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# taz.de -- Mexikos Präsident und die Fentanyl-Krise: Zwischen Politik und Wir…
> Präsident López Obrador macht die Familienverhältnisse in den USA für die
> Fentanyl-Krise verantwortlich. Zu familiärer Gewalt in Mexiko schweigt
> er.
Bild: Schweigt zur familiären Gewalt: der mexikanische Präsident Obrador
An allem ist die Familie schuld. Die ist verkommen, wie Mexikos Präsident
Andrés Manuel López Obrador weiß. Nein, nicht die mexikanische. Der
Staatschef spricht von den familiären Verhältnissen, unter denen die
Menschen in den USA leiden. „Die Familie ist am Zerfallen, es gibt viel
Individualismus und es fehlt an Liebe, an Brüderlichkeit, an Umarmungen, an
Liebkosungen“, erklärte er jüngst. Ganz schlimm: Die Eltern erlauben es
ihren Kindern nicht, lange genug zu Hause zu leben.
Das alles führe dazu, dass im nördlichen Nachbarland immer mehr Menschen
von der gefährlichen Droge Fentanyl abhängig würden, ist López Obrador
überzeugt. In Mexiko sei das ganz anders. Dort hätten familiäre Werte das
Land davor gerettet, dass massenhaft Menschen an dem Rauschgift zugrunde
gehen, findet der Präsident.
## Familiäre Gewalt ist in Mexiko endemisch
Nun ja, was soll man sagen? Über 160.000 Frauen haben laut dem
mexikanischen Ministerium für Sicherheit und Bürgerschutz im vergangenen
Jahr familiäre Gewalt angezeigt, zwei Drittel aller weiblichen Opfer werden
von ihren Ehemännern, Partnern oder Ex-Partnern angegriffen. Dem
Frauennetzwerk Nosotras tenemos otros datos [1][zufolge wird in sieben von
zehn Haushalten Gewalt ausgeübt, so viel wie sonst nirgends auf der Welt].
Wer würde da ans Ausziehen oder gar an Drogen denken?
Konservative Familienbilder, alternative Fakten und Heimattümelei gegen die
vermeintlich heruntergekommene Lebensweise im Imperium gehören zum
täglichen diskursiven Arsenal López Obradors.
## Millionen Gewehre über die Grenze geschmuggelt
Allerdings wäre es unfair, die nicht minder irren Gedanken jener zu
beleuchten, die ihn zu diesen Äußerungen veranlasst haben. Angesichts
Zehntausender, die in den USA jährlich an Fentanyl sterben, hatten
republikanische Abgeordnete gefordert, dass die US-Armee Drogenlabore und
Basen der Mafia auf mexikanischem Gebiet angreift – mit oder ohne
Genehmigung der dortigen Regierung. Eine absurde Idee, die aber angesichts
einer möglichen Wiederwahl des Republikaners Donald Trump zu einer
ernsthaften Bedrohung werden könnte.
Freilich weiß jeder, dass das US-Drogenproblem hausgemacht ist. Dass es ein
gesundheits- und sozialpolitisches Thema ist, nicht zuletzt hervorgerufen
durch die langjährige Kriminalisierung des Konsums von Marihuana, Kokain
oder Heroin. Zudem sind in den USA ansässige Rüstungsfirmen und lasche
[2][US-Waffengesetze dafür verantwortlich, dass Millionen Gewehre und
Pistolen über die Grenze geschmuggelt werden] und der organisierten
Kriminalität Mexikos zu ihrer Macht verhelfen.
## Es gibt keine Fentanylproduktion in China?
Vieles davon hat die mexikanische Regierung gegen die Angriffsfantasien der
Republikaner in Anschlag gebracht. López Obrador hätte es einfach dabei
belassen können. Aber vielleicht haben ihn, wie wohl auch die Republikaner,
die 2024 anstehenden Wahlen dazu getrieben, die Debatte weiter zuzuspitzen.
Jedenfalls erklärte er, in seinem Land werde gar kein Fentanyl hergestellt.
Ein paar Wochen vorher hatte das mexikanische Militär 530.000 Tabletten und
30 Kilo Pulver der Substanz beschlagnahmt, über 1.200 Laboratorien wurden
seit Ende 2019 hochgenommen.
Zudem bat der Präsident seinen chinesischen Kollegen Xi Jinping, aus
humanitären Gründen und wegen der interventionistischen Avancen der
Republikaner den Fentanylfluss aus seinem Land zu kontrollieren. Der
wiederum antwortete, in China gebe es keinen illegalen Fentanylhandel. Was
natürlich ebenfalls Quatsch ist. In den Pazifikhäfen Mexikos wird das
künstliche Opiat immer wieder auf chinesischen Schiffen sichergestellt,
bewiesenermaßen gibt es in China Tausende Labore.
Zusammengefasst: Rechte US-Politiker wollen die Mafia in einem Land
bombardieren, in dem gar kein Fentanyl hergestellt wird, und eigentlich
gibt es das Zeug gar nicht, weil der Hauptlieferant China die Droge auch
nicht für den illegalen Markt produziert. Im wirklichen Leben sind übrigens
am Freitag Regierungsvertreter aus Mexiko-Stadt ins Weiße Haus gereist, um
über das Vorgehen gegen mexikanische Kartelle zu beraten, die Fentanyl
herstellen und in die USA schmuggeln.
17 Apr 2023
## LINKS
[1] /Getoetete-Frauen-in-Lateinamerika/!5666531
[2] /Mexiko-verklagt-US-Waffenkonzerne/!5791859
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
Kolumne Latin Affairs
Mexiko
Andrés Manuel López Obrador
Schwerpunkt Femizide
Waffen
Opium
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Schwerpunkt Berlinale
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