# taz.de -- LGBTQ-Diskriminierung in Japan: Verständnis ja, Konsequenzen nein | |
> Japans Regierung will „Verständnis für LGBTQ“ per Gesetz festschreiben. | |
> Ein Passus gegen Diskriminierung geht konservativen Politikern zu weit. | |
Bild: Die Initiatoren der Onlinepetition für LGBTQ-Rechte in Tokio | |
TOKIO taz | Im Parlamentsgebäude in Tokio versammeln sich die | |
Demonstranten, lassen eine Regenbogenfahne wehen und verlangen mehr | |
Rechte für sexuelle Minderheiten. Soshi Matsuoka verliest Botschaften von | |
[1][LGBTQ-Personen] und ihren Familien. Anlass der Proteste ist das Gesetz | |
zur „Förderung des Verständnisses für LGBTQ“. Seit Wochen wird es in Jap… | |
heiß diskutiert – und kommt bisher doch nicht zustande. | |
„Ich wünsche mir, dass die Regierung dem Thema nicht ausweicht, indem sie | |
mit dem Gesetzentwurf herumspielt“, sagt Soshi Matsuoka, Initiator einer | |
Onlinepetition für LGBTQ-Rechte. Das diskutierte Gesetz halten die | |
Protestierenden für viel zu schwach: „Wir wollen kein Gesetz zur Förderung | |
des Verständnisses, sondern ein Antidiskriminierungsgesetz.“ | |
Der parteiübergreifende Gesetzentwurf liegt bereits seit zwei Jahren auf | |
Eis, nachdem sich konservative Mitglieder von Japans Regierungspartei LDP | |
gegen den darin enthaltenen Satz „Diskriminierung wird nicht erlaubt“ | |
gewehrt hatten. Die vage Definition von „inakzeptabler Diskriminierung“ in | |
dem Gesetz würde „die Gesellschaft verwirren“, behaupteten sie. | |
Doch im Februar sah sich die LDP gezwungen, den Entwurf aus der Versenkung | |
zu holen, nachdem ein Mitarbeiter von Premier Fumio Kishida üble | |
Beleidigungen ausgestoßen hatte: „Ich möchte nicht neben LGBTQ-Menschen | |
wohnen“, schimpfte Masayoshi Arai: „Viele Japaner würden ihr Land | |
verlassen, wenn Ehen für diese Leute zugelassen werden.“ Regierungschef | |
[2][Kishida feuerte Arai], um den Schaden zu begrenzen. | |
## Kishida will Verbot der Homo-Ehe behalten | |
„Ich habe LGBTQ-Leute getroffen und war von ihren ernsthaften Gefühlen | |
berührt“, sagte Kishida im Parlament und beauftragte die Ministerin für | |
Frauenermächtigung, sich künftig für die [3][Anliegen der LGBTQ-Community] | |
einzusetzen. [4][Doch am Verbot der Homo-Ehe wollte Kishida nicht rütteln]. | |
Es sei keine ungerechte Diskriminierung, wenn der Staat die Heirat von | |
gleichgeschlechtlichen Paaren verweigere, betonte er. | |
Auf diese Weise will der Premier wohl seine eigene Partei davon überzeugen, | |
wenigstens das „Verständnis“-Gesetz zu unterstützen. Aber wenige | |
LDP-Politiker leisten ihm Schützenhilfe, gerade die Rechten in der LDP | |
wollen für sexuelle Minderheiten keine Partei ergreifen. | |
Nun setzen die Befürworter des Gesetzes an einer anderen Stelle an: Japan | |
drohe eine internationale Blamage, wenn das Gesetz nicht vor dem G7-Gipfel | |
Mitte Mai in Hiroshima verabschiedet werde. Denn beim letzten G7-Gipfel auf | |
Schloss Elmau hatten sich alle Teilnehmer einschließlich Japan zum Schutz | |
der Rechte von LGBTQ verpflichtet. Japanische Anwälte und Experten | |
verlangen daher eine eindeutige juristische Formulierung gegen | |
Diskriminierung in dem Gesetzentwurf. | |
Selbst der Chef der buddhistischen Komei-Partei, die mit der LDP die | |
Regierungskoalition bildet, fordert eine schnelle Verabschiedung. „Japan | |
ist das einzige G7-Land, das keine Gesetzgebung für die LGBTQ-Community | |
hat“, kritisiert er. „Es ist peinlich für Japan als G7-Vorsitzender, dass | |
die LDP das Gesetz nicht in Kraft treten lassen will.“ | |
## Pride 7 – Gipfel in Tokio | |
Eine Gruppe von Organisationen für mehr LGBTQ-Rechte übergab der Regierung | |
Ende Februar eine Petition, wonach das Schicksal von sexuellen Minderheiten | |
auf dem G7-Gipfel diskutiert werden solle. Dreizehn Unternehmen | |
unterschrieben, darunter Coca-Cola Japan. | |
In Tokio organisieren Aktivisten einen „Pride 7“-Gipfel und fordern | |
internationale Gesetze zur Chancengleichheit und zum Schutz vor | |
Diskriminierung und Gewalt. In Japan würden diskriminierende Äußerungen | |
gegen LGBTQ oft unbewusst gemacht, sagt LDP-Politikchefin Tomomi Inada auf | |
dem Gipfel. Ihre Partei arbeite hart daran, den Gesetzentwurf noch vor dem | |
Gipfeltreffen zu verabschieden. | |
4 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-LGBTQIA-Community/!t5025674 | |
[2] https://www.queer.de/detail.php?article_id=44583 | |
[3] /Queerfeindliche-Allianzen/!5921394 | |
[4] /Japans-Urteil-zur-queeren-Ehe/!5754863 | |
## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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