# taz.de -- Parteitag der Berliner Linken: Zwei Neue proben den Aufbruch | |
> Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer führen die Linkspartei. Die | |
> bisherige Chefin Katina Schubert attackierte den schwarz-roten Senat | |
> scharf. | |
Bild: Erstmals hat die Linke eine Doppelspitze: Franziska Brychcy und Maximilia… | |
Berlin taz | Nach sechseinhalb Jahren an der Regierung und ebenso langer | |
Zeit unter Führung der Landesvorsitzenden Katina Schubert beginnt für die | |
Linke eine neue Zeit. Ihre neue Aufgabe heißt Opposition, ihre neue | |
Doppelspitze besteht aus Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer. Auf | |
ihrem Landesparteitag am Wochenende in den [1][Reinbeckhallen] in | |
Oberschöneweide entfielen dabei 85 Prozent der 153 Delegiertenstimmen auf | |
die bildungspolitische Sprecherin der Abgeordnetenhausfraktion sowie 73 | |
Prozent auf den Vorsitzenden der Pankower Linken, der sich gegen einen | |
Gegenkandidaten behaupten musste. | |
Der landespolitisch bislang wenig bekannte Schirmer, Jahrgang 1990, hielt | |
dabei die mitreißendere, programmatischere Rede. Die Partei müsse ein | |
„Berlin entwickeln, das sich zumindest teilweise aus der Marktlogik | |
befreit“, so Schirmer. Er kündigte eine „programmatische Neuaufstellung“ | |
bis zur Wahl 2026 an – zusammen mit der Stadtgesellschaft, mit | |
Gewerkschaften, Initiativen und Vereinen. Für die Partei gelte dabei „öfter | |
mal zuzuhören und nicht immer nur zu überzeugen“. | |
Die Linke müsse „mit einem Kraftakt aus der Abwärtsspirale befreit“ werde… | |
Gezielt sollen neue Mitglieder vor allem auch unter jenen 40 Prozent der | |
Berliner:innen mit Migrationsgeschichte geworben werden, so Schirmer: | |
„Wir wollen eine moderne Linke, eine diverse Linke, eine, die die Stadt | |
repräsentiert und gestaltet.“ Das Ziel dabei ist eindeutig und | |
unumstritten: Die Berliner Linke will zurück an die Regierung. | |
Bis dahin aber kündigte Franziska Brychcy eine wahrnehmbare | |
Oppositionsarbeit im Abgeordnetenhaus an. „Jede Plenarsitzung wird für uns | |
ein Fest.“ Die SPD werde man „sehr gern daran erinnern“, was unter einem | |
rot-grün-roten Bündnis möglich gewesen wäre. Druck werde man hochhalten in | |
der Frage der Enteignung der großen Immobilienunternehmen; auch sei man | |
bereit, ein mögliches zweites Volksbegehren von [2][„Deutsche Wohnen & Co | |
enteignen“] zu unterstützen. „Wir wollen gemeinsam die Stadt von unten | |
entwickeln“, so Brychcy, die vielen in der Partei als Versöhnerin und | |
Teamplayerin gilt. | |
## Linker Flügel eingebunden | |
Der Parteitag verlief ohne große Kontroversen oder Überraschungen. Der | |
Leitantrag unter dem Titel „Die Zukunft der Stadt solidarisch entwickeln“ | |
entfachte kaum Widerspruch und wurde mit nur einer Handvoll Gegenstimmen | |
und Enthaltungen angenommen. Versöhnt ist die Partei auch in ihrem | |
jahrelangen zentralen Streitfeld – Regieren oder Opponieren. Hinter der | |
Formel des „rebellischen Regierens“ können sich alle Strömungen der | |
Landespartei versammeln. | |
Auch personell spiegelt sich diese Entwicklung der Partei wieder: durch die | |
Einbindung jener linken Kräfte in den Landesvorstand, die lange nur außen | |
vor waren. So wurden als stellvertretende Vorsitzende die Parteilinken | |
Katalin Gennburg, Fraktionssprecherin für Stadtentwicklung, und Ruben | |
Lehnert, Sprecher des Bezirksverbandes Neukölln gewählt. Ergänzt wird die | |
Riege der Vizes durch Björn Tielebein aus Marzahn-Hellersdorf und Deniz | |
Seyhun aus Mitte. | |
Zu Beginn des Parteitages hatte sich Katina Schubert nach sechseinhalb | |
Jahren an der Spitze der Berliner Linken verabschiedet – wenig wehmütig als | |
vielmehr angriffslustig. Hart attackierte sie dabei Berlins neuen Senat und | |
den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (SPD). Bei ihm paarten sich | |
„Piefigkeit und Provinzialität mit stockkonservativer Haltung“, so | |
Schubert. Sie verwies abermals auf die Vornamensabfrage in der | |
Silvesterdebatte. Seine Wahl, in der „sehenden Auges“ die AfD zum Zünglein | |
an der Waage werden konnte, sei „verantwortungslos und dieser Stadt nicht | |
würdig“. | |
Franziska Giffey (SPD) warf sie vor, sich ins Wirtschaftsressort geflüchtet | |
und nicht „den Mumm“ zu haben, zuständige Senatorin für den Neubau zu | |
werden, den sie stets zur Chefinnensache erklärt hatte. In der | |
schwarz-roten Koalition kämen nun ihr „infantiles Bauen Bauen Bauen“ mit | |
„Auto Auto Auto“ zusammen. Die ersten Regierungsmaßnahmen – das | |
Zurückziehen des letzten Teiles des Mobilitätsgesetzes und die Ankündigung, | |
Mietsteigerungen in den landeseigen Wohnungsbaugesellschaften wieder | |
zuzulassen – zeigten, „wohin die Reise geht“. | |
Ein bisschen Wehmut gab es dann bei Schubert doch, dieser galt aber weniger | |
dem Ende des eigenen Amtes als dem Ende der Regierungsbeteiligung ihrer | |
Partei. „Wir waren mit dem rot-grün-roten Senat trotz aller Widerstände und | |
Rückschläge auf einem guten Weg“, so Schubert. Bei ihrem Dank an die | |
ehemaligen Senator:innen Klaus Lederer, Lena Kreck und der | |
krankheitsbedingt abwesenden Katja Kipping flossen dabei sogar Tränen. | |
Um die Partei will Schubert, die stellvertretende Bundesvorsitzende ist, | |
dabei weiter kämpfen. Großen Applaus erhielt sie für eine Ansage an Sarah | |
Wagenknecht und deren Kokettieren mit einer Parteineugründung: „Wer glaubt, | |
die Partei erpressen zu können, irrt. Wer eine andere Ausrichtung der | |
Partei möchte, muss um Mehrheiten ringen, nicht um Sendezeit in Talkshows“, | |
sagte Schubert. | |
13 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://stiftung-reinbeckhallen.de/ | |
[2] https://dwenteignen.de/ | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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