# taz.de -- Neues Museum in Potsdam: Widersprüchliche Stadt | |
> In Potsdam hat das Minsk, ein Museum für Kunst der DDR, eröffnet. Endlich | |
> eine Wertschätzung der Ostmoderne oder der gnädige Wink eines Mäzens? | |
Bild: Das Terrassenrestaurant Minsk 1980 | |
Wie gut, dass es jetzt ein prominentes Museum gibt, das sich der so arg | |
vernachlässigten Kunst der DDR widmet. Und wie gut ist es, dass es sich in | |
einem so eleganten Bau der Ostmoderne, dem ehemaligen Café Minsk in | |
Potsdam, befindet. Eröffnet 1977 unter anderem nach Plänen des Architekten | |
Karl-Heinz Birkholz, legt sich das Terrassenrestaurant kaskadenartig in | |
einen Berghang. Eine Stadtvilla für die Bevölkerung ist eigentlich „Das | |
Minsk“ – wie das neue DDR-Museum des schwerreichen Software-Unternehmers | |
und Bürger Potsdams, Hasso Plattner, nun simpel benannt ist. | |
Den Bau ließ die Stadt Potsdam aber seit Schließung des Cafés im Jahr 2000 | |
derart dahinrotten, dass es nun, bei seiner Wiedereröffnung am vergangenen | |
Wochenende, vielmehr ein Neubau nach alten Plänen ist. Es rottete genauso | |
dahin wie das ebenfalls von Birkholz entworfene Schwimmbad mit seinem kühn | |
geschwungenen Dach, mit dem das Café Minsk einst ein fröhliches Ensemble | |
bildete. | |
Das Schwimmbad ist längst abgerissen und von dem deutschen | |
Megaarchitekturbüro gmp durch eine derart öde Kiste ersetzt worden, dass | |
man nur die Augen verschließen möchte angesichts der Ignoranz, die man so | |
viele Jahre gegenüber einer DDR-Architektur hat walten lassen. Als müssten | |
die auch mal freudvollen Seiten des Sozialismus stets von der harten Seite | |
des Kapitalismus mit billigem Putz überdeckt werden, wie an so vielen Orten | |
in der ehemaligen DDR. | |
## Abriss DDR-Moderne, Neubau Barock | |
Doch etwas ist seltsam an dieser regelrechten Wiedergeburt des Minsk. Das | |
beginnt beim Blick über die Stadt Potsdam von der Bar des Minsk aus | |
(serviert wird ausschließlich Wein aus ostdeutschen Gebieten), wo einen | |
[1][der im Bau befindliche Glockenturm der Garnisonkirche anblickt], dessen | |
umstrittene Rekonstruktion auch von Rechtsradikalen angetrieben wird. Das | |
setzt sich fort mit einem Blick auf Potsdams Mitte, wo gerade – [2][unter | |
viel Protest – die ostmoderne Fachhochschule abgerissen wurde], um dem | |
Projekt eines wiederaufgebauten barocken Stadtkerns zu weichen. | |
[3][Einem Barock, den der Software-Unternehmer Hasso Plattner genauso | |
finanziert hat wie die Wiedereröffnung des Minsk]. Denn dort befinden sich | |
sein weiteres Privatmuseum, das im italienischen Stil errichtete | |
Barberini-Palais, und der von Plattner bedeutend mitfinanzierte Landtag in | |
Gestalt des 1959 abgetragenen Stadtschlosses. Lange bediente also ein | |
Privatmäzen die nostalgischen Bestrebungen der – häufig aus dem Westen | |
zugezogenen – Preußenromantiker in Potsdam – und baute sich kraft seines | |
Vermögens seine eigene historische Stadt. | |
Jetzt begibt er sich mit dem Minsk auf die Seite derjenigen, die doch auch | |
die DDR-Geschichte gewürdigt sehen wollen. Ist das nicht widersprüchlich? | |
Vielleicht ist Plattner auch einfach ein guter Unternehmer. Denn das Café | |
Minsk hat er der Stadt abgekauft, einschließlich seiner großzügigen | |
Grünanlage in bester städtebaulicher Lage. Die Baugruben für die neuen | |
Apartmenthäuser sind schon ausgehoben. | |
29 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Sophie Jung | |
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