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# taz.de -- Film zu Gesellschaftsproblemen in Mexiko: Ein Film für Konservative
> Luis Estradas Film „Que viva México" zeigt überspitzt die Polarisierung
> in „Gute“ und „Schlechte“ auf, die Präsident López Obrador täglich
> provoziert.
Bild: Kritiker*innen werfen dem Film „Klassismus, Rassismus und Transphobie�…
Luis Estrada hätte sich keinen treffenderen Namen für das Dorf einfallen
lassen können, in dem sein neuester Film „Que viva México“ spielt: „La
Prosperidad“ ist ein trostloses Kaff irgendwo im trockenen Norden Mexikos.
„Der Wohlstand“, das klingt wie viele Orte des Landes nach Aufschwung, nach
einst sozialistisch verklausuliertem Optimismus. Und tatsächlich hat La
Prosperidad schon bessere Zeiten erlebt. Damals, als aus der Mine noch Gold
geschürft wurde.
Doch das ist lange her. Heute ist das Dorf gezeichnet von korrupten
Beamten, [1][gewalttätigen Männern, Hinterhältigkeit und großem Elend.]
Dort lebt die Familie Reyes, eine Ansammlung verarmter skurriler Menschen,
die mehr schlecht als recht auf einer heruntergekommenen Hacienda ihr
Dasein fristen. Wenig verwunderlich, dass der Reyes-Sohn Pancho vor 20
Jahren dem Kleinöd den Rücken kehrte.
Inzwischen hat er in Mexiko-Stadt Karriere gemacht, muss aber wegen einer
Erbschaftsgeschichte in „sein Dorf“ reisen. Der Besuch Panchos und seiner
Familie gerät zum Clash der Kulturen: hier die „Fifis“, wie Wohlhabende und
Aufsteiger vom Präsidenten Andrés Manuel López Obrador gerne genannt
werden, dort die verarmten Angehörigen, bauernschlau, verschlagen, ständig
am Feiern.
Der Film „Que viva México“, der Ende März in den Kinos [2][und vergangene
Woche bei Netflix angelaufen ist,] zeigt sarkastisch überspitzt die
Polarisierung in „Gute“ und „Schlechte“ auf, die der Staatschef täglic…
seinen Pressekonferenzen provoziert. Der Mexikaner Estrada stellt die
Wahrhaftigkeit der Regierungsparole „Die Armen zuerst“ in Frage, ohne
hochrangige Politiker*innen ins Spiel bringen zu müssen.
Und er zieht López Obradors Phrase vom Ende der Korruption ins Lächerliche,
in dem er aufzeigt, was selbst die größten Fans des sich als links
verstehenden Präsidenten wissen: Dass auch am Ende der Welt Beamten
weiterhin ganz selbstverständlich Schmiergeld kassieren und Parteien
wechseln wie ihre Hemden.
## Keine schlichte Schwarz-Weiß-Schablone
Estradas Filme zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht am schlichten
Schema der boshaften Herrschenden und des gutwilligen Volkes festhalten.
Sie versuchen, die individuellen Strukturen zu erfassen, die letztlich die
Probleme der mexikanischen Gesellschaft zeichnen. Es gefalle Estrada, bei
seinen Figuren nicht nachgiebig zu sein und sie an ihren eigenen
Widersprüchen und Mängeln zerbrechen zu lassen, so der Filmkritiker José de
Jesús Chávez Martinez.
„El Infierno“ (2010) – „die Hölle“ – beschreibt einen aus den USA
zurückkommenden Migranten, der in der Mafia den Helden spielen will und in
den kriminellen Strukturen zugrunde geht. In „La Ley de Herodes“ (1999) –
„Das Gesetz des Herodes“ – verstrickt sich ein naives, einfaches Mitglied
der Regierungspartei durch Zufall in korrupte Geschäfte, erlernt die
Mechanismen der Macht und endet schließlich als hochrangiger Abgeordneter.
Das Gesetz: „Ob so oder so, du bist gefickt.“
In seinem neuen Film geht Estrada noch zynischer vor und benutzt dabei auch
abgegriffene Stereotype: ein ständig opportunistischer trinkfreudiger
Vater, ein heuchlerischer Pfarrer, eine trans Person, die im Puff arbeitet,
eine Familie, die in einem verdreckten Haus mit ihren Nutztieren lebt und
jede Chance nutzt, um Geld abzuziehen. „Die Satire braucht diese
Provokation“, meint der Filmemacher. Obwohl Privilegierte ebenso ihr Fett
abbekommen, werfen Kritiker*innen ihm „Klassismus, Rassismus und
Transphobie“ vor. Das ist etwas hoch gegriffen, aber zweifellos sind die
Darstellungen der Familie Reyes grenzwertig.
Geschenkt, dass López Obrador den Film für „Schund“ hält, den sowieso nur
Konservative anschauen würden. Jede andere Äußerung von ihm wäre
verwunderlich. Aber die massive Ansammlung von Klischees, auch die vom
aufstiegsgeilen „Fifi“ und vom geldgierigen Gringo, erscheinen tatsächlich
peinlich und antiquiert. An das Niveau des Gesetzes des Herodes kommt „Que
viva México“ jedenfalls nicht heran.
Der Autor ist taz-Korrespondent im Mexiko.
16 May 2023
## LINKS
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[2] /Mexiko-Bild-von-Netflix-Produktionen/!5900680
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
Mexiko
Kolumne Latin Affairs
Film
Gesellschaftskritik
Stereotype
Netflix
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