# taz.de -- Klimaschutz in Niedersachsen: Rot-Grün bohrt Klimagesetz auf | |
> Die niedersächsische Landesregierung will das Land nun schon bis 2040 | |
> klimaneutral machen. Für bedeutende Vorhaben ist ein Klimacheck | |
> vorgesehen. | |
Bild: Torfabbau verträgt sich nicht mit den Klimazielen, deshalb soll er verbo… | |
HANNOVER taz | Als die Grünen noch in der Opposition waren, hatten sie gut | |
reden: Zu wenig, zu spät, zu unverbindlich lautete ihre Kritik am | |
niedersächsischen Klimagesetz. Jetzt tragen sie selbst | |
Regierungsverantwortung und sind in der Verlegenheit, selbst nachschärfen | |
zu müssen. Am Mittwoch brachten die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen | |
[1][ihren Vorschlag für die dritte Novelle des Klimagesetzes in den Landtag | |
ein]. Nach der Sommerpause wird sie in den Fachausschüssen beraten. | |
## Klimaneutral bis 2040 | |
Niedersachsen will bis 2040 klimaneutral werden (bisher galt 2045), die | |
Landesverwaltung schon bis 2035. Dazu müssen die Treibhausgas-Emissionen | |
bis 2030 um 75 Prozent und bis 2035 um 90 Prozent verringert werden. | |
Jährliche Zwischenziele und Ziele für die einzelnen Sektoren werden in der | |
Klimaschutzstrategie des Landes festgeschrieben, die 2024 erneuert werden | |
soll. | |
## Vorrang für Klimaanliegen | |
Genehmigungs- und Entscheidungsverfahren, die Klimaschutzziele betreffen, | |
sollen künftig in allen Behörden – auch in den Kommunen – priorisiert | |
werden. Dazu werden sie als Anliegen von „überragendem öffentlichen | |
Interesse“ definiert. Dahinter hat beispielsweise [2][auch der | |
Denkmalschutz zurückzustehen]. Das betrifft nicht nur Genehmigungsverfahren | |
für Windkraft- und Photovoltaikanlagen, sondern auch Maßnahmen, die der | |
Anpassung an Klimafolgen dienen, wie beispielsweise der Hochwasserschutz. | |
## Klimacheck und Klimarat | |
Bei Vorhaben „von wesentlicher Bedeutung“ soll künftig ein Klimacheck | |
verpflichtend sein – so ähnlich, wie heute schon bei Entscheidungsvorlagen | |
beziffert werden muss, wie sie sich finanziell und in | |
Gleichstellungsbelangen auswirken. Als Kontrollorgan soll ein Klimarat | |
eingeführt werden. Er soll sich aus unabhängigen Wissenschaftlern und | |
Vertretern der Zivilgesellschaft zusammensetzen, die jährlich die | |
Einhaltung der Ziele überprüfen und Vorschläge zur besseren Umsetzung | |
machen. Die Mitglieder werden vom Umweltministerium vorgeschlagen und von | |
der Landesregierung ernannt. | |
## Mehr Photovoltaik-Flächen | |
Um die Umstellung auf erneuerbare Energien zu fördern, sollen nicht nur 2,2 | |
Prozent der Landesfläche als Vorranggebiete für die Windenergie, sondern | |
auch 0,5 Prozent der Fläche für Freiflächen-Photovoltaik ausgewiesen | |
werden. Um Flächennutzungkonflikte mit der Landwirtschaft zu minimieren, | |
gibt es aber künftig Vorgaben, welche Bodentypen dafür infrage kommen. | |
Außerdem sollen „Agri-PV“-Anlagen, also Anlagen, die eine Doppelnutzung als | |
landwirtschaftliche Fläche und Photovoltaik erlauben, stärker gefördert | |
werden. | |
## Dächer und Parkplätze | |
Bei Gebäuden soll [3][nicht nur für Neubauten], sondern auch bei | |
grundlegenden Dachsanierungen eine Photovoltaikpflicht gelten. Für eine | |
sozialverträgliche und wirtschaftliche Ausgestaltung soll es eigene | |
Förderprogramme geben. Parkplätze sollen beim Neubau oder der Sanierung | |
ebenfalls eine PV-Überdachung erhalten. Und zwar schon ab 25 Stellplätzen, | |
nicht wie bisher vorgesehen erst ab 50. | |
## Torfabbau beenden | |
Der [4][Abbau von Torf ist in Niedersachsen ein heiß umstrittenes Thema]. | |
Weil die Böden große Mengen CO2 freisetzen, gilt er als besonders | |
schädlich. Gleichzeitig ist er ein bedeutsamer Wirtschaftszweig. Das neue | |
Gesetz sieht ein grundsätzliches Abbauverbot vor – mit wenigen Ausnahmen, | |
zum Beispiel bei der Wiedervernässung von Mooren. Allerdings gilt dies nur | |
für neue Genehmigungen. Viele Unternehmen verfügen noch über lang laufende | |
Genehmigungen. | |
## Kritik des BUND | |
Der BUND begrüßt das Torfabbauverbot, kritisiert aber, dass jetzt schon | |
vorliegende Anträge noch nach altem Recht entschieden werden sollen. | |
Überhaupt fehle es an konkreten Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung von | |
natürlichen Kohlenstoffsenken wie Mooren, Wäldern und Auen. Beim Ausbau der | |
erneuerbaren Energien müsste stärker auf eine naturverträgliche | |
Ausgestaltung geachtet werden. | |
## Kritik der CDU | |
Der umweltpolitische Sprecher der CDU, André Hüttemeier, kritisierte, die | |
Landesregierung mache die gleichen Fehler wie die Ampel. Unklare Regelungen | |
schürten Ängste bei Hausbesitzern, außerdem würden Bürokratiemonster | |
geschaffen statt wirksamer Förderprogramme. | |
Vollständig fehlen würden dagegen Themen wie Tiefengeothermie, Biogas, | |
Netzausbau und intelligente Netze. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien | |
würden außerdem das Verbandsklagerecht und die mangelnden Genehmigungen für | |
Schwerlasttransporte Probleme machen. | |
Immerhin stellt die CDU die Klimaziele nicht grundsätzlich infrage – anders | |
als die AfD, die schon vorher für einen Eklat gesorgt hat. Zur von ihr | |
beantragten aktuellen Stunde zum „Gebäudeenergiegesetz“ – ein Bundesthem… | |
das nicht im niedersächsischen Landtag entschieden wird – posierten die | |
Fraktionsmitglieder mit [5][Protestschildern mit der Aufschrift „Keine | |
Heizung ist illegal“] und freuten sich sichtlich über die eigene | |
Provokation. | |
23 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://plenartv.de/tagungsabschnitt/19-8 | |
[2] /Streit-um-Solaranlagen-auf-Baudenkmaelern/!5850215 | |
[3] /Solardachpflicht-in-Niedersachsen/!5840531 | |
[4] /Landtagswahl-in-Niedersachsen/!5881972 | |
[5] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Populismus-pur-AfD-sorgt-mit-P… | |
## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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