| # taz.de -- Parlamentswahl in Bulgarien: Dauereinsatz an der Urne | |
| > Bulgarien wählt am Sonntag ein neues Parlament – zum fünften Mal in nur | |
| > zwei Jahren. Das dürfte die politische Krise wieder nicht lösen. | |
| Bild: Könnte wieder die meisten Stimmen erhalten: der frühere Premier Bojko B… | |
| Berlin taz | Bulgarien kann sich berechtigte Hoffnungen auf einen Platz im | |
| Guinness-Buch der Rekorde machen: Am kommenden Sonntag finden | |
| Parlamentswahlen statt – die fünften innerhalb von zwei Jahren. Jüngsten | |
| Umfragen zufolge haben fünf Parteien beziehungsweise Bündnisse gute | |
| Chancen, die Vierprozenthürde zu nehmen und in die Nationalversammlung | |
| einzuziehen. | |
| Um den ersten Platz mit rund 25 Prozent der Stimmen konkurrieren die | |
| konservative Partei „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ | |
| (GERB) des ehemaligen langjährigen Ministerpräsidenten Bojko Borissow sowie | |
| das liberale Duo „Wir setzen die Veränderungen fort“ (PP) von [1][Kiril | |
| Petkow] und Asen Wassilew und „Demokratisches Bulgarien“ (DB). | |
| Als Dritte mit rund knapp 14 Prozent könnte die nationalistische | |
| Gruppierung Vazrazhdane (Wiedergeburt) ins Ziel kommen – dicht gefolgt von | |
| der „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS), die sich vor allem als | |
| Interessenvertreterin der türkischen Minderheit versteht. Mit 8,2 Prozent | |
| werden auch die Sozialisten (BSP) wieder im Parlament vertreten sein. | |
| Sollten sich die Prognosen bewahrheiten, dürfte auch dieser Urnengang zu | |
| keiner stabilen Regierung und möglicherweise einer weiteren Abstimmung | |
| führen. Wie ermüdet die Bulgar*innen von dem Wahlmarathon sind, zeigt | |
| die Beteiligung im vergangenen Oktober: Nur noch 39,3 Prozent gaben ihre | |
| Stimme ab. „Die Hälfte der Wähler*innen geht nicht zur Wahl, und dann | |
| beschweren sich alle. 33 Jahre Übergang und der letzten Platz bei den | |
| meisten Indikatoren der EU: Wir haben das alles wahrscheinlich verdient“, | |
| heißt es in einem Post auf dem bulgarischen Nachrichtenportal mediapool.bg. | |
| ## Schlusslicht der EU | |
| Der Balkanstaat mit knapp sieben Millionen Einwohner*innen trat 2007 | |
| der EU bei. Das Pro-Kopf-Einkommen ist mit 11.000 Euro das niedrigste aller | |
| Mitgliedstaaten. Auch bei der Einkommensverteilung und dem Lebensstandard | |
| ist das Land Schlusslicht der EU, bei der Korruptionsrate jedoch | |
| EU-Spitzenreiter: Laut dem jüngsten Corruption Perceptions Index (CPI) auf | |
| Platz 71 von 180 Staaten. | |
| Eine grassierende Korruption vor allem im Umfeld der damals regierenden | |
| GERB war es auch, die 2020 Tausende in Bulgarien zu Massenprotesten auf die | |
| Straßen brachte. Die Wahlen im April 2021 brachten mit der Partei „So ein | |
| Volk gibt es“ (ITN) des Entertainers Slawi Trifonow zwar neue Parteien auf | |
| die politische Bühne, aber keine stabilen Mehrheitsverhältnisse. | |
| Seitdem dauert diese politische Hängepartie an. Aus der vorgezogenen Wahl | |
| im November 2021 ging die PP – auch sie als Antikorruptionsplattform ein | |
| Ergebnis der Protestbewegung von 2020 – als Siegerin hervor und bildete mit | |
| der ITN, den Sozialisten und der DB eine Regierung. Im Juni 2022 setzte | |
| [2][ein erfolgreiches Misstrauensvotum] diesem Versuch ein Ende. Ein | |
| Streitpunkt unter vielen waren Waffenlieferungen an die Ukraine, die die | |
| Sozialisten, traditionell Russland-affin, nicht mittragen wollten. | |
| Zu Recht gewisser Sympathien für Moskau verdächtig ist auch der 2021 für | |
| eine zweite Amtszeit wiedergewählte Staatspräsident Rumen Radew. Die | |
| Übergangsregierungen, die mit Unterbrechungen seit 2021 die Geschicke des | |
| Landes führen, ernennt Radew, was ihm einen erheblichen Machtzuwachs | |
| beschert hat. Auch der pensionierte Luftwaffengeneral tritt bei | |
| militärischer Unterstützung für die Ukraine auf die Bremse und bezeichnete | |
| Befürworter von Waffenlieferungen als „Kriegstreiber“. | |
| ## Anonyme Bombendrohungen | |
| Beobachter*innen rechnen nicht nur erneut mit unklaren | |
| Mehrheitsverhältnissen, sondern auch mit einer weiter sinkenden | |
| Wahlbeteiligung. Das könnte auch mit einer Welle von anonymen | |
| Bombendrohungen zu tun haben. Adressaten sind Schulen in verschiedenen | |
| Städten, die am Sonntag zu Wahllokalen umfunktioniert werden. | |
| Interimsregierungschef Galab Donew forderte die Menschen auf, trotzdem | |
| wählen zu gehen. Zusätzliche Polizeikräfte würden die Sicherheit bei der | |
| Abstimmung gewährleisten. | |
| Das voraussichtlich gute Abschneiden des Duos aus PP und DB werten einige | |
| auch als positives Zeichen. Zum ersten Mal seit dem Fall des Kommunismus | |
| 1989 gebe es eine breite Reformkoalition, heißt es in einem Beitrag auf der | |
| Webseite des US-Zentrums für europäische Politikanalysen (CEPA). Und: „Es | |
| ist extrem wichtig, dass die politischen Entscheidungsträger Bulgariens und | |
| der EU die Dynamik der weit verbreiteten Unterstützung für eine | |
| demokratische Erneuerung aufrechterhalten, bevor sie verloren geht. So | |
| könnte die politische Krise den Weg für tiefe und lang anhaltende | |
| Veränderungen ebnen.“ | |
| 1 Apr 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Regierungswechsel-in-Bulgarien/!5819323 | |
| [2] /Politische-Krise-in-Bulgarien/!5863034 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Oertel | |
| ## TAGS | |
| Bojko Borissow | |
| Schwerpunkt Korruption | |
| Parlamentswahl | |
| Bulgarien | |
| Bulgarien | |
| Bojko Borissow | |
| Bulgarien | |
| Bulgarien | |
| Bulgarien | |
| Misstrauensvotum | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Bulgarien hat neue Regierung: Die sechste Wahl fällt vorerst aus | |
| Lange fand sich in Bulgarien keine Regierung. Nun probieren es die | |
| Liberalen mit dem Mitte-rechts-Bündnis – und brechen dabei ein | |
| Wahlversprechen. | |
| Parlamentswahl in Bulgarien: Hass und Euroskepsis gewinnen | |
| Bei den Wahlen in Bulgarien bekommen die rechten Stimmen Zuwachs. Von | |
| stabilen Verhältnissen ist das Land weit entfernt. | |
| Parlamentswahl in Bulgarien: Mitte-rechts-Bündnis liegt vorn | |
| Die fünfte Wahl in nur zwei Jahren: Hochrechnungen zufolge führt das | |
| konservative prowestliche Lager um Boiko Borissow. | |
| Neuwahlen in Bulgarien: Sofia kommt nicht zur Ruhe | |
| Bulgarien stehen die fünften Wahlen innerhalb von zwei Jahren bevor. Das | |
| Land steckt in der Dauerkrise, und das Vertrauen der Wähler*innen | |
| schmilzt. | |
| Nach den Wahlen in Bulgarien: Neues altes Patt | |
| Die bürgerliche Partei von Ex-Premier Borissow wird in Bulgarien stärkste | |
| Kraft. Aber auch nach dieser Wahl gilt: Eine stabile Mehrheit ist fern. | |
| Politische Krise in Bulgarien: Aus dem Amt gefegt | |
| Bulgariens Regierung kommt durch ein Misstrauensvotum zu Fall. Findet der | |
| Premier keine neue Mehrheit, steht das Land wieder vor Neuwahlen. |