# taz.de -- Stop-Deportation-Camp am BER: „Wir sind nicht zum Urlaub hier“ | |
> Hunderte Aktivist*innen protestieren gegen Asylpolitik und den | |
> geplanten Bau eines Abschiebezntrums. Polizei und Nachbarn sehen das | |
> nicht gerne. | |
Bild: Im Versammlungszelt wird der Widerstand organisiert | |
BERLIN taz | Die Anreise [1][zum Protestcamp] ist spooky. Vom Terminal 1–2 | |
am BER soll man laut Navi dem Zaun des Flughafens folgen. Ein ödes | |
Niemandsland von Parkplätzen und Servicearchitektur, dann beginnt ein | |
Sandweg, der dem Zaunverlauf nach rechts folgt. An jeder Abzweigung des | |
Wegs sitzen Männer in dunklen Autos – Zivilpolizei? – oder Uniformierte in | |
ihren Wannen. Alle paar Minuten dröhnt ein Flugzeug im Landeanflug so dicht | |
über dem Kopf. Kurz vor dem Camp nahe des Kiekebusch Sees hängt ein Zettel | |
am Zaun und warnt, diesen Weg zu nehmen – wegen der Polizeipräsenz. | |
„Wir werden die ganze Zeit schikaniert“, erzählt ein junger Mann, der für | |
die Pressebetreuung zuständig ist. Seit Tagen verteilten Polizist*innen | |
Strafzettel von 50 Euro für Radfahrer*innen, die ein Handy in der Hand | |
halten – ohne würde man das Camp gar nicht finden – und jede Person of | |
Colour werde kontrolliert. Trotzdem müsse man jetzt mit der Polizei | |
kooperieren: Mehrfach seien Männer zum Camp gekommen, hätten die | |
Aktivst*innen bedroht. Daher habe man mit der Einsatzleitung nun über | |
Schutz geredet. „Dafür ist die Polizei ja da“, findet der Aktivist. | |
Bis kommenden Dienstag sollen nun 500 bis 600 Aktivist*innen auf | |
Einladung der Initiative „Abschiebezentrum BER verhindern“ in Sichtweite | |
des Flughafens tagen. Es geht gegen das geplante Ein- und Ausreisezentrum, | |
aber [2][auch generell gegen Abschiebungen] und für offene Grenzen. Es wird | |
viel diskutiert und genetzwerkt werden, am Montag ([3][Start 13.30 Uhr am | |
Camp]) gibt es eine Demo zu den bestehenden und geplanten | |
Abschiebegebäuden. | |
Der Versammlungsbehörde der Polizei Brandenburg hatte all das nicht | |
gepasst: Im Vorfeld hatte sie versucht, den Protest mit harten Auflagen und | |
einem Ortswechsel zu verhindern – war damit aber zweimal vor Gericht | |
gescheitert. | |
## Zermürbendes System | |
Nun sitzen zur Eröffnung am Donnerstag vier Geflüchtete auf dem Podium in | |
einem rot-weiß gestreiften Versammlungszelt. Sulti Mandelin berichtet, | |
er*sie sei seit 10 Jahren in Deutschland und habe noch immer Probleme mit | |
den Papieren. „Wir sind hier wegen des Kolonialismus und seinen Folgen bis | |
heute, wegen der Ausbeutung unserer Länder, der Klimazerstörung und weißer | |
Vorherrschaft“, sagt er*sie. [4][Das Recht auf Bewegungsfreiheit] sei ein | |
Recht aller Menschen – Dutzende Aktivist*innen, die nach und nach | |
eintrudeln, applaudieren. | |
Was die Bedrohung durch Abschiebung für Betroffene bedeutet, erklärt Zango | |
Seydou, ein junger Mann aus Burkina Faso und Aktivist der Berliner Gruppe | |
„No Border Assembly“. „Die Angst ist extrem zermürbend, kann Menschen in | |
den Tod treiben“, sagt er. Auch er habe Depressionen gehabt, weil er Jahre | |
lang um sein Bleiberecht habe kämpfen müssen. „Nur weil ich Hilfe hatte, | |
habe ich das geschafft“, aber er kenne viele, die abgeschoben worden seien, | |
andere hätten sich das Leben genommen. | |
Omar aus Gambia erzählt von den Schwierigkeiten eines isolierten Lebens in | |
einem Flüchtlingsheim, mit acht Menschen auf einem Zimmer. „Es war | |
schwierig, Deutsch zu lernen“, dennoch habe er eine Ausbildung zum | |
Maschinen- und Anlagenführer abschließen können, berichtet er, schüchtern | |
und stolz zugleich. | |
Dann kündigt Sulti Mandelin die letzte Rednerin an: Napuli Langa, eine der | |
Leitfiguren der Flüchtlingsproteste vom Oranienplatz vor 10 Jahren. „Für | |
mich und viele ist sie Lehrerin und Vorbild“, sagt Mandelin, „von ihr haben | |
wir gelernt, für unsere Rechte zu kämpfen.“ Selbstbewusst steht Langa auf | |
und animiert die anderen Aktivisti, bekannte Slogans zu rufen wie „Say it | |
loud, say it clear, refugees are wellcome here“. | |
## Der Kampf geht weiter | |
Dann fragt sie rhetorisch ins Zirkusrund, warum Geflüchtete in Deutschland | |
nicht willkommen seien. „Warum sagt das System Deutschland, diese jungen | |
Männer“ – sie zeigt auf ihre Nebensitzer – seien Wirtschaftsflüchtlinge… | |
Die EU-Staaten seien mit ihrer Politik, ihren Waffenverkäufen Verursacher | |
von Elend und Flucht. „Wir sind nicht zum Urlaub hier“ – dennoch würde v… | |
allem Schwarzen Geflüchteten das Leben hier schwer gemacht. | |
Sulti Mandelin beschließt die Pressekonferenz mit dem Hinweis, dass der | |
Kampf auch nach dem Camp weitergehe. „Wir hören nicht auf, bis wir unsere | |
Rechte haben“, sagt er*sie kämpferisch. Wieder Applaus. | |
1 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Protestcamp-gegen-Abschiebungen-am-BER/!5935109 | |
[2] /Protestcamp-gegen-Abschiebungen-am-BER/!5935109 | |
[3] https://abschiebezentrumverhindern.noblogs.org/camp-2023/demo/ | |
[4] /Bewegungstermine-in-Berlin/!5932754 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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