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# taz.de -- Urabstimmung der EVG über Streik: Die Bahn wünscht schönen Urlaub
> Die Verkehrsgewerkschaft EVG geht in die Urabstimmung über unbefristete
> Streiks. Damit drohen in den Sommerferien massive Zugausfälle. Die Bahn
> spricht von einer unnötigen Eskalation. Stimmt das?
Bild: Noch fahren die Bahnen wie hier in München
Für Zugreisende könnte es noch in der Sommerferienzeit ungemütlich werden.
Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn droht die
Eisenbahngewerkschaft EVG mit einem unbefristeten Streik. „Wir werden jetzt
in die Vorbereitung der Urabstimmung gehen, mit allen damit verbundenen
Folgen“, kündigte der EVG-Vorsitzende Martin Burkert am Donnerstag in
Berlin an.
Laut Burkert dürfte es bis zum Abschluss der Urabstimmung unter den rund
110.000 bei der Bahn beschäftigten EVG-Mitgliedern etwa vier bis fünf
Wochen dauern. Für einen unbefristeten [1][Ausstand] bedarf es der
Zustimmung von mindestens 75 Prozent der Abstimmenden. Dass dieses Quorum
erreicht wird, gilt als Formsache.
Das bedeutet jedoch noch nicht zwangsläufig, dass es tatsächlich zu einem
großen Streik kommen wird. Die Gewerkschaft sei weiter verhandlungsbereit,
sagte Burkert. Doch um zu einem Abschluss zu kommen, müsse der Bahnvorstand
„jetzt noch einmal ordentlich nachlegen“. Der EVG-Vorsitzende wies darauf
hin, dass auch während der Urabstimmung Warnstreiks möglich seien, um den
Druck auf den Arbeitgeber zu erhöhen.
Am Mittwochabend hatte die EVG die seit Ende Februar laufenden
Tarifgespräche für gescheitert erklärt. Zuletzt hatte der Bahnvorstand eine
Lohnerhöhung von jeweils 200 Euro brutto im Dezember 2023 und im August
2024 angeboten, plus eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 2.850
Euro. Die Laufzeit des Tarifvertrags sollte 27 Monate betragen.
## Nicht mal in der Nähe der Forderungen
Angesichts dieser sehr langen Laufzeit sei der Betrag, um den die Löhne
insgesamt steigen sollten, viel zu niedrig, begründete die EVG ihre
Ablehnung. Außerdem kämen die Gehaltssteigerungen zu spät. Die Gewerkschaft
war mit der Forderung nach einer rückwirkend ab März dieses Jahres
geltenden Lohnerhöhung um 650 Euro brutto oder 12 Prozent für die oberen
Lohngruppen in die Verhandlungen gegangen. Nach ihrer Vorstellung soll die
Laufzeit des Tarifvertrags 12 Monate betragen. „Dass wir unsere Forderung
nicht in voller Höhe durchsetzen werden, ist völlig klar, aber in die Nähe
wollen wir schon kommen“, sagte Burkert. In den Verhandlungen sei aber klar
geworden, dass die Arbeitgeberseite nicht zu einem substanziell besseren
Angebot bereit sei.
Der Bahnvorstand reagierte mit Unverständnis auf den Abbruch der
Verhandlungen. Die Drohung mit einem unbefristeten Streik sei eine absolut
unnötige Eskalation. Eine Einigung sei „zum Greifen nah“ gewesen, sagte
Personalvorstand Martin Seiler. „Wir waren bereit, an unsere Grenze zu
gehen, damit ein guter, ausbalancierter Abschluss zustande kommt“,
beteuerte er. Es seien bereits „viele Teileinigungen“ erzielt worden und
140 Seiten Tariftext bereits fertig gewesen. „Die EVG wirft einen fast
fertigen Abschluss weg und setzt kurz vor dem Ziel alles auf Null“,
kritisierte Seiler und warf der Gewerkschaft vor, nicht kompromissbereit zu
sein. „Was jetzt passiert, ist unglaublich“, empörte er sich.
Ganz so überraschend kommt es allerdings nicht, dass sich die EVG mit dem
zuletzt gemachten Angebot des Bahnvorstands nicht abfinden will. Denn es
bleibt hinter dem zurück, was die Gewerkschaft in dieser Woche mit privaten
Konkurrenten des Staatskonzerns ausgehandelt hat. So vereinbarte sie am
Dienstag mit der Transdev-Gruppe eine Lohnerhöhung in zwei Stufen von
insgesamt 420 Euro. Der Tarifvertrag mit einer Laufzeit von 21 Monaten
sieht darüber hinaus eine Inflationsausgleichprämie von bis zu 1.400 Euro
vor. Die Transdev ist nach der Deutschen Bahn das größte
Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland, sie umfasst unter anderem die
Bayerische Regiobahn, die [2][NordWestBahn] und die Württembergische
Eisenbahn-Gesellschaft.
Vergleichbare Einigungen gibt es auch mit der Abellio, die Regionalbahnen
in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Westfalen betreibt, sowie mit der
schleswig-holsteinischen NEG. Weitere Eisenbahnverkehrsunternehmen haben
zugesagt, auf diesem Niveau ebenfalls einen Tarifvertrag vereinbaren zu
wollen.
## Kampffähigkeit der EVG unklar
Die Abschlüsse der privaten Konkurrenz seien „natürlich“ der Maßstab, an
dem sich die Deutsche Bahn messen lassen müsse, sagte die
EVG-Tarifvorständin Cosima Ingenschay. Doch diese Vereinbarungen als
Blaupause nehmen wollte der Bahnvorstand nicht. Auch Ingenschay
versicherte: „Wir können jederzeit weiter verhandeln.“
Bereits zwei Mal hat die EVG im laufenden Tarifkonflikt mit Warnstreiks den
Bahnverkehr lahmgelegt. Einen dritten Ausstand, der 50 Stunden dauern
sollte, sagte die Gewerkschaft Mitte Mai kurzfristig wieder ab, nachdem sie
sich mit dem Bahnvorstand vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main in der
Frage des Mindestlohns für Bahnbeschäftigte auf einen Vergleich geeinigt
hatte.
Wie kampffähig die EVG tatsächlich ist, hat sie bisher noch nicht unter
Beweis stellen müssen. Denn anders als bei zurückliegenden Streiks der
[3][Konkurrenzgewerkschaft GDL] hat der Bahnvorstand in ihrem Fall bislang
nicht einmal versucht, einen Notfahrplan aufzustellen.
Über den Verhandlungen mit der EVG schweben auch die Forderungen der GDL.
Die Lokführergewerkschaft gab Anfang Juni bekannt, sie fordere 555 Euro
mehr pro Monat, eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro
und eine Absenkung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden pro Woche für
Schichtarbeiter:innen bei vollem Lohnausgleich. Für die GDL gilt noch
eine Friedenspflicht bis Ende Oktober. Dann könnte auch sie wieder zum
Streik aufrufen.
22 Jun 2023
## LINKS
[1] /Streik-in-Grossbritannien/!5901620
[2] /Bundespolizei-sucht-nach-Linken-in-Zuegen/!5938252
[3] /Die-Wahrheit/!5798021
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Schwerpunkt Bahnstreik
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