| # taz.de -- Rücktritte wegen Parteispendenaffäre: Kreative Kick-backs auf Jap… | |
| > In Tokio könnte der Ausschluss der mächtigsten Gruppe der | |
| > Regierungspartei aus dem Kabinett die Amtszeit von Regierungschef Kishida | |
| > vorzeitig beenden. | |
| Bild: Die Spendenaffäre setzt Fumio Kishida unter Druck | |
| Tokio taz | Alle Jahre wieder kommt in Japan ein Spendensumpf der | |
| regierenden Liberaldemokraten (LDP) zum Vorschein. Der jetzige Skandal | |
| bringt [1][Regierungschef Fumio Kishida] in Erklärungsnöte. Am Donnerstag | |
| musste er deswegen vier Minister und fünf Vizeminister austauschen. | |
| Die Zurückgetretenen gehören alle der Seiwakai an, der größten und | |
| einflussreichsten LDP-Fraktion. Außerdem verbot Kishida bis auf Weiteres | |
| Spendenpartys. „Um das Vertrauen der Bevölkerung wiederherzustellen, werde | |
| ich als Feuerball handeln und an vorderster Front der LDP stehen“, erklärte | |
| er. | |
| Die Tokioter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Seiwakai, die | |
| Ex-Premier Shinzo Abe bis zu seinem Tod leitete, und gegen andere | |
| Fraktionen, die zwischen 2017 und 2022 umgerechnet rund 3,2 Millionen Euro | |
| an Spendengeldern systematisch in schwarze Kassen geleitet haben sollen. | |
| Für diesen Verstoß gegen das Gesetz zur Kontrolle politischer Gelder | |
| drohen bis zu fünf Jahre Haft. Nun stehen Bürodurchsuchungen und | |
| Befragungen von Abgeordneten bevor. | |
| ## Extraerlöse aus Parteispendenpartys | |
| Beobachter ziehen bereits Vergleiche zum Recruit-Skandal am Ende der 1980er | |
| Jahre, als Vorwürfe wegen Insiderhandel den damaligen Premier Noboru | |
| Takeshita zu Fall brachten. | |
| Angesichts der Ermittlungen traten am Donnerstag jene Minister zurück, die | |
| als frühere oder heutige Führungsmitglieder der Abe-Fraktion für die | |
| schwarzen Kassen mitverantwortlich wären: Kabinettschef Hirokazu Matsuno, | |
| Wirtschaftsminister Yasutoshi Nishimura, Agrarminister Ichiro Miyashita und | |
| Innenminister Junji Suzuki. | |
| Die Abe-Fraktion soll ein Standardverfahren der LDP zur Akquirierung von | |
| Parteispenden missbraucht haben. Dabei verkaufen Abgeordnete eine | |
| festgelegte Anzahl von Eintrittskarten für Spendenpartys, das Stück zu 130 | |
| Euro, an Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen. | |
| Verkauft ein Abgeordneter mehr Tickets als seine Quote, zahlt seine | |
| Fraktion ihm diesen Extraerlös zurück. Viele versteckten diese Kick-backs. | |
| Auch in den Büchern der Abe-Fraktion tauchten diese Gelder wohl nicht auf. | |
| Die neuen Minister suchte Kishida jetzt ausdrücklich in anderen Fraktionen. | |
| Neuer Kabinettschef zum Beispiel wird Ex-Außenminister Yoshimasa Hayashi, | |
| der zuvor die Führung der Kishida-Fraktion vom Premier übernahm. Doch der | |
| komplette Ausschluss der Seiwakai aus dem Kabinett untergräbt auf | |
| gefährliche Weise das Machtgefüge hinter Kishida. | |
| ## Die jetzt abservierte Abe-Fraktion könnte sich rächen | |
| Der 66-jährige Politiker gehört zwar zum liberalen Flügel der LDP, die | |
| Japan seit fast 70 Jahren nahezu unterbrochen regiert. Aber die stramm | |
| konservative Abe-Fraktion unterstützte ihn bei der Wahl zum Parteichef und | |
| danach bei seinem wichtigsten Projekt, der [2][Verdoppelung des | |
| Verteidigungsetats bis 2027]. | |
| Doch ohne die Aussicht, an Ministerposten zu kommen und die | |
| Regierungspolitik zu steuern, könnte die Abe-Fraktion jetzt versucht sein, | |
| Kishida als Parteichef und damit auch als Premier zu stürzen. | |
| Hinzu kommt, dass dem Regierungschef auch die Wähler davonlaufen. Vielen | |
| stoßen die hohe Inflation, eine drohende Steueranhebung für Verteidigung | |
| sowie [3][die Nähe der LDP zur koreanischen Vereinigungskirche] sauer auf. | |
| Laut jüngster Umfrage sank die Zustimmungsrate für Kishida mit dem Skandal | |
| auf nur noch 17 Prozent. Der schlechteste Wert eines LDP-Regierungschefs | |
| seit 14 Jahren. Zwar findet die nächste Wahl erst im Oktober 2025 statt. | |
| Doch sollten die Wähler ihre Meinung über ihn nicht bald ändern, muss der | |
| Premier damit rechnen, dass die LPD ihn bis zur Neuwahl ihres | |
| Parteivorsitzenden im September 2024 zum Rücktritt zwingt. Dann könnte | |
| Kishida seine Haut nur durch eine vorgezogene Parlamentswahl zu retten | |
| versuchen. | |
| 14 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Fritz | |
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