# taz.de -- Zustand von Schleswig-Holsteins Biotopen: Steter Abwärtstrend | |
> Um die Biotope in Schleswig-Holstein steht es laut einem Bericht des | |
> Landesamtes schlecht: Das Land verliert Schutzflächen, Arten | |
> verschwinden. | |
Bild: Flächen dieser Art werden etwa für die weißen Löffler immer weniger: … | |
NEUMÜNSTER taz | Ein Trecker-Korso durch den Ort, eine Kundgebung und | |
Krabbenkutter, die im Hafen festmachen: Lautstarke Proteste von | |
Bäuer*innen und Fischer*innen begleiteten den Auftakt der Konferenz | |
der Agrarminister*innen der Bundesländer und ihres Bundeskollegen Cem | |
Özdemir (Grüne), die seit Mittwoch in Büsum an der Nordsee tagen. | |
Eines der Themen auf der Tagesordnung des Treffens, das noch bis Freitag | |
dauert, lautet: Biodiversität. Doch um die ist es ausgerechnet im | |
Gastgeberland Schleswig-Holstein schlecht bestellt. Darauf weist ein | |
Bericht des zuständigen Landesamtes hin. [1][Bei der jüngsten „Inventur der | |
Natur“], so der Titel der Broschüre, kam heraus, dass sich der Zustand der | |
Biotope in Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren verschlechtert hat. | |
„[2][Die Biodiversität schwindet] direkt vor unserer Haustür“, fasst der | |
Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) die Ergebnisse | |
zusammen. Das Land habe im Vergleich zu 1980 bei der ersten Kartierung der | |
Biotope und der dort lebenden Tier- und Pflanzenarten deutlich an Flächen | |
verloren. Besonders wertvolle Bereiche wie Heiden, Dünen, Nassgrünland oder | |
artenreiches Grünland wurden weniger erfasst. „Die Fläche der Wertbiotope | |
hat sich fast halbiert und die Vielfalt der Pflanzen hat gleichzeitig | |
abgenommen“, so der BUND. | |
Auf 132 Seiten kommt der Bericht des Landesamtes zu dem Schluss, dass von | |
Menschen geprägte Landschaften wie „Acker, Intensivgrünland, Siedlungs- und | |
Verkehrsflächen in erheblichem Maße zugenommen haben – auf Kosten von | |
naturnahen Biotopflächen“. | |
## Hauptproblem: Nährstoff- und Pestizideinträge | |
Beispiel Knicks: Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gab es in | |
Schleswig-Holstein noch rund 80.000 Kilometer der grünen Feldsäume, aktuell | |
sind es noch rund 54.000 Kilometer. Die Flüsse, an denen Schleswig-Holstein | |
mit rund 30.000 Kilometern besonders reich ist, sind zum größten Teil | |
begradigt und ausgebaut und damit in einem „ungünstigen bis schlechten | |
Erhaltungszustand“, heißt es in dem Bericht. Der wichtigste Grund, das | |
zieht sich durch den ganzen Text, sind „hohe direkte und indirekte | |
[3][Nährstoff- und Pestizideinträge]“. | |
Die kommen vor allem aus der Landwirtschaft. Doch deren Organisationen | |
wehren sich vehement gegen alles, was nach Einschränkungen aussieht. | |
So hat der Bauernverband Schleswig-Holstein zwar 2018 einen „Dialogprozess | |
Biodiversität“ mit dem grün geführten Umweltministerium – das damals auch | |
für Landwirtschaft und ländliche Räume zuständig war – gestartet und | |
verspricht auf seiner Homepage, „dem Artenschutz einen höheren Stellenwert | |
zu geben“. Konkrete Maßnahmen aber verweigert der Lobbyverband. So würde | |
das Paket aus Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung und | |
Bundesnaturschutzgesetz dem Insektenschutz nicht helfen, aber durch | |
„pauschale Auflagen und Verbote“ die Landwirtschaft massiv belasten. | |
Überhaupt seien die „Ursachen des Insektenschwundes bislang nicht geklärt, | |
auf jeden Fall aber vielfältig“, [4][heißt es auf der Homepage]. | |
Der Präsident des Landes-Bauernverbandes hieß 2018 noch Werner Schwarz. | |
Heute ist Schwarz Minister für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und | |
Verbraucherschutz in Schleswig-Holstein. Seiner neuen Rolle ist sich der | |
gelernte Landwirt, der lange den elterlichen Schweinemastbetrieb führte, | |
durchaus bewusst und tritt moderierend auf. Inhaltlich steht er, das ist | |
aus vielen Äußerungen zu hören, weiter klar auf der Seite der | |
Landwirtschaft. | |
## Bauernverband lehnt Verbote ab | |
Der Deutsche Bauernverband – hier war Schwarz fast ein Jahrzehnt | |
Vizepräsident – [5][fordert aus Anlass der aktuellen | |
Agrarministerkonferenz] einen „kooperativen Naturschutz und eine Verbindung | |
zwischen Erhalt der Biodiversität mit einer produktiven Landnutzung“. Das | |
klingt gut, meint aber, dass Landwirt*innen nur auf freiwilliger Basis | |
den Umwelt- und Artenschutz voranbringen sollen. Denn „pauschale | |
Nutzungsverbote“ und „mehr Schutzgebiete“ lehnt der Bauernverband ab. | |
Dabei ist die Erkenntnis, dass Biodiversität eine Grundlage für alles Leben | |
ist, durchaus bei der Politik angekommen. Am Mittwoch bekannte sich | |
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) in einer Parlamentsrede mit Verve | |
für den Erhalt einer vielfältigen Natur: „Wer nicht weiß, dass | |
Biodiversität die Grundlage für Klima- und Artenschutz ist, hat schlicht | |
den Ernst der Lage nicht erkannt“, sagte er in Richtung der Opposition, die | |
sich zuvor über „grüne Spielwiesen“ im Haushalt mokiert hatte. Günther | |
betonte: „Der Einsatz für Biodiversität steckt in der DNA von Schwarz-Grün | |
und der CDU. Klimaziele sind für uns nicht verhandelbar.“ | |
In den Zahlen drücke sich das anders aus, so das Fazit des BUND: „Trotz | |
neuer Schutzgebiete und verbessertem gesetzlichen Schutz verschwinden | |
wertvolle Lebensräume und die Artenvielfalt in einem dramatischen Tempo, | |
und der Trend ist ungebrochen“, so Florian Schulz. „Die | |
Biodiversitätsstrategie des Landes wird von der Regierung eher halbherzig | |
betrieben.“ | |
23 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.schleswig-holstein.de/mm/downloads/Fachinhalte/Biotope/Biotopka… | |
[2] https://www.bund-sh.de/presse/pressemitteilungen/detail/news/bund-sh-schlae… | |
[3] /Pestizid-Einsatz-in-Niedersachsen/!5917708 | |
[4] https://www.bauern.sh/themen/biodiversitaet.html | |
[5] https://www.bauern.sh/fileadmin/download/Presse/Pressemitteilungen/Pressemi… | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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