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# taz.de -- Entscheid über Schwarz-Rot in Berlin: Was hält die SPD aus?
> Am Sonntag wird bekannt, ob es in Berlin zu Schwarz-Rot kommt. Auch bei
> einem „Ja“ der SPD-Basis werden tiefe Wunden in der Partei bleiben.
Bild: Der Mitgliederentscheid ist auch eine Abstimmung über Giffeys politische…
Dieser Samstag ist in der Berliner SPD [1][der Ruhe und der Spekulation]
gewidmet. Bis Freitag, 23.59 Uhr, durften die rund 18.500 hiesigen
Mitglieder darüber abstimmen, ob sie den mit der CDU [2][ausgehandelten
Koalitionsvertrag] für ausreichend halten, um als Juniorpartner mit der
Union bis 2026 Berlin zu regieren. Ausgezählt wird aber erst am Sonntag.
Wie, also, könnte der Entscheid ausgegangen sein?
Die Parteiführung um Raed Saleh und die Noch-Regierende Bürgermeisterin
Franziska Giffey hatte bekanntlich die Urabstimmung durchgesetzt, in der
Hoffnung, dass die Basis konservativer tickt als die aktuellen Delegierten
eines Parteitags. Deren erstes Treffen nach dem Wahldebakel vom 12.
Februar, bei dem die SPD zum dritten Mal in Folge ihr historisch
schlechtestes Ergebnis in Berlin holte, soll erst Ende Mai stattfinden –
und nur massiver Druck verhinderte einen noch späteren Termin. Schon diese
Taktik war den Kritiker*innen des Koalitionsvertrags [3][sauer
aufgestoßen].
Viele bemängeln darüber hinaus, dass der Landesvorstand sie benachteilige
und sogar ausgrenze, wenn es um die Kommunikation mit den Mitgliedern gehe.
In einem [4][viel beachteten Interview mit N-TV] erklärte die Vorsitzende
des SPD-Ortsverbands Kreuzberg 61, Hannah Lupper, vor wenigen Tagen: „Seit
Wochen erreichen uns an der Basis täglich E-Mails des Landesvorstandes, in
denen die Segnungen der Großen Koalition gepriesen werden. Aber
Gegenpositionen kommen darin nicht vor.“ Gegner*innen von Schwarz-Rot
würden die parteiinternen Kanäle verschlossen bleiben. Luppers
Schlussfolgerung: „Da laufen Dinge – das geht gar nicht.“
Doch ist diese Taktik ein Zeichen, dass in der Parteiführung die Angst vor
einer Niederlage umgeht – oder vielmehr der Hinweis, dass man den
erwarteten Sieg noch zementieren möchte? Das bleibt genauso unklar wie die
Antwort auf die Frage, ob der von den Jusos – von Anfang an erklärte
Gegner*innen einer Zusammenarbeit mit der CDU – angekündigte
[5][“größtmögliche Widerstand“] und die entsprechende Kampagne auf Reson…
an der Basis gestoßen sind.
Die größte Schwierigkeit bei allen Spekulationen: Der größte Teil der
Abstimmungsberechtigten sind passive Mitglieder, die kaum je eine
Versammlung besuchen oder auf andere Weise sich an Debatten beteiligen.
Unklar ist zudem, ob ältere Mitglieder – der Berliner
Durchschnittssozialdemokrat ist 52,4 Jahre alt – eher an einer
Regierungsbeteiligung, egal zu welchem Preis, festhalten oder angesichts
der traumatischen Erfahrungen der SPD aus der großen Koalition bis 2001
genau die andere Schlussfolgerung ziehen.
Allgemein lässt sich nur sagen, dass anders als zu Beginn der Abstimmung
vor drei Wochen viele Parteimitglieder einen knappen Ausgang erwarten. Egal
in welche Richtung.
## Giffey braucht einen klaren Erfolg
Allerdings bräuchte vor allem Franziska Giffey nach ihrem freiwilligen
Verzicht auf das Rote Rathaus – eine Fortsetzung der Koalition mit Grünen
und Linken wäre ja rechnerisch problemlos möglich gewesen – ein klares und
deutliches Ergebnis, um ihre Position in der Partei zu sichern. Die
Regierende, 2022 nur mit mageren 60 Prozent als Parteichefin bestätigt,
kämpft um ihr politisches Überleben. Wie angeschlagen sie ist, wird sich
bei einem „Ja“ der Mitglieder daran ablesen lassen, welchen Posten im Senat
sie bekommt.
Bei einem „Nein“ könnten sich Giffey und wohl auch Saleh kaum noch an der
Parteispitze halten. Eine dann wieder mögliche rot-grün-rote Koalition
müsste ohne sie auskommen – wobei völlig offen ist, wer anstelle von Giffey
ins Rote Rathaus einziehen könnte. Die Debatte in der SPD über den
künftigen Kurs würde von Neuem aufbranden – ob sie unter diesen Umständen
überhaupt regierungsfähig ist, bezweifeln viele.
So könnte es zu der absurd anmutenden Situation kommen, dass die Grünen in
eine Koalition mit der CDU gedrängt werden, nachdem die SPD diese abgelehnt
hat. Doch Schwarz-Grün wäre dann die letzte mögliche Option. Auch aus
diesem Grund betonen viele Grüne in den letzten Tagen, dass die Tür zu
Rot-Grün-Rot wieder aufgestoßen werden könnte.
Doch auch bei einem „Ja“ werden Giffey und Saleh wie schon nach der
Klatsche auf dem Parteitag im Juni 2022 auf eine Versöhnungstour durch die
Ortsverbände gehen müssen. Zu laut, zu forsch war die Kritik von den
Gegner*innen von Schwarz-Rot an ihrem Führungsstil.
Ob sie dabei erfolgreich sein werden, hängt davon ab, ob sich zum einen
eine personelle Alternative vor allem zu Giffey herauskristallisiert, und
zum anderen, wie Schwarz-Rot startet. Vor allem die mit der CDU vereinbarte
künftige Innen- und Sicherheitspolitik, die eine SPD-Senatorin –
wahrscheinlich erneut Iris Spranger – umsetzen müsste, ist beim linken
Parteiflügel in die Kritik geraten.
Klar ist damit schon jetzt: Der Parteivorstand hat die Debatte während des
Mitgliederentscheids unterschätzt. Statt um bloßes Abnicken geht es ums
Ganze – mit Folgen, die noch bis 2026, dem Jahr der nächsten Wahl, spürbar
sein werden.
22 Apr 2023
## LINKS
[1] /SPD-Mitgliedervotum-zu-Koalitionsvertrag/!5926246
[2] /Koalitionsverhandlungen-von-CDU-und-SPD/!5925481
[3] /Mitgliederentscheid-der-Berliner-SPD/!5925981
[4] http://www.n-tv.de/politik/In-der-Berliner-SPD-laufen-Dinge-das-geht-gar-ni…
[5] /Teile-der-SPD-rebellieren-gegen-Giffey/!5916437
## AUTOREN
Bert Schulz
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