizist:innen. Bereits 2019 liefen die Vorbereitungen zur | |
Studie, also noch vor dem Beginn der bundesweiten Studie. | |
Auch der Hamburger Senat hatte das Projekt damals unterstützt. Aus einer | |
Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass die | |
Teilnahme an der Hamburger Studie gegenüber der bundesweiten „priorisiert“ | |
werde. Dem stellte sich der Personalrat der Polizei in letzter Minute | |
entgegen. Grünen-Politikerin Imhof sagt: „Die Angst ist, dass für bestimmte | |
Personen Konsequenzen folgen.“ Dabei müsse die Polizei erkennen, dass sie | |
von Forschungsergebnissen profitiere. | |
Mittlerweile hat man sich scheinbar geeinigt. Die Leiterin des | |
DeWePol-Projektes teilt mit, dass der Personalrat der Polizei im April | |
einem Fragebogen zugestimmt habe. Die Befragungen sollen 2024 starten. Die | |
Finanzierung ist bis 2024 gesichert. | |
11 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://kviapol.uni-frankfurt.de/ | |
[2] https://www.polizeistudie.de/ | |
[3] /Rassismus-bei-der-Polizei/!5719908 | |
[4] /Polizeigewalt/!t5708537 | |
[5] https://akademie-der-polizei.hamburg.de/forschungsprojekt-dewepol-490018 | |
[6] /Gruene-ueber-Beschwerdestelle-der-Polizei/!5875759 | |
## AUTOREN | |
Leopold Pelizaeus | |
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