# taz.de -- Altersarmut: Von armen und reichen Freundinnen | |
> Manche Freundinnen unserer Kolumnistin sind chronisch krank und kriegen | |
> kaum Rente, andere haben geerbt. Wie geht man gut damit um? | |
Bild: „Ich dachte mir, das kannst du besser gebrauchen als irgendwelchen Schn… | |
Die kleine Geburtstagseinladung bei Vera hatte mir die Augen geöffnet: Wir | |
müssen über Geld reden, erst recht im Alter. Ich hatte für Vera zum | |
70.Geburtstag ein, wie ich dachte, originelles Geschenk mitgebracht. Ein | |
superleichter, faltbarer, teurer High-Tech-Camping-Stuhl war es. In Veras | |
Mietshaus gibt es einen begrünten Hinterhof, sie hatte sich immer beklagt, | |
dass dort keine Sitzgelegenheit existiere. Voilà! Dachte ich. Zu Veras | |
Einladung in ihrer Einzimmerwohnung kam auch Gitta. | |
Gitta überreichte Vera einen Umschlag mit Geschenkband drumherum: „Ich | |
dachte mir, das kannst du besser gebrauchen als irgendwelchen | |
Schnickschnack“, sagte Gitta. Vera nahm den Umschlag mit einem verlegenen, | |
aber auch erfreuten Lächeln an und bedankte sich. Kurz darauf sah ich, wie | |
sie in der Küche den Umschlag öffnete und hineinlinste. Drinnen lagen ein | |
50-Euro- und ein 20-Euro-Schein, wie ich später erfuhr. | |
Mir dämmerte, dass Gitta das passendere Geschenk mitgebracht hatte. Wie | |
konnte ich nur auf den doofen überteuerten Outdoor-Stuhl kommen? Vera ist | |
schwer rheumakrank und [1][lebt von einer kleinen Rente] plus | |
Grundsicherung, also auf Hartz-IV-Niveau. Sie hatte mir mal erzählt, wie | |
schwierig es für sie sei, den Tierarzt für die Katze zu bezahlen, die ihr | |
Ein und Alles ist. Ich hätte besser Geld schenken sollen, ganz einfach. Mit | |
Freundin Hille sprach ich später über das Problem. Hille hat eine gute | |
Rente, ist [2][Erbin] und schon lange mit Gisela, chronisch krank, | |
Grundsicherungsempfängerin, befreundet. | |
## „Da schämt man sich“ | |
Oft halten solche Freundschaften ja nicht, aber Hille hatte Gisi vor 40 | |
Jahren in einer Psychiatrie-Ambulanz kennengelernt, die beiden sind | |
inzwischen schon viele Kilometer zusammen durch Brandenburg gewandert und | |
Hille hängt an Gisi, das weiß ich. Früher war das finanzielle Gefälle | |
zwischen den beiden wohl auch nicht so gigantisch gewesen wie jetzt. „Ich | |
kann’s dir jetzt sagen“, erzählte Hille, „ich hab einen Dauerauftrag | |
eingerichtet für Gisi. 90 Euro in der Mitten jeden Monats, mit dem Erbe | |
kann ich das auf Dauer durchhalten.“ Sie hatte zuvor Gisi immer mal wieder | |
zwischendurch Geld geliehen, „aber frag mal eine | |
Grundsicherungsempfängerin, wann sie dir das Geld zurückgeben kann. | |
Bescheuert. Da schämt man sich“, schilderte Hille. | |
Ich fasste einen Entschluss. Ich überweise jetzt auch Geld an Veras | |
nächstem Geburtstag. Ich werde sie vorher fragen, was sie davon hält, ich | |
sag, es ist für den Tierarzt. Ja, es gibt schlaue Leute, die sagen, das mit | |
dem Geld sollte man von der Freundschaft trennen. Ist auch was dran. Aber | |
unser Freund Günni, der in Thailand lebt, erzählt, dass da ständig privat | |
Geld abgegeben wird an die Armen von den Wohlhabenden, nicht nur in der | |
Verwandtschaft. Man teilt privat offenbar mehr in anderen Kulturen. Der | |
Hightech-Camping-Stuhl ist übrigens längst verschwunden. Irgendjemand hat | |
ihn in einem unbewachten Moment aus Veras Hinterhof geklaut. | |
4 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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