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# taz.de -- Strafverfolgung im Ukraine-Krieg: Kriegsverbrechen beweisen
> Die EU-Justizbehörde eröffnet ein Zentrum zur strafrechtlichen Verfolgung
> des russischen Angriffskriegs. Das Beweismaterial sei bereits „riesig“.
Bild: Opfer von Kriegsverbrechen: Eine Frau trauert in Butscha um ihren getöte…
Den Haag taz | Die Hauptstadt des internationalen Rechts ist um eine
Institution reicher. Unter dem Dach der gemeinsamen europäischen
Justizbehörde Eurojust wurde am Montag das International Centre for the
Prosecution of the Crime of Aggression against Ukraine [1][(ICPA)] ins
Leben gerufen. Das Zentrum soll Beweise zur Verfolgung russischer
Kriegsverbrechen sammeln und Anklagen gegen Täter vorbereiten.
Seit Anfang 2022 gibt es internationale Bestrebungen, den russischen
Angriffskrieg gegen die Ukraine strafrechtlich zu verfolgen.
EU-Justizkommissar Didier Reynders sprach bei einer Pressekonferenz in Den
Haag von einem „wichtigen Schritt im weltweiten Kampf gegen
Straflosigkeit“. Eine so schwerwiegende Verletzung der Charta der Vereinten
Nationen dürfe nicht toleriert werden.
Nach dem Kriegsverbrechen von Butscha hatte Reynders von
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen im Frühjahr 2022 den Auftrag
erhalten, in der Ukraine begangene Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen
die Menschlichkeit zu untersuchen. Begonnen hatten die gemeinsamen
Anstrengungen bereits mit einem Treffen im März 2022 auf Anregung Polens,
Litauens und der Ukraine. Wenig später standen diese Staaten an der Basis
eines [2][Joint Investigation Teams] (JIT), dem im Mai 2022 Estland,
Lettland und die Slowakei beitraten. Rumänien folgte im vergangenen
Oktober.
Neben den Teams arbeitet das Zentrum, das von Eurojust finanzielle und
logistische Unterstützung erhält, mit der US-amerikanischen Justiz sowie
mit dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) zusammen. Der in Den Haag
anwesende Chefankläger des Gerichts, Karim Khan, erklärte diesen Schritt
damit, dass Partnerschaften mit Staaten und Zivilgesellschaft nötig seien,
um dem Römischen Statut und dem Prinzip der Haftung zur Geltung zu
verhelfen. „Wir sind nicht auf der Seite der Ukraine, sondern auf der Seite
der Gerechtigkeit“, betonte Khan. Die Gründung des ICPA sei in diesem Sinne
der Beginn eines Prozesses.
Dass an dessen Ende ein Tribunal stehen soll, steht außer Frage. Ob dies am
Internationalen Strafgerichtshof oder vor einem Gericht nach nationaler
Rechtsprechung geschehen wird, ist noch unklar. „Die Art des Tribunals ist
zum jetzigen Zeitpunkt nicht wichtig“, so Eurojust-Präsident Ladislav
Hamran. Wichtig sei aber, dass die Ermittlungen beginnen. „In der
Vergangenheit war dies immer erst nach einem Konflikt der Fall. Dies ist
das erste Mal, dass es anders ist.“ Bei der Arbeit des ICPA handelt es sich
um die ersten Ermittlungen im Fall eines Angriffskrieges seit dem Zweiten
Weltkrieg. Das Beweismaterial, so Hamran, sei „riesig“.
Lücken müssen identifiziert werden
Dieses zu sichern und in einem zentralen Ort zugänglich zu machen, ist die
Hauptaufgabe des neuen Zentrums unter dem Dach von Eurojust. Grundlage ist
die [3][Core International Crimes Evidence Database] (CICED), die bereits
seit Februar in Betrieb ist. Dort wird das von Mitgliedstaaten
bereitgestellte Beweismaterial gesammelt, um dann eine Anklagestrategie zu
entwerfen und einen strafrechtlichen Fall vorzubereiten.
Genau darum, so Hamran, sei es auch wichtig, mit dem Sammeln von
belastendem Material nicht länger zu warten. Bei seiner Analyse müssten
zudem mögliche Lücken in der Beweisführung identifiziert und das gesamte
Material auf Ukrainisch und Englisch übersetzt werden, um es einem
Gerichtshof zur Verfügung stellen zu können.
In den letzten Wochen sei bereits aus zehn Staaten Material übermittelt
worden, so der Eurojust-Präsident. Laut Kenneth Polite, der als
Staatsanwalt das ebenfalls mit dem ICPA kooperierende US-Justizministerium
in Den Haag vertrat, sei auch von dort bereits der erste Beitrag
eingegangen. Der ukrainische General-Staatsanwalt Andriy Kostin sagte,
seine Behörde habe bislang „mehr als 93.000 Fälle von Kriegsverbrechen“
sowie 347 Verdächtige ermittelt. Strafverfolgung müsse allerdings auf die
höchsten Ränge der politischen und militärischen Führung abzielen, betonte
er. Daher sei „ein ordentliches Tribunal wichtiger als ein schnelles“.
Das ICPA-Zentrum, das Ursula von der Leyen bereits im Februar angekündigt
hatte, bedeutet für das internationale Recht nun in mehrerer Hinsicht
Neuland. Nicht nur, weil es seine Arbeit inmitten des betreffenden
Konflikts aufnimmt, sondern auch, was den Anklagepunkt des Angriffskriegs
betrifft. „In der Architektur des internationalen Rechts herrscht hier
leider ein klaffendes Loch“, so der Ukrainer Kostin, der das IPCA als
Mittel sieht, um das völkerrechtliche Verbot von Angriffskriegen
umzusetzen.
3 Jul 2023
## LINKS
[1] https://www.eurojust.europa.eu/international-centre-for-the-prosecution-of-…
[2] https://www.eurojust.europa.eu/judicial-cooperation/instruments/joint-inves…
[3] https://www.eurojust.europa.eu/publication/core-international-crimes-eviden…
## AUTOREN
Tobias Müller
## TAGS
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