# taz.de -- Studie über Arbeitssucht: Lasst uns Spielverderber*innen sein | |
> Jede zehnte erwerbstätige Person ist arbeitssüchtig. Anstatt das offen zu | |
> problematisieren, wird die ungesunde Einstellung zum Job weiter | |
> idealisiert. | |
Bild: Lasst mal die „freiweilligen“ Überstunden sein | |
Jede zehnte erwerbstätige Person in Deutschland ist arbeitssüchtig. Das | |
zeigt eine [1][aktuelle Studie] der Technischen Universität Braunschweig. | |
Wenig verwunderlich sind insbesondere Selbstständige und Führungskräfte | |
betroffen. Wie wär's, wenn wir das nicht nur beim Scrollen zur Kenntnis | |
nehmen? | |
Lasst uns radikal über [2][Gesundheit am Arbeitsplatz] sprechen. Lasst es | |
uns endlich offen problematisieren, wenn die Chefin wieder weit nach | |
Feierabend anruft, nie richtig frei macht und ständig erreichbar ist. Lasst | |
uns statt: „Krass, wie du das immer alles schaffst“, schnöde sagen: „Für | |
eine 50-Stunden-Woche wirst du hier nicht bezahlt, du bezahlst sie mit | |
deiner Gesundheit.“ Lasst uns Spielverderber*innen sein. | |
In einer Leistungsgesellschaft klingt Arbeitssucht viel zu harmlos. Das | |
sind eben sehr engagierte Menschen, die ihren Job gerne machen. | |
Workaholics. Das Krankheitsbild dahinter ist nicht so lustig: Migräne, | |
Schwindel, Schlafstörungen. Arbeitssucht gipfelt oft im Burnout. Aber wir | |
sind Meister*innen darin uns einzureden, dass die Alarmsignale des | |
Körpers andere Gründe haben. Bestimmt was Falsches gegessen. Bestimmt nur | |
die Hormone. | |
Wir lesen lieber Protokolle über Leute, die während [3][der Arbeitszeit | |
kiffen], Serien schauen, sich einen faulen Lenz machen. Nicht immer so | |
niederschmetternde Themen wie [4][Burnout] thematisieren. Alkohol- oder | |
Drogensüchtige versuchen, ihren Konsum vor ihrem Umfeld eher zu | |
verheimlichen. Arbeitssucht hingegen wird in manchen Branchen gepriesen und | |
mit Boni belohnt. | |
So langweilig es klingen mag: Man unterschreibt einen Arbeitsvertrag mit | |
einer wöchentlichen Stundenanzahl nicht grundlos. Der Vertrag garantiert | |
uns wichtige Rechte. Wenn die FDP fordert, dass wir „unbürokratisches | |
mobiles Arbeiten“ brauchen und sie die „starre Zeiteinteilung inklusive | |
fixer Ruhezeiten“ abschaffen will, dann sollten wir aufhorchen. | |
Arbeitsschutzgesetze gibt es, um die Gesundheit von Arbeitnehmer*innen | |
zu schützen. | |
Doch wer sich selbst ausbeutet, dem hilft kein Gesetz. Und wer abhängig | |
ist, erkennt vielleicht das Problem nicht. Deshalb sollten sich alle | |
anderen auflehnen. Lasst [5][mal die „freiweilligen“ Überstunden] sein. Und | |
gebt anderen Dingen als nur der Arbeit die höchste Priorität. | |
12 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-unfahig-zum-feierabend-41562.htm | |
[2] /Urteil-zur-Arbeitszeiterfassung/!5879271 | |
[3] https://www.zeit.de/arbeit/2023-04/arbeitszeitbetrug-angestellte-kuendigung | |
[4] /Streik-des-Klinikpersonals-in-NRW/!5864963 | |
[5] /Lehrkraeftemangel-in-Sachsen-Anhalt/!5911996 | |
## AUTOREN | |
Linda Gerner | |
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