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# taz.de -- Sebastian Kurz und die Presse: Macht und Boulevard
> Die Beziehung zwischen Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz und der
> Boulevard-Presse ist zweifelhaft. Schon gibt es neue Anschuldigungen.
Bild: Christoph und Eva Dichand bei den Salzburger Festspielen 2021
Von „Schutzgeldzahlungen“ spricht [1][das kritische Medienmagazin
Doublecheck von Radio Ö1]: „Schutzgeld im Sinne von: wenn du mir bezahlst,
dann schütze ich dich von negativer Berichterstattung.“ Was bei der
Hausdurchsuchung in der Geschäftsführung des Gratisblatts Heute Ende März
ans Licht gekommen ist, zeichnet ein verheerendes Bild von der
österreichischen Politik und ihrem Umgang mit Boulevard-Medien und den
mächtigen Verlegerfamilien.
[2][2021 stürzte der damalige Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz
über eine Affäre geschönter Umfragen], die mit Steuergeld aus dem
Finanzministerium bezahlt wurden. Involviert war das Gratisblatt Österreich
der Brüder Wolfgang und Helmuth Fellner. Jüngst bekannt gewordene
Chat-Verläufe dokumentieren, wie [3][Eva Dichand, Herausgeberin des
Gratis-Konkurrenzblatts Heute], 2017 mit dem damals aufstrebenden
ÖVP-Jungstar Kurz offenbar eine symbiotische Beziehung eingegangen ist:
Werbeeinschaltungen gegen schmeichelhafte Berichterstattung. Scharnier für
dieses Geschäft war Kurz-Intimus Thomas Schmid, dessen Handy mit über
300.000 Chat-Nachrichten ein unerschöpflicher Quell für die Rekonstruktion
eines zutiefst korrupten Sittenbildes ist.
Eva Dichand (Heute) lobbyierte bei Schmid auch für eine
unternehmerfreundliche Novelle des Stiftungsrechts, die den Reichen helfen
sollte, Steuern zu sparen. In ihren Nachrichten an Thomas Schmid sprach sie
immer von „wir“, also auch für ihren Mann – und damit für die Kronen
Zeitung, das auflagenstärksten Bezahlblatts auf dem Boulevard, dessen
Herausgeber der Multimillionär Christian Dichand ist. Eva Dichand beklagte
sich bei Schmid, dass die Fellners mit Österreich einen viel größeren Teil
vom Inseratekuchen abbekämen. Sollte sich das nicht zu ihren Gunsten
ändern, drohte sie unverhohlen: „Wir können auch anders.“
„Kurz war es sehr wichtig, dass Christoph Dichand zufrieden war mit der
Zusammenarbeit zwischen ihm und der Kronen Zeitung einerseits und dem
Finanzministerium andererseits, da er davon ausging, dass dies auch für ihn
positive Effekte mit sich bringen würde“, gab Schmid bei der Wirtschafts-
und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu Protokoll. 2022 legte er in
mehreren Sitzungen eine „Lebensbeichte“ vor der WKStA ab, von der er sich
Kronzeugenstatus erhofft.
## Und plötzlich regnet's Geld
Im Mai 2017, Kurz war gerade ÖVP-Parteichef geworden, arrangierte Schmid
ein Abendessen von Kurz mit den Dichands. Dann stiegen die Werbeausgaben
des Finanzministeriums stark. Und die Dichand-Blätter lieferten. Einer der
Höhepunkte der Lobeshymnen auf den neokonservativen Shootingstar war der
Aufmacher „Weniger Geld für Ausländer“ in der Kronen Zeitung vom 16. März
2018. Kurz war damals Kanzler in einer Koalition mit der rechten FPÖ und
hatte ein „Ausländersparpaket“ präsentiert. ÖVP-Kommunikationschef Gerald
Fleischmann wollte sich vor Begeisterung gar nicht einkriegen: „So perfekt
kann eine Zeitung doch nicht sein“, jubelte er in einer von Schmid
dokumentierten Reaktion.
2020 – Kurz befand sich nach dem Ibiza-Skandal und dem Platzen der
ÖVP-FPÖ-Regierung in einer Koalition mit den Grünen – erreichten die
Werbeeinschaltungen einen Höhepunkt: rund 1,6 Millionen Euro in der Kronen
Zeitung, knapp 1,2 Millionen in Heute.
Sowohl Dichand als auch Kurz bezichtigen Schmid heute, seine
Anschuldigungen frei erfunden zu haben, um seinen eigenen Kopf aus der
Schlinge zu ziehen. Juristen weisen allerdings darauf hin, dass es von
Schmid unklug wäre, die Staatsanwaltschaft anzulügen, wenn er
Kronzeugenstatus anstrebe. Um eine geschlossene Beweiskette und eine
schlüssige Interpretation der Chat-Protokolle muss sich jetzt die Justiz
bemühen.
10 Apr 2023
## LINKS
[1] https://sound.orf.at/kalender/oe1/20230407/1905
[2] /Ruecktritt-von-Kanzler-Kurz/!5804258
[3] /Hausdurchsuchung-bei-Wiener-Gratisblatt/!5925329
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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