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# taz.de -- Gleichstellungspläne von Schwarz-Rot: „Kuchen mit Schwarz-Rot ni…
> Bahar Haghanipour, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, kritisiert
> Pläne der Großen Koalition zum Thema Gleichstellung als reine
> Absichtserklärung.
Bild: Laut Istanbul-Konvention bräuchte Berlin deutlich mehr Frauenhausplätze
taz: Frau Haghanipour, im Koalitionsvertrag von CDU und SPD heißt es:
Berlin ist die Stadt der Frauen. Was hat der Koalitionsvertrag Berlins
Frauen zu bieten?
Bahar Haghanipour: Auf den ersten Blick liest sich das Kapitel zur
Gleichstellung gut. Sie soll in allen Lebensbereichen vorangetrieben
werden. Aber bei genauerem Hingucken entsteht bei mir der Eindruck:
Entweder wussten die Verhandler*innen nicht, was die Vorhaben
finanziell bedeuten, oder sie wollten ein großes Wünsch-dir-was-Programm
aufschreiben, um ihre unbeliebte schwarz-rote Koalition durchzubringen und
sich vom Vorwurf des Rückschritts freizumachen.
Warum zweifeln Sie an der Umsetzung?
Ich zweifle, weil die höheren Einigungen für Entgeltgleichheit, die
Verstetigung von Frauen- und Beratungsstellen, die Vorhaben im Gewaltschutz
zusätzlich mehrere Millionen Euro kosten werden. Sollte Schwarz-Rot
zustande kommen, erwarte ich, dass dieses Geld gestellt wird. Aber
spätestens bei den Haushaltsverhandlungen vermute ich, dass dieses Gebäude
der Versprechungen in sich zusammenstürzen wird. Ich zweifle daran, dass
die Koalition auch wirklich umsetzt, was sie aufgeschrieben hat. Der Kuchen
wird nicht größer, nur weil Schwarz-Rot ihn backt.
Wie begründen Sie Ihre Zweifel?
Die Koalition muss sich an dem, was sie aufschreibt, messen lassen. Aber es
entsteht der Eindruck, dass Schwarz-Rot auf Teufel komm raus seine Projekte
mit Schulden finanziert, also frei nach dem Motto: nach mir die Sintflut.
Das ist eine Sorge, die ich habe, wenn ich diesen Vertrag lese.
Im Koalitionsvertrag genannt sind etwa Entgeltgleichheit, langfristige
Finanzierung von Frauenprojekten, weitere Frauenhäuser und Vorhaben im
[1][Gewaltschutz]. Das sind doch durchaus gute, unterstützenswerte Pläne in
Ihrem Sinne, oder?
Ich frage mich, ob die Koalition das zu Ende gedacht hat. Um die Vorhaben
umzusetzen, braucht es etwa mehr Personalstellen, also eine Stärkung der
Gleichstellungsabteilung in der Verwaltung. Zudem kann ich nicht
nachvollziehen, dass der vorbereitete Landesaktionsplan und auch das
Gewaltmonitoring nicht im Koalitionsvertrag stehen.
Was kann man sich unter dem Landesaktionsplan und Gewaltmonitoring
vorstellen?
Mit dem Monitoring wollen wir die Versorgungslage von gewaltbetroffenen
Frauen prüfen. Mit dem [2][Landesaktionsplan zur Verhütung von Gewalt gegen
Frauen] soll Gewaltschutz ressortübergreifend bearbeitet werden, nicht nur
aus der Gleichstellungsabteilung heraus. Was bedeutet Gewaltschutz in der
Verwaltung, für die Polizei, Justiz, Bildung? Der Landesaktionsplan wird
mit Maßnahmen hinterlegt. Im Herbst sollte der Aktionsplan finalisiert und
veröffentlicht werden. Ihn jetzt in die Schublade zu legen wäre ein
Rückschritt.
Was für Maßnahmen wären das gewesen?
Ein Aktionsplan liegt ja noch nicht final vor. Aber eine Maßnahme wäre eben
das Monitoring gewesen, das sich die Versorgungslage in Berlin anschaut. Um
zu wissen, wo man politisch noch nachsteuern müsste. Weitere Maßnahmen
wären mehr Schutzplätze und Sprachmittlung für Frauen, damit alle Frauen in
Berlin ihr Recht auf Beratung, Gewaltschutz und Selbstbestimmung wahrnehmen
können. Das alles fordert auch die Istanbul-Konvention.
Wie weit waren Sie denn schon mit dem Landesaktionsplan?
Seit etwa einem Jahr arbeitet die Gleichstellungsverwaltung an diesem Plan
auch mit der Zivilgesellschaft. Das ist eigentlich ein Geschenk, dass
unsere grüne Hausleitung diese Vorhaben in dieser kurzen Zeit fast zum
Abschluss gebracht hat. Sollte Schwarz-Rot kommen, erwarte ich, dass diese
Vorhaben auch abgeschlossen werden, sonst muss sie sich dem Vorwurf der
Rückschrittskoalition stellen.
Eine Maßnahme sind die Schutzunterkünfte. Der Koalitionsvertrag plant ein
neuntes und zehntes Frauenhaus. Um die Istanbuler Konvention einzuhalten,
fehlen in Berlin noch viele Plätze. Ist das dann nicht ein Gewinn?
Ja, aber wie Sie sagen: Im Koalitionsvertrag steht die Planung. Planungen
sind geduldig und bieten keinen Schutz. In unserer progressiven Koalition
[aus SPD, Grünen und Linken, Anm. der Redaktion] haben wir Frauenpolitik
ernst genommen und aufgeschrieben, dass wir ein weiteres Frauenhaus auf
jeden Fall einrichten werden. Dieses achte Frauenhaus wird noch in diesem
Halbjahr eröffnet.
Im Koalitionsvertrag jetzt steht, dass [3][ausreichend Schutzplätze]
bereitgestellt werden. Das würde ein halbes Dutzend zusätzliche
Frauenhäuser bedeuten. Aber ausreichend Schutzplätze können wir nur
schrittweise aufbauen. Weder die kommende noch die übernächste Koalition
wird das schaffen. Gleichstellung ernst zu nehmen, bedeutet aber nicht nur,
schöne Vorhaben aufzuschreiben, sondern sie auch durchzusetzen.
12 Apr 2023
## LINKS
[1] /Haeusliche-Gewalt-in-Berlin/!5900980
[2] https://www.paritaet-berlin.de/fileadmin/user_upload/redaktion/Bilder/aktue…
[3] /Streik-der-Frauenhaeuser/!5918315
## AUTOREN
Adefunmi Olanigan
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