# taz.de -- Kriegsverbrechen in der Ukraine: Putins Mutter fürs Grobe | |
> Maria Lwowa-Belowa ist Russlands „Beauftragte für Kinderrechte“. Sie soll | |
> für die Verschleppung von ukrainischen Kindern verantwortlich sein. | |
Bild: Maria Lwowa-Belowa posiert mit Kindern in der sogenannten Volksrepublik D… | |
MOSKAU taz | Lautes, höhnisches Lachen ist ihre Reaktion. Maria | |
Lwowa-Belowa lehnt sich in einer Sendung des russischen Staatsfernsehens | |
Rossija 1 zurück und spottet: „Für den Westen ist die Rettung von Kindern | |
also ein Kriegsverbrechen.“ Wenige Tage zuvor hatte der Internationale | |
Strafgerichtshof in Den Haag einen [1][Haftbefehl gegen Russlands | |
Präsidenten Wladimir Putin erlassen – und auch gegen sie], seine | |
„Beauftragte für Kinderrechte“. | |
Das Gericht wirft ihnen vor, für die Verschleppung und Umsiedlung von | |
Kindern aus den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten persönlich | |
verantwortlich zu sein. „Wir machen weiter, kein Haftbefehl wird uns | |
aufhalten“, sagt die 38-Jährige im Sender. | |
Seit kurz vor Beginn des Kriegs in der Ukraine holt Moskau Kinder aus dem | |
Nachbarland und verteilt sie in Erholungsheimen, Waisenhäusern und | |
Pflegefamilien. Mindestens 43 solcher Einrichtungen soll es laut der Yale | |
School of Public Health geben. | |
Das Fernsehen sendet Reportagen, wie Beamt*innen mit Plüschtieren den | |
ankommenden Kinder entgegen eilen und ihnen zurufen: „Ihr seid zu Hause, | |
hier warten eure Mamas und Papas auf euch!“ | |
## Verstörende Videos | |
Für die Kinder sind es fremde Menschen. Die Videos verstören. Bei vielen | |
solcher Aktionen ist auch Maria Lwowa-Belowa dabei, sie nimmt die Kinder | |
auf den Schoß, trägt sie aus dem Flugzeug, knuddelt sie. Dann strahlt sie | |
in die Kameras und sagt, den Kindern würde es bei ihrer Unterbringung an | |
nichts fehlen. | |
[2][Die Politikerin, die in ihrem Umfeld kumpelhaft Mascha genannt wird], | |
wirkt wie besessen davon, Kindern aus dem Donbass zu einer „glücklichen | |
Zukunft in Russland“ zu verhelfen. Lediglich 15 Kinder aus acht Familien | |
sind nach Angaben Lwowa-Belowas zu ihren Verwandten in die Ukraine | |
zurückgebracht worden. Andere Eltern hätten sich nicht gemeldet, behauptet | |
sie. „Ist es nicht ein patriotisches Gefühl, wenn es keine fremden Kinder | |
gibt und alle unsere sind?“, fragte sie auf einem Moskauer Forum im | |
November. | |
Putin hatte im vergangenen Mai die Einbürgerung ukrainischer Kinder | |
erleichtert. Damit können sie problemloser von russischen Familien | |
adoptiert werden. Mindestens 16.000 ukrainische Kinder sollen sich nun in | |
Russland aufhalten. Wie viele es genau sind, lässt sich nicht herausfinden. | |
Ohnehin ist in Russland wenig zum Verbleib von Kindern zu erfahren, die aus | |
ukrainischen Waisenhäusern und Kinderheimen kommen, die in den Wirren des | |
Kriegs und an der sich ständig ändernden Frontlinie ihre Eltern verloren | |
haben, die von ihren Müttern und Vätern zur „Erholung“ aus dem Kriegsgebi… | |
weggebracht wurden und nicht mehr nach Hause zurückkehrten. | |
## Betreten verboten | |
Die russischen Einrichtungen sind verschlossen – und auch für | |
Journalist*innen tabu. Ohne die Erlaubnis der Behörden dürfen solche | |
Gelände nicht betreten werden. Pflegefamilien oder auch Direktor*innen | |
von Schulen, in denen die Kinder aus der Ukraine jetzt unterrichtet werden, | |
gehen nicht an die Öffentlichkeit, um kein Strafverfahren zu riskieren. | |
Russlands Repressionsmaschinerie versetzt die Menschen immer mehr in Angst | |
und Schrecken. | |
Die meisten Kinder aus der Ukraine sind in russischen Sanatorien und | |
Kinderheimen untergebracht, 380 von ihnen in russischen Pflegefamilien, so | |
sagt es Lwowa-Belowa. Sie selbst hat fünf eigene und vier Pflegekinder, | |
zudem die Vormundschaft für dreizehn kleine Menschen mit kognitiven | |
Behinderungen. | |
Seit August nennt sie den 15-jährigen Filipp Golownja aus dem von den | |
Russen zerbombten Mariupol „mein Kind aus dem Donbass“. „Es ist der Ruf | |
meiner Seele, mein ganzes Leben schon, allen Kindern meine Liebe zu | |
schenken“, sagt Lwowa-Belowa in einer Reportage des ultrakonservativen | |
staatsnahen Senders Zargrad. | |
In dem Fernsehbericht wird die international gesuchte Kinderdiebin als | |
„Übermensch, der Kinder aus dem Kugelhagel rettet“ bezeichnet. Neben ihr | |
sitzt ihr Mann, den sie als „Vater Pawel“ anspricht. Der einstige | |
Programmierer ist seit 2019 orthodoxer Priester. Die beiden hatten sich in | |
einer Kirche in Pensa, etwa 500 Kilometer südlich von Moskau, | |
kennengelernt, als Lwowa-Belowa 14 Jahre alt war. Mit 17 heiratete sie | |
Pawel Kogelman, 2005 wurde ihre Tochter Alexandra geboren. | |
## Berufung gefunden | |
Lwowa-Belowa, ausgebildete Dirigentin für Unterhaltungsmusik-Orchester, | |
arbeitete als Gitarrenlehrerin an einer Musikschule. In Pensa hatte sie | |
Projekte zum betreuten Wohnen für Menschen mit Behinderungen ins Leben | |
gerufen und die Beamten in der Region davon überzeugt, dass häusliche | |
Pflege besser sei als die psychoneurologischen Internate, in denen in | |
Russland zahlreiche Menschen mit Behinderungen ruhig gestellt werden. | |
Im Oktober 2021 machte Putin sie zu seiner Kinderrechtskommissarin, die | |
fromme, kinderreiche Mutter passt gut in das russische Narrativ der | |
„traditionellen Werte“. Mit dem Krieg scheint Lwowa-Belowa ihre Berufung | |
gefunden zu haben – und findet wenig dabei, dass sie vielen Mädchen und | |
Jungen aus der Ukraine die Identität raubt. | |
25 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Internationaler-Strafgerichtshof/!5922646 | |
[2] /Meduza-Auswahl-16-bis-22-Maerz/!5923800 | |
## AUTOREN | |
Inna Hartwich | |
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