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# taz.de -- Buch über Architektur der DDR: Exportschlager Weltflucht
> Die DDR exportierte global Architektur. Doch preußischer und
> internationaler Kommunismus waren nur schwer vereinbar, wie ein neues
> Buch beschreibt.
Bild: Wie sah eigentlich die gebaute DDR im Ausland aus? Entwürfe für ein Sta…
Mit dem 1967 gebauten Außenministerium in Berlin wollte sich die DDR vor
der Welt als souveräner Staat zeigen. 1995 allerdings war dies im
wiedervereinten Deutschland passé, und der durchaus elegante zehnstöckige
Riegel wurde noch vor dem Palast der Republik abgerissen.
Auch der geplante erste Pavillon, mit dem sich die DDR für die Expo 1992 in
Sevilla präsentieren wollte, symbolisierte eine gewisse Eigenstaatlichkeit.
Doch übrig blieb der westdeutsche Entwurf, mit „Sonnensegel über einem
bayrischen Biergarten“, dem „Fragmente der Berliner Mauer und Volkskunst
aus der Mark Brandenburg ostdeutsche Töne“ hinzufügten.
So heißt es im materialreichen Buch „Der Architekturexport der DDR“,
herausgegeben von Andreas Butter und Thomas Flierl. Jetzt, da [1][die
Architektur der DDR wieder mehr Wertschätzung erfährt], machen die zwei
Kulturwissenschaftler mit der Publikation auf einen weitgehend unbekannten
Aspekt der DDR-Bauindustrie aufmerksam.
Denn der Export-Internationalismus des sozialistischen Staats war global,
reichte nach Sansibar und Vietnam, Kuba oder Libyen. In der begleitenden
Online-Datenbank sind über 400 Bauten und nicht realisierte Entwürfe in
mehr als 60 Ländern aus 40 DDR-Jahren versammelt.
## Sechzig Frachtschiffe für Vietnam
Die junge DDR hatte mit Wiederaufbau, Demontagen, Devisenmangel sowie dem
Zerfall der Innenstädte zu kämpfen. Internationale Solidarität war nicht
selbstverständlich. Vielmehr lässt sich mit deutschen
Bombardierungserfahrungen erklären, warum die DDR in den 1960er Jahren
Hilfe für zerstörte Städte in Nordkorea oder Vietnam leistete.
Via Rostock kamen nun 60 Frachtschiffe und lieferten DDR-Güter – Kräne,
Lastwagen bis hin zu Türbeschlägen – für ganze Wohnviertel nach Vietnam.
Deren Entwurf „war eine – von sowjetischen Planungsprinzipien beeinflusste
– Stadtplanungstechnik ‚auf Reisen‘, die von deutschen Technikern und
vietnamesischen Architekten mit osteuropäischen Hochschulabschlüssen nach
Vinh exportiert wurde“, schreibt Christina Schwenkel.
Architekt Franz Ehrlich – von ihm stammt das heute denkmalgeschützte
Rundfunkzentrum in der Berliner Nalepastraße – hatte das Haus des Handels
in Peking entworfen. Doch 1956, so schreibt Wolfgang Thöner, wurde das
Projekt „liquidiert“, der von Ehrlich eingeplante Stahl musste im
Fabrikkomplex für Radar und Radios eingesetzt werden. In dessen eleganter
DDR-Shedhalle hat sich heute das Goethe-Institut Peking eingerichtet.
War der Direktexport des DDR-Plattenbaus bis nach Schweden möglich, blieb
er in Richtung Afrika oftmals schwierig, weshalb man dort ungewohnte
Wagnisse einging. Der Stadtplaner Hubert Scholz konnte 1965 in Sansibar den
Abriss der arabischen Sklavenstadt Stone Hill abwenden, heute ein
Unesco-Weltkulturerbe, doch die Innenstadt von Halle zerfiel weiter.
## Wirkliche solidarische Zusammenarbeit
Genehmigte Auslandsreisen waren rar und viele Projekte aus der Ferne
entworfen. Anders beim Ehepaar Baumbach, das auf Einladung des Staats
Äthiopien drei Jahre in Addis Abeba lebte. Gemeinsam planten sie dort lokal
ausdifferenzierte Stadtteile oder ein komplex geschachteltes Bürgerzentrum.
Realisiert wurde allerdings nur das erste und einzige Karl-Marx-Denkmal
Afrikas.
Die realsozialistische Moderne pendelte zwischen Partizipation und
Paternalismus. Der antikoloniale Aktivist Mário do Rosário, 1974 zum
blutjungen Leiter eines regionalen Bauministeriums in Mosambik ernannt,
beschreibt: „Ich habe in technischer und professioneller Hinsicht viel
gelernt, und ich denke, die Deutschen auch.“ Doch eine wirkliche
solidarische Zusammenarbeit „gibt es nicht. […] Es gibt eine Zusammenarbeit
zwischen Menschen, die persönlich an der Erschaffung einer neuen
Gesellschaft teilhaben möchten, aber die Makroökonomie lässt das nicht zu.“
Auch beim Bau des kubanischen Zementwerks 26 de Julio in den 1960er Jahren
als „Projekt einer sozialistischen Globalisierung“ blieben karibischer und
preußischer Kommunismus nur schwer vereinbar. „Politische Krämerseelen“
nannte [2][Fidel Castro] die Europäer aus der DDR und kritisierte Erich
Honeckers „Kaufmannsmentalität“.
Internationalismus buchstabierte sich häufig im Export von Bauten, Wissen
und Waffen aus. Zum einen trieben der Kalte Krieg und die
Dekolonisierungswelle um 1960 die DDR an. Zum anderen wurden allerdings
Kompensationsgeschäfte immer wichtiger: Galt am Anfang anderen
sozialistischen Staaten die Aufmerksamkeit, wandte man sich später
devisenstarken arabischen Staaten zu.
Die bei VEB Carl Zeiss Jena angestellte Gertrud Schille, sozusagen die
Corperate-Architektin des Betriebs, entwickelte in Libyens Hauptstadt
Tripolis von 1976 bis 1981 ein „Raumflugplanetarium“. Diese Planetarien
entwickelten sich zum Exportschlager von Algerien bis nach Kolumbien. In
der DDR selbst soll es bis zu 150 Zeiss-Sternwarten und Planetarien gegeben
haben. Dort waren kleinere Weltfluchten möglich.
9 May 2023
## LINKS
[1] /Neues-Museum-in-Potsdam/!5884528
[2] /Ral-Castro-wird-als-Staatschef-abgeloest/!5496206
## AUTOREN
Jochen Becker
## TAGS
DDR
Architektur
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