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# taz.de -- Krise der Linkspartei: Ultimatum an Wagenknecht
> Bis zum 9. Juni soll Sahra Wagenknecht erklären, ob sie in der Linken
> bleibt. Dazu haben sie die beiden Parteivorsitzenden aufgefordert.
Bild: Linksfraktionschef Dietmar Bartsch hält weiter unverdrossen seine schüt…
Berlin taz | Das Treffen vor einigen Tagen im Berliner Karl-Liebknecht-Haus
birgt einige Brisanz. Weswegen die Beteiligten Vertraulichkeit vereinbart
haben. Nicht einmal, dass es stattgefunden hat, war bislang öffentlich
bekannt. Über das, was dort diskutiert worden ist, wollen weder die Partei-
noch die Fraktionsvorsitzenden Auskunft geben. Denn es ging um die Zukunft
von Sahra Wagenknecht in der Linkspartei. Und sie war mit dabei.
Seit Monaten denkt die Ex-Bundestagsfraktionschefin lautstark [1][über die
Gründung einer neuen Partei] nach. Ihr formeller Abschied von der Linken,
mit der sie bereits seit Längerem de facto gebrochen hat, [2][gilt nur noch
als eine Frage der Zeit]. Ein mögliches Szenario ist, dass sie den Bruch
nach der Landtagswahl in Hessen im Oktober vollziehen wird. Um, wie von
ihrem Umfeld in Planung, ein konkurrierendes Wahlbündnis für die Europawahl
im Juni 2024 zu schmieden, würde es für eine Abspaltung allerdings auch
noch bis Anfang nächsten Jahres reichen.
[3][Wie das Kaninchen auf die Schlange] blickt die schwer kriselnde Linke
bisher hilflos auf das Treiben von Wagenknecht und ihren
Kombattant:innen. Zwar denkt die Parteispitze um Janine Wissler und
Martin Schirdewan intensiv über Gegenstrategien nach, aber viel eingefallen
ist ihr noch nicht.
Woran das liegt, darüber gibt jenes Treffen einen Hinweis, über das die
Anwesenden öffentlich nicht reden wollen. Nach taz-Informationen traf sich
am 25. Mai der geschäftsführende Parteivorstand in der Linken-Zentrale mit
Sahra Wagenknecht. Mit dabei waren auch die
[4][Bundestagsfraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch] und Amira Mohamed Ali.
## Ultimatum mit unklaren Konsequenzen
Wie die taz aus Parteikreisen erfuhr, stellten dabei Wissler und Schirdewan
Wagenknecht ein Ultimatum: Bis zum 9. Juni, also bis zum kommenden Freitag,
solle sie sich erklären, ob sie in der Linkspartei bleiben oder gehen will.
Auf der Vorstandssitzung am 10. Juni soll dann über ihre Antwort oder
Nichtantwort beraten werden. Unklar ist jedoch, was für Konsequenzen das
Gremium ziehen will, falls sich – wie zu erwarten – Wagenknecht nicht zu
einem Bekenntnis zur Linken bereitfindet.
Logisch erschiene zum Beispiel, in diesem Fall die Bundestagsfraktion
aufzufordern, Wagenknecht aus ihren Reihen auszuschließen, damit sie diese
nicht weiter als Plattform für ihre Abspaltungspläne nutzen kann. Doch dazu
fehlt der Parteispitze sowohl der Mut als auch die Durchsetzungskraft. Auf
dem Treffen soll Bartsch – unterstützt von Mohamed Ali – deutlich gemacht
haben, dass nach seiner Auffassung Wagenknecht selbst bei einem
Parteiaustritt Mitglied der Fraktion bleiben könne.
Nicht nur in der Partei, sondern auch von Linken-Abgeordneten wird beklagt,
das einzige Interesse von Bartsch sei es, auf Biegen und Brechen den
Fraktionsstatus zu erhalten – und seine Macht durch die Fortsetzung des
Bündnisses mit den Wagenknechtianer:innen zu sichern. Koste es, was es
wolle. Für Anfang September ist die Neuwahl des Fraktionsvorstandes
terminiert, da braucht Bartsch sie mal wieder.
Weder Schirdewan und Wissler noch Bartsch und Mohamed Ali beantworteten
Fragen zu dem klandestinen Treffen und den möglichen Folgen für
Wagenknecht. Michael Schlick, der Pressesprecher der Linksfraktion, wollte
nicht einmal einräumen, dass das Gespräch überhaupt stattgefunden hat,
sondern beschied der taz nur pauschal wie wahrheitswidrig: „Ihre
Informationen stimmen nicht.“
Die Parteipressestelle antwortete demgegenüber: „Gerne bestätigen wir
Ihnen, dass es ein solches Treffen gegeben hat. Über die dort besprochenen
Inhalte können wir leider keine Auskunft geben.“
## Problemfall Linksfraktion
Im Konflikt mit Wagenknecht und ihrem Anhang wird die
Bundestagsfraktionsspitze zunehmend zu einem Problem für die Linkspartei.
Wie es um die Fraktion unter der Führung von Bartsch und Mohamed Ali
bestellt ist, darüber gab Cornelia Möhring bei einer Veranstaltung des
Netzwerks Progressive Linke am Samstag in Berlin Auskunft.
Eigentlich gebe es keine Fraktion mehr, sondern nur noch eine „Ansammlung“
von Leuten, „wo jede und jeder macht, was er oder sie will“, sagte die
63-jährige Linken-Bundestagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein. Da gehe
nicht mehr viel zusammen. Der Rolle als linke Opposition würden sie „null
gerecht“. Inzwischen glaube sie, „dass wir mit einer Gruppe im Bundestag
tatsächlich besser dran wären“, sagte Möhring – und erntete dafür hefti…
Applaus.
Dass der jetzige Zustand nicht beibehalten werden kann, darin waren sich
die rund 50 Versammelten, darunter mehrere Linken-Landesvorsitzende sowie
Bundes-, Landtags- und Kommunalparlamentarier:innen, einig. Die Linkspartei
befände sich in einer „existenziellen Krise“ und es bedürfe einer
„nachhaltigen Klärung“ des Konflikts mit dem „linkskonservativen“ Lage…
Wagenknecht, beschlossen sie.
Der derzeitigen Mehrheit in der Bundestagsfraktion warfen sie vor, sie
würde mit ihren Ressourcen jene unterstützen, „die damit unverfroren die
programmatischen Positionen der Linken konterkarieren und die Gründung
einer konkurrierenden Partei betreiben“. Das müsse aufhören.
Das [5][im vergangenen Dezember gegründete] und aus unterschiedlichen
Parteiströmungen stammende Netzwerk Progressive Linke hält eine
Richtungsentscheidung sowie einen „politischen und programmatischen
Neustart“ der Linkspartei auf dem kommenden Bundesparteitag im November für
erforderlich. Das sei „die letzte Chance, diesem verheerenden Prozess noch
ein unmissverständliches Stoppzeichen entgegenzusetzen“. Möglicherweise ist
es bis dahin schon zu spät.
Gegendarstellung von Dr. Dietmar Bartsch, die Linke:
Sie schreiben über ein Treffen des Geschäftsführenden Parteivorstandes in
der Linken-Zentrale mit Sahra Wagenknecht sowie Frau Mohamed Ali und mir:
„… soll Bartsch … deutlich gemacht haben, dass nach seiner Auffassung
Wagenknecht selbst bei einem Parteiaustritt Mitglied der Fraktion bleiben
könne.“ Das ist falsch. Das habe ich nicht gesagt.
Die Redaktion ist zum Abdruck der Gegendarstellung verpflichtet,
unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt. d. R. 13.06.2023
4 Jun 2023
## LINKS
[1] /Wagenknecht-und-eine-neue-Partei/!5920101
[2] /Wagenknecht-bereitet-ihren-Abgang-vor/!5919761
[3] /Angekuendigter-Abschied/!5917115
[4] /Krise-der-Linkspartei/!5928190
[5] /Wagenknecht-und-die-Linke/!5899996
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
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Schwerpunkt Bürgerschaftswahl Bremen 2023
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